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Alte Wüste

Die Atacama ist die trockenste Wüste der Erde. Und sie ist uralt. Das verraten die mächtigen Salpeterlagerstätten: Um diese Mengen an Vogelkot anzusammeln, muß eine Landschaft schon etliche Jahrmillionen absolut trocken sein. Aber als Geologen jetzt mit Hilfe des steten Stroms geladener Partikel aus dem Weltraum das wahre Alter der Atacama bestimmten, waren sie doch sehr überrascht. Mit 25 Millionen Jahren ist sie die älteste Landschaft der Welt. Auf der Tagung der europäischen Union der Geowissenschaftler wurden die Ergebnisse vorgestellt.

Von Dagmar Röhrlich | 28.04.2005
    Die Atacama-Wüste ist reif für das Guiness-Buch der Rekorde: Denn immerhin ist sie die derzeit älteste bekannte Oberfläche der Welt.

    "Es ist nichts geschehen, seit 25 Miollionen Jahren. Die älteste vergleichbare Oberfläche auf der Erde ist halb so alt, ist in der Antarktis, in den so genannten dry valleys. "

    Tibor Dunai von der Freien Universität Amsterdam. Gemessen haben die Forscher das in der Küstenkordillere, einem Vorgebirge der Anden, und zwar mit Hilfe von kosmogenen Nukliden.

    "Das sind Isotope, die entstehen durch die Wechselwirkung von kosmischer Strahlung mit Atomkernen im Gestein. Da werden im wesentlichen Atomkerne zertrümmert durch kosmische Strahlung, und wir messen die Bruchstücke. "

    Die Altersbestimmung läuft über die stabilen Isotope von Edelgasen, die im Gestein eingeschlossen sind. Die bilden sich, weil die kosmische Strahlung bis zu drei Meter tief in den Boden eindringt und dabei zufällig auf einen Atomkern trifft – etwa einen Siliziumkern im Quarz. Der zerplatzt, und es entsteht das Neon-Isotop 21. Von der Konzentration des Neon 21 in den Steinen leiten die Geologen das Alter der Oberfläche ab. Ein starker Regenfall in der Wüste könnte jedoch ausreichen, um die verräterischen Steine mit Geröll zuzuschütten: Da aber das Untersuchungsgebiet in der Küstenkordillere so äußerst trocken ist, funktioniert das Ganze.

    "Wir haben in dem Untersuchungsgebiet einen kleinen Fluß, den Quibara de Espampa, und wenn man in diesem Sedimentbett steht, sieht das aus wie ein normales Wadi, aus der Sahara. Wir haben da auch Proben gesammelt und festgestellt, dass der Fluss zum letzten mal vor 120.000 Jahren geflossen ist. Diese extreme Trockenheit dieser Landschaft hängt mit dem Humboldtstrom zusammen: "

    "Der strömt größenordnungsmäßig so seit 25 bis 30 Millionen Jahren. Das hat zu tun mit der Öffnung der Meeresstraßen zwischen Tasmanien und der Antarktis und zwischen Südamerika und der Antarktis. "

    Dadurch entstand der Zirkumpolarstrom, ein kalter Meereswirbel rund um die Antarktis, von dem der Humboldtstrom abzweigt. Der Humboldtstrom fließt nach Norden und trifft auf die Pazifikküste Südamerikas. Weil über seinem kalten Wasser die Verdunstung sehr gering ist, entstehen kaum Regenwolken, und die Küste wurde zur Wüste – die Atacama entstand. Das ist nun schon seit 25 Millionen Jahren so. Es ist dort nichts passiert, außer daß die Landschaft heute höher liegt als damals.

    "Die ist gehoben worden, /um etwa 1000 Meter, und auch dann zerbrochen worden, weil die Aufhebung ging ja mit starken tektonischen Kräften einher. "

    Das enorme Alter der Wüste ist nicht nur rekordverdächtig: Vielmehr könnte es große geologische Konsequenzen haben.

    "Bislang haben die meisten Leute gesagt, gut, die Trockenheit in der Atacamawüste liegt am kalten Meeresstrom, wird verstärkt durch das Zutreten der Anden. "

    Aber vielleicht ist es doch eher wie bei der Frage von Huhn und Ei. Sind die Anden nicht vielleicht deshalb so hoch, weil die Atacama so trocken ist? Der Gedankengang ist folgender: Weil es so selten regnet, wird seit 25 Millionen Jahren so gut wie kein Sediment ins Meer gespült. Vor der südamerikanischen Küste taucht jedoch die ozeanische Nasca-Platte unter die südamerikanische Platte ab – und das "faltet" die Anden auf. Das Abtauchen läuft aber nur dann reibungslos, wenn es durch das ins Meer gespülte Sediment geschmiert wird. Ohne Sediment…

    "…gibt es einen Kolbenfresser, und deswegen wird die ganze Kraft der normalerweise abtauchenden Platte übertragen aufs Gebirge. Und seitdem, diesen 25 Millionen Jahren gibt es auch einen rasanten Anstieg der Aufhebungsrate der Anden. Also dieses hohe Alter, was sie gefunden haben, macht diese Theorie möglich, ist kein Beweis dafür, aber ohne dieses hohe Alter der Aridität, Trockenheit, wäre das nicht möglich."

    Noch ist das eine Theorie, aber mit Blick auf das enorme Alter der Atacama könnte etwas an ihr dran sein. Dann wären die Anden deshalb so breit und hoch, weil es die Atacama seit 25 Millionen Jahren gibt.