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Altersversorgung auf dem Prüfstand

Charakterlos, unverschämt, instinktlos – jede deftige Formulierung war manchen Politikern und Gewerkschaftern recht, um die Finanzdienstleister Commerzbank und Gerling zu geißeln. Die Commerzbank hatte zuvor die Betriebsrenten für ihre rund 24.000 Mitarbeiter gekündigt. Der Gerling-Konzern will seine betriebliche Altersversorgung um 30 bis 50 Prozent kürzen. Die Empörung in Presse, Öffentlichkeit und Politik war ebenso lautstark wie einhellig.

Von Axel Brower-Rabinowitsch |
    Dabei hätten die rot-grüne Bundesregierung, Koalition und Union allen Grund zur Zurückhaltung. Denn beide haben in trauter Gemeinsamkeit gerade im Rahmen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes bei den Betriebsrenten und der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes kräftig zugelangt. Seit dem 1. Januar muss auf diese Alterseinkünfte der volle und nicht mehr der halbe Beitragssatz zur Krankenkasse und zur Pflegeversicherung entrichtet werden, was die Betriebsrenten um immerhin rund neun Prozent kürzt. Viele Betroffene ziehen vor den Kadi. Hinzu kommt: Im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes soll ab 2005 die günstige Pauschalsteuer auf Beiträge zur Betriebsrente einkassiert und die Betriebsrenten selber sollen besteuert werden.

    Das allerdings geht angesichts der Proteste wegen Kündigung und Kürzung von Betriebsrenten durch die Unternehmen weitgehend in der Öffentlichkeit unter. Bei der Commerzbank und der zuständigen Gewerkschaft ver.di schlagen die Wellen der Empörung besonders hoch. Tausende von Mitarbeitern gehen auf die Straße – nachvollziehbar, wie die Meisten meinen. Denn die Umstände der Kündigung der Betriebsrenten waren – freundlich ausgedrückt - fragwürdig.

    Ohne den Aufsichtsrat zu informieren und ohne die eigenen Altersbezüge entsprechend zu kappen, hatte der Bankenvorstand kurz vor Jahresende die Kündigung verschickt. Hinzu kommt: Ebenso wie bei Gerling handelt es sich bei der Commerzbank um einen Finanzdienstleister mit großen geschäftlichen Interessen an Privatvorsorge und Betriebsrenten. Damit kann man gutes Geld verdienen. Insofern stellen die geplanten Einschnitte bei der eigenen Betriebsrente ein Imageproblem dar. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement plagen ganz andere Befürchtungen:

    Ich hoffe, dass sich daraus kein Trend entwickelt. Das ist eine ungute Entwicklung, wenn Unternehmen die gegenwärtige Situation nutzen, in der viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unsicher sind über den Arbeitsplatz, um zu solchen Kürzungen zu kommen. Ich will da keine ethisch-moralischen Appelle äußern, aber ich will doch die Erwartung äußern, dass Unternehmensvorstände, die zu solchen Maßnahmen glauben greifen zu müssen, solche Maßstäbe natürlich an sich selbst dann auch legen sollten, um bestehen zu können.

    Der Chef der CDU-Sozialausschüsse, Hermann Josef Arentz, wurde noch deutlicher: Kein Klassenkämpfer könnte ein schlimmeres Zerrbild des hässlichen Kapitalisten zeichnen, als es der Bankvorstand selber tut. Commerzbankchef Müller verhöhne seine Mitarbeiter, wenn er für 2004 ein Spitzen-Ergebnis seiner Bank vorhersage und gleichzeitig über Nacht die Betriebsrenten streiche. Wenn der Beschluss nicht schnellstens rückgängig gemacht werde, müsse der Vorstand zurücktreten, forderte der CDU-Politiker.

    Commerzbank-Chef Klaus Peter Müller verteidigte die Maßnahme dagegen. Die Bank müsse ihre Rentabilität steigern und könne dabei nicht nur den Aktionären Verzicht zumuten. Bisher habe man zwischen 5 und 15 Prozent der Gesamtrente der Mitarbeiter finanziert. Deshalb habe es zur Kündigung keine Alternative gegeben. Die Pensionen des Vorstands, die sowieso unter dem Bankendurchschnitt lägen, seien bereits 2001 gekappt worden, meinte Müller und fügte in Sachen Arbeitnehmer hinzu:

    Wir meinen, dass wir hier eine Versorgungsquote erreicht haben, die bei Mitarbeitern bis an 90 Prozent heranreicht, bei der es zumutbar ist, einen etwas höheren Eigenanteil aufzubringen, so dass wir vor diesem Hintergrund an sich sehr gut versorgte Mitarbeiter haben.

    Wie das künftig aussehen wird, ließ der Vorstandssprecher allerdings offen. Dagegen könne von angemessenen Opfern des Bankvorstands keinesfalls gesprochen werden, meint die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. Sollte es der Bank noch schlecht gehen, was zunehmend bestritten wird, dann liege es aber nicht an den Mitarbeitern, betonte die DGB-Vize:

    Wenn man sich überlegt, woher kommt die finanzielle Problematik der Commerzbank, dann sind es ja eindeutig Fehlentscheidungen, die in den Vorstandsetagen bei Anlageentscheidungen und Ähnlichem ergriffen worden sind. Ausbaden müssen es die kleinen Beschäftigten. Und diejenigen, die die Entscheidungen zu verantworten haben, bekommen weiterhin ihre goldenen Handschläge. Das ist nicht in Ordnung.

    Arbeitgeberfinanzierte Betriebsrenten, die es bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland gibt, basieren allerdings in aller Regel auf einer freiwilligen Betriebsvereinbarung. Dabei haben Gesetzgeber und Gerichte hohe Hürden für Kündigungen oder Kürzungen eingebaut. So muss das Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Probleme nachweisen. Am leichtesten ist es deshalb noch, neu eintretenden Mitarbeitern die Betriebsrentenzusagen zu kürzen oder zu verweigern, was zum Beispiel Schering plant. Dennoch kann und sollte der Gesetzgeber sich nicht in Betriebsvereinbarungen einmischen. Bundessozialministerin Ulla Schmidt meinte zum Thema Gerling und Commerzbank:

    Ich hab da keine Möglichkeit einzugreifen.

    Das trug ebenso wenig wie die Erläuterungen des Bankenvorstands zur Beruhigung der Gemüter bei – eher schon die werbewirksame Ankündigung des Autobauers Opel, die bereits 1997 abgeschaffte Betriebsrente unter neuen Konditionen wieder einzuführen, wofür man prompt Lob von allen Seiten einheimste. Opel lag seinerzeit allerdings im Trend. Denn aufgrund verschlechterter steuerlicher Rahmenbedingungen und sinkender Wachstumsraten war die arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente seit zwei Jahrzehnten auf dem Rückzug. Manche meinen deshalb, es handele sich um ein Auslaufmodell. Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge:

    Was wir jetzt feststellen ist eine Veränderung, die wir bei anderen Unternehmen teilweise schon in den 80er und Anfang der 90er Jahre gehabt haben. Es handelt sich hier alleine um Änderungen und Eingriffe in die allein vom Arbeitgeber finanzierte betriebliche Altersversorgung, während wir bei der vom Arbeitnehmer über Entgeltumwandlung finanzierten betrieblichen Altersversorgung in den letzten zwei Jahren sogar erhebliche Zuwächse gehabt haben.

    Alexander Gunkel, Sozialexperte der BDA, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, gibt ebenso wie Frau Engelen-Kefer der Politik die Schuld am Niedergang der typischen, vorwiegend von Arbeitgebern bezahlten Betriebsrente. Weniger die ungenügende wirtschaftliche Entwicklung als vielmehr die Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen sei Auslöser dieser Entwicklung gewesen. Und die Riesterreform, die die Renaissance der Betriebsrenten vor zwei Jahren eingeleitet hatte, fördert insbesondere jene Systeme, an denen sich Arbeitnehmer ganz oder teilweise an den Beiträgen beteiligen. Dennoch würden viele große Firmen auch weiterhin Betriebsrenten aus eigener Kasse finanzieren, betont Gunkel:

    Der Hauptgrund für Betriebe, betriebliche Altersversorgung anzubieten ist ja auch vor allem, dass damit eine freiwillige Sozialleistung angeboten werden soll, die zu einer höheren Mitarbeiterbindung führt. Das ist nach wie vor das entscheidende Argument. Es ist ein wichtiges Instrument der Personalpolitik, das in Anbetracht der Notwendigkeit verstärkter Altersvorsorgeanstrengungen auch von den Arbeitnehmern sehr gut angenommen wird.

    Heute schon erleichtern Betriebsrenten die Anwerbung gesuchter Fachkräfte. Wenn aufgrund der demografischen Entwicklung Arbeitskräfte insgesamt knapp werden, dürfte ihre Bedeutung weiter steigen – immer vorausgesetzt, sie bleiben aufgrund einer geringen Belastung mit Steuern und Abgaben für Unternehmen und Arbeitnehmer bezahlbar und lohnend.

    Zusammengefasst heißt das: In aller Regel ist die Rendite bei der Betriebsrente besser als bei allen anderen Vorsorgeformen. Nach der Riesterreform, die die Entgeltumwandlung aus dem Bruttoeinkommen durch die Befreiung von Steuern und Sozialabgaben oder aus versteuertem Einkommen durch Zuschüsse fördert, sind deshalb in den meisten Branchen Tarifverträge geschlossen worden, die für 20 Millionen Beschäftigte gelten. Sie verpflichten die Arbeitgeber, auf Wunsch des Mitarbeiters eine Betriebsrente anzubieten und abzuschließen – aber eben in der Regel auf Kosten der Arbeitnehmer durch Entgeltumwandlung – also aus Lohn oder Gehalt. Nur deswegen geht es bergauf mit den Betriebsrenten. Stiefermann verweist auf eine Studie. Sie ergab:

    dass Ende des Jahres 2001 etwa 35 % aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft eine betriebliche Altersversorgungszusage hatten, während es im März des vergangenen Jahres – also 15 Monate später – schon 42 Prozent waren. Wir hatten also 7 Prozentpunkte Zuwachs.

    10,3 Millionen Arbeitnehmer in der Wirtschaft und 5 Millionen beim Staat haben inzwischen Anspruch auf eine Betriebsrente. Sie liegt durchschnittlich bei 340 Euro. Dass die meisten Firmen nicht mehr alleine für die Betriebsrenten aufkommen wollen, hat natürlich auch finanzielle Gründe. Denn auch Betriebsrenten werden künftig von der demografischen Entwicklung negativ betroffen. Bei meist sinkendem Personalbestand und steigender Zahl von Betriebsrentnern nimmt die Belastung für die Unternehmen zu.

    Das Hamburger SES-Institut kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass die Hälfte der 30 großen im Dax registrierten deutschen Unternehmen durch ihre Betriebsrentensysteme erheblich finanziell belastet ist. Die Pensionszahlungen machen bis zu 17 Prozent der Lohn- und Gehaltssumme aus. Und die Pensionsrückstellungen belaufen sich auf bis zu 22 Prozent der Bilanzsumme. Unter diesen Bedingungen kann man zumindest nachvollziehen, dass immer mehr Unternehmen versuchen, ihre Arbeitnehmer ganz oder teilweise an den Kosten zu beteiligen.

    Derartige Systeme haben, wie bereits erwähnt, die Riesterreform erleichtert. Danach haben Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersvorsorge. Man kann wählen zwischen den Zuschüssen, die es auch für die private Riesterrente gibt. Dann muss man die Beiträge aus versteuertem und sozialabgabenpflichtigem Einkommen entrichten. Oder man zahlt steuer- und abgabenfrei und erhält dann keine Zuschüsse vom Staat. Letzteres lohnt sich vor allem für besserverdienende und kinderlose Arbeitnehmer.

    Sämtliche Formalitäten, einschließlich der Auswahl der Anlageform, erledigt in aller Regel der Arbeitgeber. Der gibt im Übrigen – je nach Tarifvertrag oder freiwillig – oft noch etwas obendrauf. Eingezahlt werden kann in fünf verschiedene Durchführungswege. Um zumindest einen Inflationsausgleich zu gewährleisten, müssen die vom Arbeitgeber finanzierten Betriebsrenten mindestens alle drei Jahre angehoben werden, sofern das die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erlaubt. Alternativ kann eine Anhebung der Betriebsrenten um jährlich ein Prozent oder die Ausschüttung der Überschussanteile vereinbart werden. Letzteres gilt generell für die Entgeltumwandlung. Die Betriebsrenten sind über den Pensions-Sicherungs-Verein vor Insolvenz geschützt, also sicher.

    Die älteste Form der Betriebsrente ist die Unterstützungskasse. Sie wird von einem oder mehreren Arbeitgebern durch Beiträge und die hierauf erwirtschafteten Erträge finanziert. Einen Rechtsanspruch für die Arbeitnehmer, von der Unterstützungskasse eine Betriebsrente zu erhalten, gibt es nicht. Allerdings muss der Arbeitgeber einspringen, wenn die Kassenmittel nicht ausreichen sollten, um zugesagte Betriebsrenten zu bedienen.

    Die derzeit beliebteste Form ist die Pensionskasse, die als Aktiengesellschaft oder Versicherungsverein organisiert wird. Die Funktion entspricht etwa der einer Lebensversicherung. Deshalb gibt es auch einen Rechtsanspruch auf eine Betriebsrente aus der Pensionskasse. Arbeitgeberexperte Gunkel erläutert, warum diese Form besonders häufig gewählt wird:

    Das liegt daran, dass die steuerbegünstigten Dotierungsmöglichkeiten bei der Pensionskasse besonders günstig sind. Hier können über 4.000 Euro pro Jahr steuerbegünstigt angelegt werden. Und zudem ist die Pensionskasse aufgrund ihrer großen Insolvenzsicherheit auch von Beiträgen zum Pensions-Sicherungs-Verein befreit. Auch das führt dazu, dass die Pensionskasse insgesamt besonders kostengünstig arbeiten kann.

    Eine weitere Möglichkeit ist die Direktversicherung. Sie entspricht einer normalen Lebensversicherung. Nur ist in diesem Fall der Arbeitgeber der Versicherungsnehmer. Er zahlt die Beiträge – auch wenn sie in den meisten Fällen aus Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers stammen. Der oder seine Hinterbliebenen haben Anspruch auf die Versicherungsleistung. Für den Arbeitgeber ist das die verwaltungsmäßig einfachste Form der Betriebsrente, weshalb sie besonders von kleinen und mittleren Firmen bevorzugt wird. Noch einmal Gunkel:

    Die Direktversicherung ist in jedem Fall eine attraktive Alternative – gerade wenn ein Betrieb noch kein eigenes betriebliches Altersversorgungssystem aufgebaut hat. Die Direktversicherung hat auch den Vorteil, dass sie schon heute eine optimale Portabilität gewährleistet für die Beschäftigten. Das heißt, sie können die Policen dann auch mitnehmen, wenn sie zu einem anderen Arbeitgeber wechseln.

    Das geht ansonsten frühestens nach fünf Beschäftigungsjahren bei einem Alter von mindestens 30 Jahren. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer selber einzahlt, wie Stiefelmann erläutert:

    Ab dem ersten Tag, wo ein Arbeitnehmer Beiträge in eine Betriebsrente selbst hineinzahlt, können vom Arbeitgeber weder Änderungen vorgenommen werden, noch geht ihm etwas verloren, dem Arbeitnehmer, wenn er den Arbeitsplatz wechselt.

    Der vierte Weg ist die Direktzusage. Hier ist der Arbeitgeber alleiniger Träger und Finanzier der Altersversorgung nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Dafür werden Pensionsrückstellungen ausgewiesen. Schließlich gibt es als neue Form noch den Pensionsfonds, der sich vor allem durch einen höheren Aktienanteil von anderen unterscheidet. Er wird aber bisher kaum genutzt. Der Pensionsfonds zahlt lebenslange monatliche Renten und darf auch Invalidität und Hinterbliebene mit absichern.

    Betriebsrenten sind also eine durchaus komplizierte Materie. Andererseits wächst ihre Bedeutung. Denn durch die staatlichen Eingriffe in die soziale Rentenversicherung nehmen die Versorgungslücken im Alter zumindest für alle jene beträchtlich zu, die nicht über Vermögen oder zusätzliche Alterseinkommen verfügen. Betriebsrenten, die eine besonders gute Rendite versprechen, wären also ideal dafür geeignet, diese Versorgungslücken zu schließen. Auch deshalb sind die öffentlichen Reaktionen auf Kündigungen und Kürzung so heftig.

    Wie bereits erwähnt, wird die Betriebsrente, gerade erst durch Riester aufgewertet, jetzt erneut unter politischen Druck geraten. Für viel Aufregung sorgen die vollen Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten, Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und Zahlungen aus berufsständischen Versorgungswerken. 1,6 Milliarden Euro soll allein das den Krankenkassen zu Lasten der Rentner bringen. Hinzu kommt der volle Pflegebeitrag. Stiefermann berichtet:

    Anfang des Jahres haben viele Betriebsrentner eine wirklich sehr böse Überraschung erleben können. Arbeitnehmer sind im höchsten Maße enttäuscht und fühlen sich während der Rentenphase abgezockt.

    Auch die Gewerkschaften sind empört und verlangen ebenso wie die Sozialverbände und die FDP, diese Neuregelung wieder abzuschaffen. Frau Engelen-Kefer schließt die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nicht aus:

    Es geht ja hier ohne Zweifel um Ungleichbehandlung. Private Lebensversicherungen werden günstiger behandelt als Betriebsrenten. Und hier hoffe ich, dass die Politik in der Lage ist, vielleicht doch noch mal zu überdenken, ob nicht Korrekturen erforderlich sind, bevor man dann die letzten rechtlichen Konsequenzen ziehen muss.

    Der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes vom Bundessozialministerium lehnt das ab. Es gebe dazu keine Alternative, weil man die Einnahmen zur Stabilisierung des Gesundheitswesens dringend benötige:

    Dies bedeutet, dass wir den vollen Beitragssatz nun auf die Betriebsrenten erheben müssen – was im Übrigen, wenn man den durchschnittlichen Betrag von 340 Euro bei Betriebsrenten nimmt, eine Belastung von ungefähr 24 bis 25 Euro pro Monat für den Betroffenen angeht. Das ist eine Belastung, aber es sichert gleichzeitig unser Gesundheitssystem.

    Zudem greift die vom Verfassungsgericht geforderte Rentensteuer ab 2005 vor allem bei den Betriebsrenten. Weitere Verschlechterungen sind geplant: Ab 2009 sollen wieder Sozialbeiträge auf Entgeltumwandlung fällig werden, was die Beiträge zur Betriebsrente für Arbeitnehmer und Arbeitgeber um jeweils rund 20 Prozent verteuern würde. Und schließlich entfällt auch noch die günstige Pauschalsteuer von 20 Prozent, die für Einzahlungen in Direktversicherungen und Pensionskassen gilt. Das könnte den Boom bei den Betriebsrenten stoppen, weil sie finanziell unattraktiver werden. Gunkel fordert eine Verdoppelung der steuerfreien Beiträge zu Betriebsrenten, falls die Pauschalsteuer abgeschafft wird:

    Richtig wäre, dass wir einen größeren Anteil – wir schlagen 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung vor – steuerfrei stellen, wenn sie in betriebliche Altersversorgung investiert wird.

    Das wären dann knapp 5.000 Euro, die man jährlich steuerfrei einzahlen könnte. Auch Stiefermann setzt sich dafür ein. Er hat aber noch zwei weitere Wünsche an die Politik:

    Ganz besonders wichtig wäre es zunächst einmal, die Regelungen zur vollen Verbeitragung von Betriebsrenten zurückzunehmen. Wichtig ist es darüber hinaus, dass bei der Entgeltumwandlung die Sozialabgabenfreiheit auch über den 31. 12. 2008 hinaus erhalten bleibt.

    Dass diese Wünsche in Erfüllung gehen, ist wohl eher unwahrscheinlich. Und so werden die Betriebsrenten, die seit zwei Jahren nach langer Zeit der Schrumpfung wieder im Aufwind sind, gleich von zwei Seiten in die Zange genommen: Unternehmen versuchen auszusteigen, aus den von ihnen alleine finanzierten Systemen. Und gleichzeitig verschlechtert die Politik die finanziellen Rahmenbedingungen.

    Das bestreitet Thönnes. Die Riesterförderung werde 2008 zehn Milliarden Euro erreichen. Und die ab 2005 geltende Rentensteuer sei nur die eine Seite der Medaille. Denn gleichzeitig würden Vorsorgeaufwendungen für die Rente stufenweise steuerfrei gestellt, was den finanziellen Spielraum für Privatvorsorge und Betriebsrenten deutlich erhöhe. Thönnes bestreitet deshalb, dass der Boom bei den Betriebsrenten bald zu Ende sein könnte:

    Opel zeigt uns, dass der Boom auch weiterhin ungebrochen bleibt. Und das ist auch das, was wir sehen in Bereichen, wo Tarifverträge abgeschlossen worden sind. Wenn wir alle positiv dafür werben, d.h. die Wirtschaft, Gewerkschaften und auch Politik, dann fassen die Menschen auch Vertrauen in die Angebote zur betrieblichen Altersvorsorge.