Es kommt selten vor, dass Wolfgang Niersbach über die Niederungen des Fußballs spricht. Doch als der Deutsche Fußball Bund in Berlin die Pläne zur aufwendigen Neugestaltung seines Amateurfußball-Portals fussball.de präsentierte, lobte der DFB-Präsident die Arbeit an der Basis fast überschwänglich. Eigentlich gilt Niersbach als Mann des Profifußballs. Das stört ihn nicht, doch er will sich auch nicht darauf reduzieren lassen. "Ich habe ja den Einstieg von der professionellen Seite als Journalist gehabt, insofern war diese Beschreibung nicht so falsch. Aber ich erkenne doch in dieser Funktion genau, wie wichtig diese ganze Fußballbewegung an der Basis ist."
Und diese Basis gibt Anlass zur Sorge. "Die große Herausforderung wird sein, den Fußball wirklich in jeder Ecke unserer Republik weiter zu ermöglichen. Dass also auch idealerweise in den kleinsten Dörfern ein Fußballplatz ist mit einem Verein, die am Wochenende auch noch eine Mannschaft zusammenkriegen."
Im DFB sind mehr als 6,8 Millionen Menschen organisiert, so viele wie nie zuvor. Doch Niersbach weiß: Das ist nur dem Zuwachs bei den passiven Mitgliedern zu verdanken. "Wir freuen uns darüber, aber wir müssen ja den aktiven Fußball fördern. Also müssen wir an der Basis noch viel mehr werben, als das früher der Fall war. Und da hilft dieses neue Amateurportal fussball.de enorm. Denn dort holen wir die junge Zielgruppe digital ab. Wir müssen sie dann aus der digitalen Welt nur in die reale auf dem Platz bringen."
In der realen Welt kämpft der Amateurfußball vor allem wegen der demografischen Entwicklung mit Problemen. Die Zahl der Spieler und Mannschaften sinkt. In vielen Klubs ist die finanzielle Not groß. DFB-Vizepräsident Rainer Koch rät deshalb zu Bescheidenheit. "Es ist heute bis in unterste Klassen hinein noch zu oft üblich, zu hohe Aufwandsentschädigungen an die Spieler und an den Trainer der Ersten Mannschaft zu bezahlen. Ich glaube, der Amateur-Fußball muss sich insgesamt deutlich kostengünstiger aufstellen. Das heißt, die Ausgaben müssen reduziert werden und die Einnahmen muss man versuchen zu erhöhen – wo dies denn noch möglich ist."
Plattform für Sponsoren benötigt
Der Handwerksbetrieb oder das Autohaus von nebenan hilft längst nicht mehr überall. Ideen sind gefragt. Und es gibt sie. Etwa beim Berliner Start-up-Unternehmen clubspo11. Das betreibt seit einem Jahr eine Plattform im Internet, die Amateurklubs und Sponsoren zusammenbringen soll. Vorstand Michael Müller sieht großen Nachholbedarf. "Wir wissen um die Bedürftigkeit der Klubs, aber letzten Endes kommt es ja darauf an: Was kann ich dem Sponsor auch zurückgeben? Und da wollen wir den Vereinen helfen, dass sie sich eben professioneller aufstellen können und auch einfach ganz klar wissen: Was sind sie denn überhaupt wert als Verein. Also einfach nur hinzugehen, die Hand aufzuhalten und nach Geldern zu fragen, ist eine Möglichkeit. Letzten Endes ist das aber nichts anderes als eine Spende. Und Spende und Sponsoring sind wieder zwei verschiedene Paar Schuhe."
Natürlich ist den Berliner Marketingprofis klar, dass ein Kreisligist keine Imagekampagne braucht. "Was wir aber durchaus machen wollen, ist, dass wir eine Plattform bieten, die es den Vereinen auch einfacher macht, eben einen Sponsor anzusprechen. Das heißt, man registriert sich auf unserem Portal clubspo11.de und bekommt sein eigenes Sponsoring-Profil, das man dann auch wieder per Mail in einem Link – an Sponsoren zum Beispiel – verschicken kann." Müller ist vom eigenen Geschäftsmodell überzeugt. "Überall da, wo Emotionen im Spiel sind, kann ich natürlich Werbebotschaften auch ideal verankern oder ideal platzieren. Das kann die Fahrschule oder die Bäckerei um die Ecke sein. Es ist letzten Endes aber auch für große Unternehmen, oder insbesondere für große Unternehmen interessant, die eben nicht die Möglichkeit haben, sich um dieses 'Kleinvieh' zu kümmern."
Ortswechsel. In Dreieich, dem Wohnort von DFB-Präsident Niersbach, entsteht gerade ein schicker Sportpark. Initiator des Projekts ist Unternehmer Hans Nolte, dessen Firma ihren Sitz in der Stadt im Frankfurter Umland hat. Nolte sah ein Problem und entschied sich zu handeln. "Insoweit man gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen möchte als ein großer Steuerzahler in einer Gemeinde, gibt es natürlich verschiedene Ansätze, das zu tun. Ich persönlich erachte den Ansatz als den zielführenden, hier konkret und möglicherweise auch an anderen Orten, dass man nicht schlicht und einfach über politische Lobbyarbeit versucht, Einfluss zu nehmen, sondern auch konkret hilft bei der Bewältigung von Fragestellungen."
Amateur-Fußball in alter Struktur nicht mehr zeitgemäß
Die Stadt Dreieich ist unter den kommunalen Rettungsschirm geschlüpft. An allen Ecken und Enden wird gespart. Für die Fußballklubs heißt das, sie müssen für die Nutzung der Sportplätze nun Gebühren zahlen. Doch dafür fehlt fast allen das Geld. Hans Nolte wusste Rat. Er sorgte dafür, dass ein neuer Verein gegründet wurde. Der SC Hessen Dreieich, der bald im neuen Sportpark spielen wird, dient als Dachmarke. Für ihn sollen künftig die besten Talente der Altvereine auflaufen, die dem neuen Klub als assoziierte Mitglieder beitraten. Die Stadtteilvereine gibt es weiterhin. Sie dürfen ihren Spielern nichts mehr zahlen und stimmten zu, dass die Jugendarbeit künftig zentral koordiniert wird. Dafür erhalten sie Geld aus dem Sponsorenpool, den Nolte rund um den neuen Klub und die neue Spielstätte bilden will. Für den Unternehmer gilt als sicher: In seiner alten Struktur ist der Amateur-Fußball nicht mehr zeitgemäß.
"Brauchen wir in einem Ort mit 40.000 Einwohnern tatsächlich 16 aktive Seniorenmannschaften?" Aus Noltes Sicht ist das eine rein rhetorische Frage. In den Altvereinen tat man sich naturgemäß etwas schwerer mit der neuen Zeitrechnung. "Es ist aber eine Erkenntnis auch durchaus vorhanden, dass es aus rein wirtschaftlichen Gründen so nicht weitergehen kann. Wir müssen also Antworten finden. Und ich denke, es ist immer besser, dass man gemeinsam selbst diese Antworten erarbeitet, als dass man sie von Dritten oktroyiert erhält. Also etwa, indem die Kommune Sportplätze sperrt."
Auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach weiß: Der Fußball an der Basis ist mehr denn je auf neue Ideen und Konzepte angewiesen, um in der Breite überleben zu können. "Im Fußball werden diese Modelle ja seit vielen Jahren schon praktiziert; dass sich Vereine, aber auch Verbände, nicht darauf verlassen, was sie jetzt an Unterstützung von der öffentlichen Hand bekommen, sondern dass sie selbst aktiv werden. Wenn es das in den zurückliegenden Jahren nicht schon gegeben hätte, da hätte so mancher Verein schon seine Tür abschließen können. Es ist die Erkenntnis in allen Lebensbereichen, dass die öffentliche Hand, die Kommunen trotz steigender Steuereinnahmen nicht mehr klarkommen. Und da ist der einzelne Bürger aufgerufen, da sind Initiativen gefordert, um das auszugleichen."