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Ambrosia-Scouts

Globalisierung hat viele Gesichter: Eines ist grün, unscheinbar und hochallergen. Gemeint ist die Ambrosia, ein Korbblütler, der durch den globalen Warenverkehr von Nordamerika nach Europa kam, als Samen. Die Pflanze findet die Bedingungen hier aber sehr komfortabel und keimt und wächst und trägt ihre Pollen in die Luft. Sehr zum Unmut vieler Allergiker, denn die Pollen sind besonders klein und rufen in den Lungen heftige Reaktionen hervor. In Berlin gibt es deshalb seit drei Jahren ein Aktionsprogramm gegen Ambrosia. Mit Hilfe von Langzeitarbeitslosen geht es der Pflanze an die Wurzel.

Von Anja Nehls | 07.07.2010
    Roland Kliche und Ralf Mehlhorn wandern mit Plastiktüte, Gummihandschuhen und geschultem Blick durch die Berliner Straßen und Grünanlagen. Die beiden arbeiten als Ambrosia Scouts und haben ihre Augen überall, nicht nur unten, sondern auch oben:

    "Zum Beispiel an so einem Balkon kann man mal schauen, wenn da Vogelfutter verstreut wird, dann kann das sein, dass da schon mal Ambrosia wächst."

    Der Samen der Pflanze kommt nämlich häufig aus dem Balkan, vielfach aus Ungarn - und zwar im Saatgut und im Vogelfutter:

    "Der kommt dann im Vogelfutter nach Deutschland, das wird hier billig angeboten und so wird durch die Bevölkerung Vogelfutter ausgestreut und der Ambrosia Samen überall verteilt."

    Auch durch Füllboden auf Baustellen verbreitet sich der Samen. Wie er allerdings gerade in den zum Teil jahrelang gelagerten Boden gelangt, ist bis heute nicht wirklich geklärt.

    Die ursprünglich aus Amerika stammende Pflanze ist hochallergen - schon wenige Pollen pro Kubikmeter Luft genügen, um einen noch nicht allergischen Menschen zu sensibilisieren oder bei Allergikern schwere Reaktionen auszulösen.

    Berlin versucht mit einem Aktionsprogramm, die Ausbreitung der unerwünschten Pflanze in den Griff zu bekommen. Ein Euro Jobber wie Roland Kliche und Ralf Mehlhorn sind unterwegs, suchen die Pflanzen und reißen sie mit Wurzel heraus. Im Juni/Juli sind die Pflanzen noch klein. Sie haben spitze Blätter und ähneln den Blättern von Studentenblumen oder dem Beifuß:

    "Ein sehr gutes Erkennungsmerkmal ist, wenn man die Blätter von unten sich anschaut, Beifuß ist unten grau-weiß und die Ambrosia ist unten grün."

    Da, auf einmal stoppen die beiden an einer Parkbank in einer Grünanlage. Hinter dem Mülleimer wachsen mehrere kleine Ambrosia Pflanzen.

    "Die können wir jetzt rausreißen, normalerweise zieht man sich jetzt Handschuhe an, so mit Wurzel rausreißen, ist mir auch gelungen. So die nächsten, die haben wir jetzt erstmal eliminiert."

    Die Pflanzen wandern in den Müll, keinesfalls in den Biomüll. Denn die Samen bleiben fast 40 Jahre keimfähig. Die Samen bilden sich im September/Oktober, die aggressiven Pollen fliegen von Juli bis hinein in den Oktober:

    "Und die Gefahr ist, dass sich das festsetzt in den Lungen und den Bronchien und dass dadurch Asthma entstehen kann."

    Deshalb machen die beiden Jagd auf die unscheinbaren Pflanzen. In Berlin zumindest hat die Ausbreitung der Ambrosia in den vergangenen drei Jahren, seit die Ambrosia-Scouts im Einsatz sind - wenigstens nicht zugenommen.