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An feindseligem Klima gescheitert?

Eigentlich hatte man von der Pressekonferenz mit Thomas Flierl und Christoph Hein erwartet, auch wenn sie ungewöhnlich kurzfristig einberufen worden war, daß der designierte Intendant endlich seine Überlegungen zur Zukunft des Deutschen Theaters vorlegen würde. Denn als Berlins Kultursenator Thomas Flierl Anfang Oktober den Schriftsteller Christoph Hein als neuen Intendanten des Deutschen Theaters präsentierte hatte, war die Überraschung groß gewesen und Hein weitgehend still geblieben. Flierl erwartete von seinem Favoriten, den er selbst recht unglücklich als "Quereinsteiger" bezeichnete, daß dieser das Deutsche Theater "neu aufrichten" und als "Intellektueller mit Übersicht" dort eine "geistige Haltung" ausprägen werde. Indem Flierl die großen Zeiten des Deutschen Theaters beschwor, als dieses als Nationaltheater der DDR ein wunderbares und festes Ensemble, wenige, fast nur hier arbeitende und geistig prägende Regisseure sowie ein eindeutiges Profil besaß, hing er einem Theaterideal nach, das in unserer modernen Medienwelt und unserem föderalen Staat so kaum noch erreichbar ist. Und indem Senator Flierl vom Deutschen Theater eine kritische Klassikrezeption und eine Pflege der klassischen Moderne forderte, beschrieb er nur, was das Deutsche Theater unter seinem derzeitigen Intendanten Bernd Willms betreibt. Nicht immer erfolgreich, aber doch auf hohem Niveau. Am Deutschen Theater arbeiteten die meisten der Deutschlands Theater bestimmenden Regisseure, und es gab keinen wirklich ersichtlichen Grund, warum Thomas Flierl den 2006 ablaufenden Vertrag von Bernd Willms nicht verlängern sollte. Doch da er dies nicht zu tun gedachte, kam Willms dem Senator zuvor und verkündete, er wolle nicht verlängern.

Von Hartmut Krug |
    Und nun das: Christoph Hein verkündet seinen Rücktritt vom Antritt. Vor allem drei Gründe führte er dafür an: zum einem die fehlende Akzeptanz durch den mächtigen "Verein der Freunde und Förderer des Deutschen Theaters", zum anderen das fehlende Geld für seine zweijährige Vorbereitung der Intendanz. Hauptgrund aber war die öffentliche mediale Resonanz auf seine Nominierung.

    Es stimmt, gegen die Wahl von Christoph Hein hat es massive und unsachliche Polemiken gegeben, vor allem in überregionalen Zeitungen aus dem fernen Westen. Da war von einer Wahl die Rede, die ihre Begründung allein in Heins Ostbiographie finde. Gegen den Schriftsteller Christoph Hein wurde eingewandt, daß dessen praktische Theaterarbeit als Dramaturg von Benno Besson bereits zwanzig Jahre zurückliege. Und daß er sich als Dramatiker einem eher konventionellen Realismus verschrieben hat, der seine Stücke nach der Wende, als sie nicht mehr von einer Reibung mit der bösen gesellschaftlichen Wirklichkeit profitieren konnten, wenig erfolgreich sein ließ. Und da der 60jährige Christoph Hein nun auch nicht gerade für einen Jungintendanten gelten konnte, machte sich das Rätselraten um die Gründe für Senator Fliers Wahl in einem bösen Ost-West-Kulturkampf Luft. Was nicht Hein, sondern allein Senator Flierl mit seinem ungeschickten Vorgehen zu verantworten hatte. Doch die Hatz der Feuilletons hat für Christoph Hein, der das Theater nicht als ostdeutsches oder als westdeutsches, sondern als deutsches Theater leiten wollte, schlimme Folgen.

    Christoph Heins Entscheidung, in dieser Situation erst gar nicht anzutreten, ist so nobel wie sympathisch naiv. Mit seiner intellektuellen Redlichkeit und seiner moralischen Dünnhäutigkeit bestätigt er dabei die Warner, die dem Schriftsteller nicht die praktische Härte für das Intendantengeschäft zugetraut hatten.
    Während sich Thomas Flierl weiterhin als unbeschädigter und erfolgreicher Macher sieht. Gegen einen offenen Brief aus dem Ensemble, der ihm vorwirft, statt künstlerischer Vielfalt eine Einheitlichkeit etablieren zu wollen, wendet er sich mit durchaus neuem Differenzierungsvermögen.

    Die verfahrene Situation will Thomas Flierl erstmals nicht im Alleingang, sondern mit Hilfe einer Findungskommission lösen. Hortensia Völckers von der Kulturstiftung des Bundes, Ulrich Khuon, Intendant des Hamburger Thalia Theaters und der Leipziger Intendant Wolfgang Engel sollen sich auf die schwierige Suche nach einem neuen Intendanten machen: Senator Flierl.