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Andrej Purgin
Vater der russischen Separatisten

Andrej Purgin gründete vor neun Jahren eine Bewegung namens "Donezker Republik". Heute gilt er als Vater der separatistischen Bewegung in der Ostukraine. Als Parlamentssprecher der "Volksrepublik" kämpft er nun für eine Abspaltung des Donezk-Becken von der Ukraine.

Von Florian Kellermann | 17.12.2014
    Der prorussische Separatistenführer Andrej Purgin
    "Unsere Bewegung hat den Charakter eines nationalen Aufstandes", sagt Andrej Purgin über die selbsterklärte "Volksrepublik Donezk". (imago/ITAR-TASS)
    Andrej Purgin beugt sich über die Tischplatte, seine Augen sind leicht verquollen. Er schläft nicht viel in diesen Tagen. Für ihn ist sein Traum Wirklichkeit geworden - die "Volksrepublik Donezk".
    "Politiker haben das ja an sich, dass sie ihren gegenwärtigen Einfluss auf die Welt überschätzen - und ihre Wirkung in der Zukunft unterschätzen. Wir können heute die Früchte unserer Arbeit ernten."
    Andrej Purgin bemüht sich, intellektuell zu wirken. Mehr noch als ein Politiker sei er ein Polit-Technologe, sagt er stolz. Natürlich ein erfolgreicher, soll der Zuhörer denken.
    Denn immerhin war er es, der vor neun Jahren eine Bewegung namens "Donezker Republik" gründete. Deshalb gilt er als Vater der separatistischen Bewegung in der Ostukraine. Der 42-Jährige trat von Anfang an für mehr Rechte für die russische Sprache ein und für eine Abspaltung des Donezk-Becken von der Ukraine.
    "Unsere Bewegung hat den Charakter eines nationalen Aufstandes. Die Ukraine vernichtet Russen als Ethnie - und das schon viele Jahre, total und zielgerichtet. 1991 gab es in der Ukraine noch 17 Millionen Russen. Heute bezeichnen sich in diesem Staat nur noch 4,5 Millionen Menschen als Russen. Russische Omas und Opas haben plötzlich ukrainische Enkel. Das ist ein Ethnozid mit millionenfachem Ausmaß."
    "Mit einer Hand kämpfen wir, mit der anderen wollen wir einen Staat aufbauen"
    Ethnozid nennt man es, wenn ein Staat eine Bevölkerungsgruppe ihrer nationalen, kulturellen Identität beraubt. Wie es kommt, dass in der Ukraine trotzdem immer noch ebenso viele Menschen russisch sprechen wie vor 20 Jahren, kann Purgin nicht erklären. Es gibt viele russischsprachige Schulen, Zeitungen, Fernseh- und Radiosender.
    Purgin trinkt kaum von seinem Kaffee. Früher besaß er einen Laden für Baustoffe, heute will er dozieren und überzeugen. Als Parlamentssprecher ist er eigentlich das demokratische Gesicht der "Volksrepublik".
    "Mit einer Hand kämpfen wir, mit der anderen wollen wir einen Staat aufbauen. Das widerspricht sich eigentlich. Wir brauchen die Bataillons-Kommandeure, um die Bevölkerung zu mobilisieren. Gleichzeitig wollen wir ihren Einfluss zurückdrängen, um eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Auch eine Opposition im Parlament kann es im Krieg nicht geben. Ein Oppositioneller wäre im Moment gleichbedeutend mit einem Feind."
    Damit liefert Purgin schon die Begründung, warum die Wähler bei der sogenannten Parlamentswahl im November gar keine echten Alternativen hatten. Auch über die russische Unterstützung spricht er ganz offen. Schließlich wäre es für ihn eine Schande, wenn die - wie er sie nennt - slawischen Brüder gleichgültig blieben.
    "Sie erinnern sich wohl an den Moment, als die ukrainische Armee uns fast vernichtet hätte. Tausende Menschen sind in diesem Konflikt gestorben, wir haben über eine Million Flüchtlinge. Da konnte Russland seine Augen doch nicht verschließen. Putin hat das getan, was er immer versprochen hat: Er werde nicht zulassen, dass seine Landsleute vernichtet werden. Das hat er gehalten."
    Purgin kämpft für rasche Aufnahme des Donezk-Becken nach Russland
    Bei den militärischen Auseinandersetzungen kommen durch ukrainische Waffen tatsächlich auch Wohnhäuser zu Schaden, Zivilisten sterben. Dafür tragen aber auch die Separatisten einen Teil der Verantwortung. Sie schießen aus Wohngebieten heraus - und die Armee antwortet.
    Purgin nahm im September an den Minsker Verhandlungen mit der Ukraine teil. Nun, nach über drei Monaten, scheint der damals vereinbarte Waffenstillstand endlich zu greifen. Einen Erfolg will der "Vater der Volksrepublik" das aber nicht nennen. Die Waffenruhe helfe, eine humanitäre Katastrophe in der Ostukraine abzuwenden, sagt Purgin. Aber mittelfristig wolle er das von den Separatisten kontrollierte Gebiete erweitern - und langfristig die Aufnahme nach Russland.
    "Das will auch das Volk. Aber das wird noch dauern. Denn Russland hält sich eben an internationale Abkommen, die eine rasche Aufnahme des Donezk-Becken leider nicht möglich machen."
    Ein Satz, der für Ukrainer wie Hohn klingen muss - angesichts der russischen Annexion der Krim und der militärischen Unterstützung der Separatisten.