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"Angst wäre die falsche Reaktion"

"Angst ist nicht angesagt, aber die Zeiten sind natürlich unsicher", meint Finanzkorrespondent Michael Braun. Wichtig sei es, sich umfassend zu informieren und dabei auf seriöse Medien zu setzen. Zudem sollten Anleger ihr Geld nicht "in eine Anlage stecken, sondern es auf mehrere Körbe verteilen".

Michael Braun im Gespräch mit Theo Geers | 26.10.2011
    Theo Geers: In einer knappen halben Stunde beginnt der Bundestag mit seinen Beratungen über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms, und wenn die Mehrheit dafür steht, kann Bundeskanzlerin Merkel am Nachmittag nach Brüssel fliegen. Dort geht es dann auf dem EU-Gipfel in die Nachtsitzung, um irgendwie den Schuldenschnitt für Griechenland, die Hilfen für wankende Banken und den berüchtigten Hebel für den Rettungsschirm zu beschließen. Kann der Brand in der europäischen Hütte noch gelöscht werden oder nicht? Als Anleger wie als Schuldner beobachtet man all das eher mit gemischten Gefühlen.
    Mein Geld, mein Konto, meine Schulden, wie soll ich mich am besten verhalten? Vielen geht jetzt vieles durch den Kopf, und genau darüber wollen wir jetzt mit unserem Finanzkorrespondenten Michael Braun in Frankfurt reden. Herr Braun, wir können unmöglich alle Sorgen aufgreifen, aber versuchen wir mal, so weit wie möglich zu kommen. Wenn ein Schuldenschnitt für Griechenland kommt, woher weiß ich, ob meine Bank das aushält?

    Michael Braun: Also Herr Geers, ich glaube, die beste Informationsgrundlage sind sicherlich seriöse Medien, die sich mit der Stabilität des Bankensystems dauerhaft befassen, und ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns in einem solchen bewegen. Aktuelle Informationen dazu: Die Deutsche Bank hat gestern berichtet, sie habe ihre Griechenland-Anleihen um 54 Prozent abgeschrieben und sei gleichwohl gut mit Kapital ausgestattet. Ähnliche Bekundungen gibt es vom Bankenverband und auch von den genossenschaftlichen und den öffentlich-rechtlichen Banken, also den Sparkassen. Und wir wissen auch hier in Frankfurt von der Bankenaufsicht, dass ein Schuldenschnitt bei Griechenland, Portugal und Irland für das deutsche Bankensystem kein Problem sei. Also Angst ist nicht angesagt, aber die Zeiten sind natürlich unsicher, das stimmt.

    Geers: Es könnte ja trotzdem weitergehen, Herr Braun. Sind denn meine Konten, mein Depot bedroht, wenn meine Bank in Schwierigkeiten käme, zum Beispiel wenn auch Italien ins Wanken käme oder Spanien?

    Braun: Also wenn jetzt auch noch Spanien und Italien und womöglich auch noch Frankreich dazu kämen, dann wäre das natürlich mehr als ein Desaster. Das wäre eine systemische Krise, ein Gau, und den kann sicherlich kein Vermögen überleben. Aber solange sind wir noch nicht und deshalb gilt fürs Konto zunächst mal: Es gibt in Deutschland eine Einlagensicherung, die über das gesetzliche Minimum von 100.000 Euro pro Kunde und Institut deutlich hinausgeht. Die privaten Banken, die organisieren das über den Einlagensicherungsfonds; hier gibt es eine Sicherungsgrenze pro Kunde, die bemisst sich in Prozent des Eigenkapitals der jeweiligen Bank. Das Eigenkapital einer Bank in Deutschland muss mindestens fünf Millionen Euro betragen, und derzeit liegt die Grenze bei 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals als Schutzgrenze. Also jeder Anleger ist mit anderthalb Millionen Euro geschützt.
    Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, die haben eine sogenannte Institutssicherung, sie helfen sich also gegenseitig, lassen kein Mitglied Pleite gehen, und deshalb sind bei denen alle Einlagen geschützt, es gibt keine Grenze.
    Und zum Thema Depot: Das Depot wird vermutlich leiden, weil in schlechten Zeiten die Kurse im Schnitt sinken. Aber die Wertpapiere in einem Depot gehören dem Kunden, nicht der Bank. Die Bank, die verwahrt sie nur, und wenn der Verwahrer Pleite geht, dann überträgt man die Papiere auf eine neue Bank.

    Geers: Nun war ja ausgerechnet in den letzten Tagen zu lesen, Herr Braun, dass die privaten Geschäftsbanken ihre Einlagensicherung für Guthaben absenken wollen. Und dann denkt natürlich jeder an den Auftritt von Angela Merkel und Peer Steinbrück nach der Lehman-Pleite vor zwei Jahren. Wir erinnern uns: Die Bankguthaben sind sicher. Sie haben es ja gerade auch noch mal erklärt. Was ist da im Busch?

    Braun: Ja, das stimmt. Die privaten Banken wollen die Sicherungsgrenze des Einlagensicherungsfonds in drei Stufen senken, von wie eben geschildert jetzt 30 Prozent auf im Jahr 2025 nur noch 8,75 Prozent ihres haftenden Eigenkapitals. Wie gesagt, die minimale Absicherung sinkt dann von heute 1,5 Millionen auf dann 437.500 Euro pro Kunde und Bank, und das ist zwar immer noch deutlich mehr als die heute gesetzlich garantierten 100.000 Euro, aber Sie haben recht, Herr Geers, das Signal des Bankenverbandes trägt in dieser Zeit natürlich nicht zum Sicherheitsgefühl bei. Die Banken sagen, sie müssten die Risikosteuerung des Einlagensicherungsfonds verbessern. Hintergrund ist die Erfahrung, dass dieser Fonds nach der Lehman-Pleite nicht ausgereicht hat und nur mithilfe des staatlichen Rettungsfonds Soffin liquide gehalten werden konnte, und daraus werden jetzt die Konsequenzen gezogen.

    Geers: Nun haben wir es ja gerade erklärt, Herr Braun: Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken haben jeweils eigene Sicherungssysteme. Soll man denn jetzt größere Summen auf verschiedene Bankengruppen verteilen und damit dann auch im Zweifel von verschiedenen Sicherungssystemen profitieren?

    Braun: Das macht im Grunde nur Sinn, wenn der Kunde nach den derzeit gültigen Sätzen mehr als 1,5 Millionen Euro bei einer privaten Geschäftsbank liegen hat, denn der darüber hinausgehende Betrag ist ja bei den privaten Banken nicht gesichert. Aber wer die Sicherheit braucht, mehrere Bankverbindungen zu haben, der kann das natürlich machen, da kann man ihm auch nicht von abraten, warum sollte man. Es kostet natürlich dann auch mehrfach Kontoführungsgebühren.

    Geers: Ganz anderes Thema: Thema Schulden, Herr Braun. Mancher überlegt in diesen Zeiten, Schulden zu machen und gleichzeitig Werte zu schaffen, Stichwort Immobilienkauf. Macht das Sinn?

    Braun: Im Grunde ja. In Sachwerte zu investieren, ist sinnvoll. Aber kaufen und Schulden zu machen, damit Schulden kaputt gehen, wenn das Geld kaputt geht, das ist meiner Meinung nach keine Anlage, sondern eine abenteuerliche Spekulation. Wer Immobilien kauft, der sollte das tun, wenn die eigene Nutzung oder die Vermietung gesichert ist, oder zumindest sehr wahrscheinlich sind. Und außerdem: In extremen Fällen wie jetzt in Griechenland greift ein Staat auch mit Sondersteuern auf Immobilien, also auf die Eigentümer zu. Man kommt also an einer Rettung, an einer Rettungsaktion als Immobilienbesitzer nicht vorbei, auch wenn man Schulden hat und dann möglicherweise darauf spekuliert, dass die Schulden kaputt gehen.

    Geers: Soll man denn, wenn man Schulden hat, besser Schulden abbauen, zum Beispiel seine Kredite auf eine Wohnung oder auf ein Haus tilgen' Ist das vielleicht eine Strategie?

    Braun: Ja. Schulden zu tilgen, ist in jedem Fall sinnvoll, weil die Kreditzinsen ja in der Regel teurer sind als jeder Guthabenzins, und wer vorzeitig tilgt, der muss allerdings womöglich Vorfälligkeitsentschädigungen zahlen. Wenn er einen Kreditvertrag hat, zum Beispiel über zehn Jahre, und er will nach dem Jahr sieben kündigen, dann wird er für drei Jahre die Bank dafür entschädigen müssen, dass sie eben ihre Sicherheit nicht mehr hat. Das kann den Kredit noch teurer machen und da sollte man sich genauer überlegen, ob man das wirklich tut. In der Regel ist davon abzuraten, weil die Vorfälligkeitsentschädigungen sehr, sehr hoch sind.

    Geers: Wo kann ich denn noch Geld parken in diesen unsicheren Zeiten, wenn es nicht langfristig anlegen will?

    Braun: Da bleibt im Wesentlichen das Tagesgeld. Das ist sicher die liquideste und im Verhältnis zum eigenen Kopfkissen natürlich auch die sehr viel sicherere Methode, Geld zu halten. Man kommt schnell heran ans Geld, man muss nichts kündigen, man ist also sehr liquide, sehr flexibel. Aber der Preis für diese Flexibilität und für die hohe Liquidität, das sind niedrige Zinsen. Zum Beispiel die Tagesanleihe des Bundes, die rentiert derzeit mit 0,8 Prozent und das bei einer Inflationsrate von mehr als zwei Prozent. Also real macht man dann Verluste, aber man ist eben flexibel.

    Geers: Wir könnten jetzt auch noch über Aktien reden, darüber, ob ich mir Sachwerte zulegen soll. Oder was es mit Anleihen von ebenfalls gefährdeten Ländern? Soll ich mir zum Beispiel meine Frankreich- oder Italienanleihen kritisch anschauen? Alles Fragen, die wir vielleicht in den nächsten Tagen noch mal aufgreifen wollen. Letzte Frage nur ganz kurz: Egal was dem Anleger durch den Kopf geht, oberste Bürgerpflicht ist: Ruhe bewahren?

    Braun: Das ist auf jeden Fall sicher. Ich denke, mit Angst jetzt reagieren auf die Situation, die wir haben, das wäre die falsche Reaktion, weil sie doch irgendwie zu unkalkulierbaren Reaktionen führen würde. Ruhe bewahren ist eine große Bürgerpflicht und die oberste Pflicht des Anlegers ist natürlich auch, sein Geld nicht in ein Papier, in eine Anlage zu stecken, sondern es wirklich auf mehrere Körbe zu verteilen, also nicht nur Aktien, nicht nur Anleihen, nicht nur Tagesgeld, sondern mehrere.

    Geers: Mein Geld, mein Konto, meine Schulden – Strategien für verunsicherte Zeiten, für verunsicherte Bankkunden in unsicheren Zeiten. Michael Braun war das. Vielen Dank nach Frankfurt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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