Horst Köhler, der neunte Bundespräsident, wie ihn die Bundesbürger kennen, wie er den politischen Akteuren einheizt:
"Es sind dicke Reformbretter, die wir bohren müssen. Ein mutiger Anfang ist mit der Agenda 2010 gemacht. Aktionismus hilft nicht. Gefragt sind weitere nachhaltige Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit. Regierung und Opposition stehen in patriotischer Verantwortung. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir in Deutschland jetzt deshalb eine politische Vorfahrtsregel für Arbeit."
Es sind Reden wie diese, die ihm, dem politischen Seiteneinsteiger, den Ruf eingetragen haben, ein besonders politischer Präsident zu sein. Die Bürger schätzen ihn. Er führt konkurrenzlos die Beliebtheitsskala an. Doch wer ist Horst Köhler, was treibt ihn um? Nach seiner Biografie über Angela Merkel, die mächtigste Frau im Land, legt der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth nun sein Porträt über Horst Köhler, den ersten Mann im Staate, vor. Gemeinsam ist beiden, dass über sie, die nie eine politische Ochsentour absolvieren mussten, bei Amtsantritt weniger bekannt war als über all ihre jeweiligen Vorgänger. Inzwischen ist gut die Hälfte der ersten fünfjährigen Amtsperiode verstrichen. Der Autor ist davon überzeugt, dass Horst Köhler 2009 für eine zweite Amtsperiode kandidieren und gewählt werden wird. Für ihn Grund genug, den Lebensweg zu verfolgen und mit Hilfe von Weggefährten, der Familie, den Freunden, den Kommilitonen und den Mitarbeitern eine ungewöhnliche Karriere nachzuzeichnen. Der Autor, Professor Gerd Langguth:
"Bemerkenswert ist, dass er, der Sohn, der aus ärmsten Schichten kommt, von Bauern, die ursprünglich aus Bessarabien stammten, es geschafft hat, mit einer solchen Energie, auch mit der Hilfe einiger, wie zum Beispiel Helmut Kohl, aber auch eines früheren Lehrers namens Balle, ganz nach oben zu kommen, dass er es geschafft hat, Glücksumstände für sich zu nutzen, und durch einen ungeheuren Fleiß."
Als zweijähriges Flüchtlingskind kam Horst Köhler zunächst nur mit seiner Mutter und einem Teil seiner Geschwister zu Beginn des letzten Kriegsjahres nach Sachsen, in die Nähe von Leipzig. Doch das Leben im SED-Staat, die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, trieben die Köhlers 1953 zur Flucht in den Westen. Allein in diesem Jahr verließen übrigens mehr als 300.000 Menschen die DDR. Die Köhlers fanden ihre neue und endgültige Heimat im Schwäbischen. Dort verbrachte Horst Köhler seine Jugend. In Tübingen, nicht weit von seinem Wohnort entfernt, studierte er Wirtschafts- und Finanzwissenschaften.
Köhler, der sich sein Studium durch Nebenjobs verdiente, wollte sich schnell eine Existenz aufzubauen. 1969 heiratete er die Frau, die er schon zu Schulzeiten kannte. Sie war zu der Zeit politisch engagierter als er. Aus Sympathie zu Willy Brandt und seiner Ostpolitik trat Eva Köhler in die SPD ein, aus Enttäuschung über die Politik Oskar Lafontaines später wieder aus. Horst Köhler war dagegen politisch nicht festgelegt, eher ein Wechselwähler, dem alles Ideologische suspekt war. 1976 war die Zeit der sozial-liberalen Koalition in Bonn, erklomm Horst Köhler als Hilfsreferent in der Grundsatzabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums die erste Stufe auf der Karriereleiter eines Bundesbeamten. Dass er bis zur Spitze, nämlich bis zur Position eines Staatssekretärs, aufsteigen sollte, das verdankte er, wie Gerd Langguth beschreibt, seinem Fleiß, seinem Ehrgeiz und ein wenig Glück.
Nachdem er als Beamter die höchste Karrierestufe erreicht hatte, drängte es Köhler in die Wirtschaft. Der Autor begründet dies auch mit dem Wunsch, mehr Geld zu verdienen, um seiner erblindeten Tochter eine sichere Existenz zu ermöglichen. Vom Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes führte ihn sein Weg weiter über die Osteuropabank auf den Posten des Direktors des Internationalen Währungsfonds in Washington. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte ihn vorgeschlagen, nachdem sein erster Kandidat am Widerstand der USA gescheitert war. Das Urteil der jeweiligen Mitarbeiter Horst Köhlers zusammenfassend beschreibt der Autor ihn immer wieder mit Adjektiven wie fleißig, ehrgeizig, impulsiv und jähzornig. Seine Kompetenz war international anerkannt.
Doch auch an der Spitze des IWF sollte Köhler nicht lange bleiben. Denn schon im November 2003 sprach ihn die CDU-Vorsitzende Angela Merkel an, ob er sich vorstellen könne, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Die Vorgeschichte der Wahl am 23. Mai 2004 ist sicher das spannendste Kapitel. Es wird deutlich, dass Horst Köhler der Kandidat einer erhofften späteren Koalition aus CDU/CSU und FDP sein sollte. Am 1. Juli 2004 zog Horst Köhler als Nachfolger von Johannes Rau ins Schloss Bellevue ein. Sein Versprechen, kein bequemer Präsident zu sein, hat er eingelöst. Der Bundespräsident wirkt vor allem durch seine Reden und seine Gespräche im Hintergrund. Horst Köhler wurde mit der Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder Neuwahlen anzustreben, zu einer wirklichen politischen Entscheidung gedrängt. Den Antrag des Kanzlers, nach gewollt verlorener Vertrauensabstimmung den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben, musste Köhler nicht stattgeben. Er tat dies mit einer politischen Begründung, die für einen Bundespräsidenten ungewöhnlich ist:
"Millionen von Menschen sind arbeitslos, viele seit Jahren. Die Haushalte des Bundes und der Länder sind in einer nie dagewesenen kritischen Lage. Die bestehende föderale Ordnung ist überholt. Wir haben zu wenig Kinder, und wir werden immer älter. Und wir müssen uns im weltweiten, scharfen Wettbewerb behaupten."
Auch in der Großen Koalition unter Angela Merkel bleibt Horst Köhler ein ungeduldiger Antreiber. Im Interview des Deutschlandfunks und in zahlreichen Reden variierte er immer wieder ein Thema:
"Ich wünsche mir, dass die Große Koalition tatsächlich große Aufgaben anpackt. Für mich ist die wichtigste innenpolitische Aufgabe der Abbau der Arbeitslosigkeit."
Seine Reden und seine Weigerung, Gesetze zu unterzeichnen, die nach seinem Urteil nicht mit der Verfassung übereinstimmten, haben seinen Ruf als politischer Präsident im Urteil vieler Medien gefestigt. Doch Gerd Langguth kommt zu einem anderen Ergebnis:
"Ich bin nicht sicher, ob man ihn wirklich als den politischsten Präsidenten bezeichnen kann, wie es gelegentlich bei seiner Unterschriftsverweigerung getan wurde. Er ist meines Erachtens jemand, der ja gerade als Nichtpolitiker in dieses Amt gekommen ist und die Politik eigentlich gar nicht aus früherer eigener Verantwortung, etwa als Abgeordneter, als Minister oder Ministerpräsident, erlebt hat. Was er versucht, ist ein Bündnis mit dem Volk, letztlich gegen die Politiker, die da oben. Er spricht ja immer auch davon, die Politiker müssen irgendwas tun, nicht wir Politiker müssen etwas tun. Also er grenzt sich ab gegenüber den Politikern."
Langguth nennt Köhler einen zornigen Präsidenten, der noch immer seine Rolle sucht, der sich in die Pflicht genommen sieht und zugleich enttäuscht über den mangelnden Respekt seinem Amt gegenüber ist. Letztlich bewertet der Autor den tatsächlichen Einfluss auf die Politik skeptisch:
"Er kann eigentlich nur seine Botschaften überbringen, wenn er nicht nur beim Volk beliebt ist, sondern wenn er auch Einfluss nehmen kann gegenüber der Politik. Und ich glaube, da hat er bisher noch nicht seine Möglichkeiten genutzt."
Bisher, denn Langguth wagt die These, dass Köhlers Wiederwahl 2009 sicher sei. Denn, so seine Begründung, die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung werden ähnlich sein wie die 2004. Und wie damals solle die Wiederwahl Köhlers den Wunsch einer schwarz-gelben Koalition signalisieren. Und schließlich ist Langguth davon überzeugt, dass Köhlers Ehrgeiz ihn im Amt halten werde. Den Erfolg des Buches würde dies befördern. Denn die Frage, was den ersten Mann im Staate umtreibt, die wird dann bleiben.
Gerd Langguth: Horst Köhler. Biografie
dtv München, 2007
385 Seiten, 15 Euro
"Es sind dicke Reformbretter, die wir bohren müssen. Ein mutiger Anfang ist mit der Agenda 2010 gemacht. Aktionismus hilft nicht. Gefragt sind weitere nachhaltige Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit. Regierung und Opposition stehen in patriotischer Verantwortung. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir in Deutschland jetzt deshalb eine politische Vorfahrtsregel für Arbeit."
Es sind Reden wie diese, die ihm, dem politischen Seiteneinsteiger, den Ruf eingetragen haben, ein besonders politischer Präsident zu sein. Die Bürger schätzen ihn. Er führt konkurrenzlos die Beliebtheitsskala an. Doch wer ist Horst Köhler, was treibt ihn um? Nach seiner Biografie über Angela Merkel, die mächtigste Frau im Land, legt der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth nun sein Porträt über Horst Köhler, den ersten Mann im Staate, vor. Gemeinsam ist beiden, dass über sie, die nie eine politische Ochsentour absolvieren mussten, bei Amtsantritt weniger bekannt war als über all ihre jeweiligen Vorgänger. Inzwischen ist gut die Hälfte der ersten fünfjährigen Amtsperiode verstrichen. Der Autor ist davon überzeugt, dass Horst Köhler 2009 für eine zweite Amtsperiode kandidieren und gewählt werden wird. Für ihn Grund genug, den Lebensweg zu verfolgen und mit Hilfe von Weggefährten, der Familie, den Freunden, den Kommilitonen und den Mitarbeitern eine ungewöhnliche Karriere nachzuzeichnen. Der Autor, Professor Gerd Langguth:
"Bemerkenswert ist, dass er, der Sohn, der aus ärmsten Schichten kommt, von Bauern, die ursprünglich aus Bessarabien stammten, es geschafft hat, mit einer solchen Energie, auch mit der Hilfe einiger, wie zum Beispiel Helmut Kohl, aber auch eines früheren Lehrers namens Balle, ganz nach oben zu kommen, dass er es geschafft hat, Glücksumstände für sich zu nutzen, und durch einen ungeheuren Fleiß."
Als zweijähriges Flüchtlingskind kam Horst Köhler zunächst nur mit seiner Mutter und einem Teil seiner Geschwister zu Beginn des letzten Kriegsjahres nach Sachsen, in die Nähe von Leipzig. Doch das Leben im SED-Staat, die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, trieben die Köhlers 1953 zur Flucht in den Westen. Allein in diesem Jahr verließen übrigens mehr als 300.000 Menschen die DDR. Die Köhlers fanden ihre neue und endgültige Heimat im Schwäbischen. Dort verbrachte Horst Köhler seine Jugend. In Tübingen, nicht weit von seinem Wohnort entfernt, studierte er Wirtschafts- und Finanzwissenschaften.
Köhler, der sich sein Studium durch Nebenjobs verdiente, wollte sich schnell eine Existenz aufzubauen. 1969 heiratete er die Frau, die er schon zu Schulzeiten kannte. Sie war zu der Zeit politisch engagierter als er. Aus Sympathie zu Willy Brandt und seiner Ostpolitik trat Eva Köhler in die SPD ein, aus Enttäuschung über die Politik Oskar Lafontaines später wieder aus. Horst Köhler war dagegen politisch nicht festgelegt, eher ein Wechselwähler, dem alles Ideologische suspekt war. 1976 war die Zeit der sozial-liberalen Koalition in Bonn, erklomm Horst Köhler als Hilfsreferent in der Grundsatzabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums die erste Stufe auf der Karriereleiter eines Bundesbeamten. Dass er bis zur Spitze, nämlich bis zur Position eines Staatssekretärs, aufsteigen sollte, das verdankte er, wie Gerd Langguth beschreibt, seinem Fleiß, seinem Ehrgeiz und ein wenig Glück.
Nachdem er als Beamter die höchste Karrierestufe erreicht hatte, drängte es Köhler in die Wirtschaft. Der Autor begründet dies auch mit dem Wunsch, mehr Geld zu verdienen, um seiner erblindeten Tochter eine sichere Existenz zu ermöglichen. Vom Präsidenten des Sparkassen- und Giroverbandes führte ihn sein Weg weiter über die Osteuropabank auf den Posten des Direktors des Internationalen Währungsfonds in Washington. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte ihn vorgeschlagen, nachdem sein erster Kandidat am Widerstand der USA gescheitert war. Das Urteil der jeweiligen Mitarbeiter Horst Köhlers zusammenfassend beschreibt der Autor ihn immer wieder mit Adjektiven wie fleißig, ehrgeizig, impulsiv und jähzornig. Seine Kompetenz war international anerkannt.
Doch auch an der Spitze des IWF sollte Köhler nicht lange bleiben. Denn schon im November 2003 sprach ihn die CDU-Vorsitzende Angela Merkel an, ob er sich vorstellen könne, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Die Vorgeschichte der Wahl am 23. Mai 2004 ist sicher das spannendste Kapitel. Es wird deutlich, dass Horst Köhler der Kandidat einer erhofften späteren Koalition aus CDU/CSU und FDP sein sollte. Am 1. Juli 2004 zog Horst Köhler als Nachfolger von Johannes Rau ins Schloss Bellevue ein. Sein Versprechen, kein bequemer Präsident zu sein, hat er eingelöst. Der Bundespräsident wirkt vor allem durch seine Reden und seine Gespräche im Hintergrund. Horst Köhler wurde mit der Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder Neuwahlen anzustreben, zu einer wirklichen politischen Entscheidung gedrängt. Den Antrag des Kanzlers, nach gewollt verlorener Vertrauensabstimmung den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben, musste Köhler nicht stattgeben. Er tat dies mit einer politischen Begründung, die für einen Bundespräsidenten ungewöhnlich ist:
"Millionen von Menschen sind arbeitslos, viele seit Jahren. Die Haushalte des Bundes und der Länder sind in einer nie dagewesenen kritischen Lage. Die bestehende föderale Ordnung ist überholt. Wir haben zu wenig Kinder, und wir werden immer älter. Und wir müssen uns im weltweiten, scharfen Wettbewerb behaupten."
Auch in der Großen Koalition unter Angela Merkel bleibt Horst Köhler ein ungeduldiger Antreiber. Im Interview des Deutschlandfunks und in zahlreichen Reden variierte er immer wieder ein Thema:
"Ich wünsche mir, dass die Große Koalition tatsächlich große Aufgaben anpackt. Für mich ist die wichtigste innenpolitische Aufgabe der Abbau der Arbeitslosigkeit."
Seine Reden und seine Weigerung, Gesetze zu unterzeichnen, die nach seinem Urteil nicht mit der Verfassung übereinstimmten, haben seinen Ruf als politischer Präsident im Urteil vieler Medien gefestigt. Doch Gerd Langguth kommt zu einem anderen Ergebnis:
"Ich bin nicht sicher, ob man ihn wirklich als den politischsten Präsidenten bezeichnen kann, wie es gelegentlich bei seiner Unterschriftsverweigerung getan wurde. Er ist meines Erachtens jemand, der ja gerade als Nichtpolitiker in dieses Amt gekommen ist und die Politik eigentlich gar nicht aus früherer eigener Verantwortung, etwa als Abgeordneter, als Minister oder Ministerpräsident, erlebt hat. Was er versucht, ist ein Bündnis mit dem Volk, letztlich gegen die Politiker, die da oben. Er spricht ja immer auch davon, die Politiker müssen irgendwas tun, nicht wir Politiker müssen etwas tun. Also er grenzt sich ab gegenüber den Politikern."
Langguth nennt Köhler einen zornigen Präsidenten, der noch immer seine Rolle sucht, der sich in die Pflicht genommen sieht und zugleich enttäuscht über den mangelnden Respekt seinem Amt gegenüber ist. Letztlich bewertet der Autor den tatsächlichen Einfluss auf die Politik skeptisch:
"Er kann eigentlich nur seine Botschaften überbringen, wenn er nicht nur beim Volk beliebt ist, sondern wenn er auch Einfluss nehmen kann gegenüber der Politik. Und ich glaube, da hat er bisher noch nicht seine Möglichkeiten genutzt."
Bisher, denn Langguth wagt die These, dass Köhlers Wiederwahl 2009 sicher sei. Denn, so seine Begründung, die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung werden ähnlich sein wie die 2004. Und wie damals solle die Wiederwahl Köhlers den Wunsch einer schwarz-gelben Koalition signalisieren. Und schließlich ist Langguth davon überzeugt, dass Köhlers Ehrgeiz ihn im Amt halten werde. Den Erfolg des Buches würde dies befördern. Denn die Frage, was den ersten Mann im Staate umtreibt, die wird dann bleiben.
Gerd Langguth: Horst Köhler. Biografie
dtv München, 2007
385 Seiten, 15 Euro

