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Anschlag in Berlin
Kontaktmann von Amri als Gefährder eingestuft

Der 26-jährige Kontaktmann des mutmaßlichen Berlin-Attentäters Anis Amri ist laut Medienberichten nach dem Anschlag von Berlin als Gefährder eingestuft worden. Der Mann ist inzwischen in Haft, allerdings wegen Sozialbetrugs. Amri selbst soll vor dem eigentlichen Anschlag mehrfach Taten angekündigt haben.

05.01.2017
    Die Polizei hat das Areal um den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin wegen des Anschlags abgesperrt.
    Was wusste Anis Amris Kontaktmann über den Anschlag von Berlin? Diese Frage beschäftigt die Bundesanwaltschaft. (dpa-Bildfunk / Michael Kappeler)
    Gegen den 26-jährigen Tunesier war am Mittwoch Haftbefehl ergangen - allerdings nicht durch die Bundesanwaltschaft wegen einer möglichen Beteiligung an der Terrortat, sondern wegen Betrugsverdacht beim Bezug von Sozialleistungen durch die Staatsanwaltschaft Berlin.
    Nun berichten "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR, dass der Landsmann von Anis Amri nach dem Anschlag vom 19. Dezember als "Gefährder" eingestuft wurde. Er werde der radikal-salafistischen Szene zugeordnet.
    Mann war vor mehr als einem Jahr schon einmal festgenommen worden
    Am Dienstag waren mehrere Wohnungen im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz durchsucht worden, auch die des 26-Jährigen, gegen den wegen des Verdachts der Beteiligung am Anschlagsgeschehen ermittelt worden sei, wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte. Amri und der Mann kannten sich demnach seit Ende 2015.
    Der Mann war im November 2015 schon einmal in Berlin festgenommen worden. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte dem RBB, gegen den Tunesier sei wegen einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt worden. Er habe damals gemeinsam mit zwei weiteren Männern im Verdacht gestanden, Sprengstoff für einen Anschlag in Düsseldorf besorgt zu haben. Dafür habe man jedoch keine Beweise gefunden.
    Hat Kontaktperson von Anschlagsplänen gewusst?
    Die Bundesanwaltschaft hatte mitgeteilt, dass die beiden Männer sich den Ermittlungen nach am Vorabend des Anschlags in einem Restaurant in Berlin Gesundbrunnen "getroffen und sehr intensiv unterhalten hätten." Es habe der Verdacht bestanden, dass die Person möglicherweise in die Tat eingebunden gewesen sei, zumindest aber von dem Vorhaben gewusst haben könne. Nun würden die Kommunikationsmittel ausgewertet.
    Auch bei einem früheren Mitbewohner Amris hatte es eine Durchsuchung gegeben. Er komme für das Ermittlungsverfahren als Zeuge in Betracht. Zudem habe Amri am Tattag versucht, seinen früheren Mitbewohner zu kontaktieren. Ob beide gesprochen hätten, wisse man aber nicht.
    Amri zeigte den "Tauhid-Finger"
    Nach dem Anschlagsgeschehen sei eine männliche Person am Bahnhof Zoo von einer Videokamera aufgezeichnet worden. Die Sprecherin: "Wir gehen davon aus, dass es sich um Anis Amri handelt." Amri habe gewusst, dass er aufgezeichnet werde. Er zeigte den Tauhid-Finger, einen erhobenen Zeigefinger, in die Kamera. Dieses Symbol benutzen viele Muslime während des Gebets, um ihren Glauben an das absolute Eins-Sein Gottes zu unterstreichen. Die Terrormiliz IS hat diese Geste gekapert und zu ihren Gruß gemacht.
    Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeigers" hat das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2016 Berichte darüber erhalten, dass Amri andere Personen dazu aufforderte, mit ihm gemeinsam Anschläge in Deutschland zu begehen. Amri soll im Internet nach Anleitungen zum Bombenbau gesucht haben und habe sich "großkalibrige Schnellfeuergewehre" beschaffen wollen. Amri habe laut einem Undercover-Agenten mit einem Blutbad geprahlt.
    NRW-Innenminister muss sich Fragen zum Umgang mit Amri stellen
    Der Innenminister Nordrhein-Westfalens, Ralf Jäger (SPD), hat Innenausschuss des Landtags Aufklärung angekündigt. "Der Anschlag wurde verübt von einem Mann, über den die Sicherheitsbehörden bundesweit sehr viel wussten", sagte Jäger. Es müsse geklärt werden, ob Fehler begangen wurden. Amri hatte sich lange in NRW aufgehalten, zuständig für ihn war die Ausländerbehörde im Kreis Kleve.
    Der Innenexperte der CDU-Fraktion, Gregor Golland, hatte im Vorfeld im WDR-Hörfunk kritisiert, Amri sei in NRW nicht ausreichend beobachtet worden. Man habe ihn aus den Augen verloren und vor allem nicht rechtzeitig abgeschoben. Er sprach von einer "eklatanten Fehleinschätzung" der Sicherheitsbehörden.
    (vic/dk)