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Anschluss an die digitale Welt

Ohne Anschluss an die digitale Welt geraten manche Menschen in die soziale Isolation. In Volkshochschulkursen kann man den Anschluss bekommen. Vor allem Senioren nehmen dieses Angebot wahr. Sozialschwache Familien und Hartz IV-Empfänger finden jedoch nur selten den Weg in einen Kurs.

Von Jens Rosbach | 08.11.2012
    Ein Kurs für Internet-Einsteiger, die ohne Zwang, aber mit Neugier erfahren wollen, wie das Internet funktioniert, was sich hinter den Begriffen Provider, WWW, Mail verbirgt. Sie erfahren, was ein Browser ist, wie man sich damit im Internet bewegt und wie man gewünschte Informationen mit Suchmaschinen findet."


    "Wie heißt denn 'übersetzen' auf Englisch?
    …. Translate….
    …. Translate….
    Und wenn wir jetzt Google benutzen wollen als Übersetzer? Wie könnte dann die Adresse lauten?
    Translate-Punkt-Google-Punkt-de… ."

    Zehn Senioren vor schwarzen Laptops - umgeben von Lesebrillen, Notizbüchern und Thermosflaschen. Die Kursteilnehmer versuchen, das Übersetzungs-Portal aufzurufen. Einige vertippen sich. Andere geben die Adresse richtig ein - wundern sich aber, dass nichts passiert.

    "Und vergessen Sie nicht, am Ende des Schreibens einmal die Eingabe-, die Enter-Taste, zu drücken, damit er auch weiß, dass Sie mit dem Schreiben fertig sind und er im Internet suchen kann."

    Nach vier Minuten haben alle die Webseite auf ihrem Bildschirm.

    "Es regnet in Strömen."

    Die Senioren sind auf die Sprachausgabe des Übersetzungsdienstes gestoßen. Doch warum kommt bei einigen Laptops kein Ton heraus?

    "Sie haben hier unten das Lautsprechersymbol. Na, wenn das so ein kleines rotes Symbol ist, dann weiß ich, er ist ausgeschaltet.
    Aha.
    Nicht zweimal! Sie haben zweimal gedrückt gerade. Ist wie ein Lichtschalter! Einmal drücken einschalten, einmal drücken ausschalten! …… Jetzt habe ich einen roten Punkt drauf!"

    Volkshochschülerin Helga Wessel-Büttler ist 68 Jahre alt. Die ehemalige Pädagogin hat ihren Computer zu Hause bislang ohne Netzanschluss benutzt.

    " Briefe geschrieben, … das war's eigentlich! Briefe geschrieben, das war's eigentlich, ja."

    Wessel-Büttler will aber in Zukunft Hobbyartikel bei Ebay ersteigern – Briefmarken oder Ersatzteile für ihr Sportrad. Deshalb der Internet-Kurs.

    "Wenn ich denn so unsere Enkelkinder sehe, mit acht oder neun oder zehn Jahren, die da drin zu Hause sind, als würden sie im Bilderbuch blättern – also was für sie so von der Sozialisation gewachsen ist, merke ich einfach, da ist eine Entwicklung an einem vorbei gegangen, die man jetzt natürlich schwer nachholen muss. Und da bin ich verzweifelt, wenn ich auf den falschen Knopf drücke, da bin ich verzweifelt, dass da das Bild weg ist oder ich von vorne noch mal anfangen muss, ja."

    Ähnlich erging es Bärbel-Annette Peter, 71 Jahre und ehemalige Vollzugsbeamtin.

    "Ich fühlte mich ein bisschen von der Umwelt ausgeschlossen. Und wenn ich das Internet gebraucht habe, musste ich immer meine Kinder irgendwie beauftragen. Also zum Beispiel Theaterkarten besorgen, Reisen besorgen, Flüge besorgen. Und da war ich eben völlig außen vor."

    "Wo ich jetzt das erste Mal eine E-Mail schreiben wollte, da bin ich in so ein Internetcafé gegangen."

    Klagt auch der ehemalige Werbefachmann Dieter Vorsatz, 75, über sein Offline-Leben.

    "Und der Leiter der hat mir gesagt: Da brauch ich einen … Account. Und da wusste ich nicht, was das ist. Und hatte auch keine Vorstellung davon. Und dann habe ich das erst mal aufgegeben. Und das war auch ein Grund, weshalb ich mir dann selbst das Internet angeschafft habe."

    "Also Computer hat immer etwas mit Geduld zu tun. Keine Hektik! Immer ruhig bleiben!"

    Kursleiter Olaf Schmidt ist nicht aus der Ruhe zu bringen – selbst wenn er alles doppelt und dreifach erklären muss. Der 48-jährige Informatiker will seine Teilnehmer vor sozialer Isolation bewahren.

    "Wenn man heutzutage teilweise Zeitschriften aufschlägt, dann kriegt man da einen netten Artikel drin. Und dann steht unten drunter: Weitere Sachen finden Sie im Internet. Und dann hat man keinen Computer – und dann kriegt man die Infos nicht! Das heißt also: An der schönsten Stelle – man kennt’s beim Fernsehen - knack, weg, aus! Naja, das Internet gehört dann irgendwie dazu."

    "Es regnet in Strömen."

    Die Berliner Volkshochschule hat festgestellt, dass fast nur Senioren zum Internet-Anfängerkurs kommen. Bildungsferne Familien und Hartz-IV-Empfänger, die mitunter ebenfalls nicht ins Netz gelangen, könnten sich dazu nur selten aufraffen.

    "Man muss schon diese Schwelle überschreiten, hierher zu gehen – und sich damit einzugestehen: Ja, da ist etwas, was ich lernen könnte. Und so offen ist auch nicht jeder."