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Ansturm auf die Beratungsstellen

Seit der Umstellung auf Bachelor und Master ist der Stress im Studium größer geworden. Das bekommen die Beratungsstellen der Deutschen Studentenwerke zu spüren: Ihre Hilfsangebote werden häufiger in Anspruch genommen.

Von Conny Raupold |
    Die Studentinnen und Studenten am Beratungstelefon des Kölner Studentenwerks "Nightline" haben beispielsweise gut zu tun. Ein halbes Jahr gibt es jetzt die anonyme nächtliche Hotline von Studierenden für Studierende und die Anruferzahlen steigen stetig. Oft geht es um Probleme mit dem Studium, Beispiel Stress und Prüfungsangst. Solche Beratungsgespräche üben die Mitarbeiter regelmäßig in Rollenspielen. Gerade hat die Nightline ihre Schichten von zwei auf drei Nächte die Woche ausgeweitet.

    Es gibt viele Studierende, die Rat brauchen. Gaby Jungnickel von der psychosozialen Beratungsstelle des Kölner Studentenwerks berichtet auch von wesentlich mehr Gesprächsanfragen in ihrer Beratung im vergangenen Jahr - konkret von einem Anstieg um 25 Prozent bei den Erstgesprächen. Thema immer wieder: Der Stress im Studium und die Auswirkungen auf das Privatleben, sagt sie.

    "Das wirkt sich einfach aus. Wenn ich im Studium nicht so recht vorankomme, kann man sich vorstellen, dass die Partnerschaft darunter leidet, einem eventuell die Eltern im Nacken sitzen oder zusätzliche Jobs angenommen werden müssen, um das Studium zu finanzieren. Es wirkt in alle Lebensbereiche."

    David Loviec gehört zu denen, bei denen sich das Bachelor-Studium zeitweise sehr extrem auf das Privatleben auswirkt, zum Beispiel im letzten Wintersemester, erinnert er sich:

    "Ich glaub, am 17. Februar - weiß ich sogar noch auswendig - hab ich meine letzte Klausur geschrieben und ab Weihnachten bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich wirklich kein Privatleben..also, gar keine sozialen Kontakte fast."

    Der 27-Jährige studiert im sechsten Semester Soziologie an der Uni Wuppertal. Auch Magnus Damkröger studiert an der Bergischen Uni - Wirtschaftswissenschaften im vierten Semester - und lebt mit dem Lernstress:

    "Wenn man nicht kontinuierlich von Anfang an des Semesters auf die Klausuren hinarbeitet, ist es eigentlich kaum machbar, alle Klausuren wie laut Prüfungsordnung vorgesehen zu bestehen."

    Wegen des Lernstresses hat der 21-Jährige auch schon schlaflose Nächte gehabt. Viele Studierende wenden sich dann an die Beratungsstellen an den Hochschulen, um Hilfe zu bekommen. Auch die Zentrale Studienberatung in Wuppertal hat oft mit diesen Themen zu tun. Die Mitarbeiterinnen hier haben vor allem beobachtet, dass Studierende jetzt immer früher die Hilfe bei den Beratern suchen, erzählt Brigitte Diefenbach von der Beratungsstelle:

    "Es ist so, dass die Fragen früher kommen..im ersten, zweiten Semester schon. Wo die Leute sonst viel später gekommen sind im Studienverlauf. Und dann kommen genau diese Fragen: Prüfungsangst setzt früher ein, also das Gefühl von: Ich kann's nicht schaffen."

    Außerdem haben sich an der Bergischen Uni die Beratungsanfragen per E-Mail im letzten Jahr verdreifacht.

    Bundesweit nehme der Beratungsbedarf der Bachelor-Studierenden immer mehr zu, heißt es vom Dachverband der Deutschen Studentenwerke. Bei den Beratungskontakten verzeichneten die Beratungsstellen 2008 einen deutlichen Anstieg von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Hauptthemen: Leistungsprobleme, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement, Prüfungsangst. Viele Beratungsstellen geraten dadurch selbst in Zeitprobleme. In Köln komme man zum Beispiel kaum noch nach, sagt Gaby Jungnickel:

    "Während wir uns noch vor ein paar Jahren damit rühmen konnten, recht zeitnah einen ersten Gesprächstermin anbieten zu können, kommt es jetzt durchaus vor, dass zu Stoßzeiten Studierende auch schon mal drei Wochen und mehr auf einen Termin warten müssen."

    Sollten die Studentenwerke weiterhin keine zusätzliche Unterstützung der Länder für mehr Beratungsangebote erhalten, werde sich diese Entwicklung noch verschärfen, prophezeit das Deutsche Studentenwerk. Dann geraten die Beratungsstellen womöglich selbst in Stresssituationen, in denen sie dann noch gestressten Studierenden helfen müssen.