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Antike Welten

Nach Kriegswirren und DDR-Umzügen ist inzwischen wieder fast alles an seinem Platz. Das Alte Museum in Berlin hat seiner Antikensammlung ein neues Ausstellungskonzept verliehen. Ziel sei es, Platz drei unter den fünf Häusern der Museumsinsel zu erreichen, sagt Andreas Scholl, Direktor des Hauses.

Andreas Scholl im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 23.02.2011
    Burkhard Müller-Ullrich: Zunächst aber blicken wir nach Berlin. Dort ist für die Antikensammlung im Alten Museum – so heißt das, weil es als Erstes von mehreren Gebäuden auf der später sogenannten Museumsinsel errichtet wurde -, also für die Antikensammlung in Karl Friedrich Schinkels Altem Museum ist eben erst die Nachkriegszeit zu Ende gegangen. Das heißt, es ist nach Kriegswirren und DDR-Umzügen wieder alles am richtigen Platz, minus die bekanntlich weiterhin in Russland aufbewahrte Beutekunst. Aber klaffen deswegen jetzt Lücken in Ihrer Ausstellung, frage ich den Direktor des Hauses, Andreas Scholl, oder haben Sie noch genügend anderes zum Vorzeigen?

    Andreas Scholl: Nein. Wir sind immer noch eine enzyklopädisch angelegte Sammlung, die die gesamte Sachkultur der Griechen, Etrusker und Römer in der ganzen Breite und Tiefe darstellen kann, und das macht auch den ganz besonderen Reiz dieser Sammlung aus.

    Müller-Ullrich: Von den Etruskern hört man ja relativ wenig. Es gab mal eine große Ausstellung, das ist, glaube ich, schon fast 20 Jahre her jetzt.

    Scholl: Genau.

    Müller-Ullrich: Da hat Deutschland sozusagen die Etrusker entdeckt. Sie gehören aber bei Ihnen ganz wesentlich dazu. Wie präsentieren Sie das?

    Scholl: Ja. Die etruskische Sammlung ist in der Tat eine der Umfänglichsten und besten außerhalb Italiens, und diese war in der Tat seit Kriegsausbruch nicht mehr ausgestellt. Nur in der von Ihnen angesprochenen großen Sonderausstellung in der späten DDR, "Die Welt der Etrusker", hatte man einen Querschnitt, ebenfalls hier im Alten Museum, präsentiert, allerdings nur für drei Monate. Der damals entstandene, sehr gute Katalog war für uns eine wichtige Hilfe bei der Neuaufstellung der etruskischen Sammlung, die jetzt gemeinsam mit den römischen Kunstwerken seit dem 1. Juli 2010 schon im Obergeschoss des Museums zu sehen ist.

    Müller-Ullrich: Jetzt sind die Artefakte, die Sie zeigen, meist relativ klein. Also es ist nicht wirklich das, was die Massen anzieht.

    Scholl: Das hat sich eben jetzt radikal geändert, denn wir haben in der Neupräsentation der griechischen Sammlung, die heute eröffnet wird, eben all die antiken Skulpturen, die im Nordflügel des Pergamon-Museums für ein halbes Jahrhundert ausgestellt waren, jetzt im Alten Museum in das Hauptgeschoss, aber auch in die Präsentation der etruskischen und römischen Kunst im Obergeschoss integriert, sodass wir jetzt ein Gesamtbild, eine Gesamtschau dieser drei, wenn man so will, Leitkulturen der mediterranen Antike hier zeigen können.

    Müller-Ullrich: Haben Sie da ein paar Lieblingsteile, die Sie uns mal kurz vorstellen könnten?

    Scholl: Ja aber selbstverständlich! Wir können, gerade was die griechische Kultur betrifft, den gesamten Gang der Entwicklung darstellen, vom Beginn der griechischen Großplastik in Stein am Ende des siebten vorchristlichen Jahrhunderts, hier vertreten durch ein wunderbares samisches Weihwasserbecken, dessen Trägerfiguren den frühen Koren, diesen archaischen Mädchenfiguren entsprechen, wir haben einen wunderbaren Kouros, einen nackten männlichen Votivgabenträger, der im Mittelpunkt unseres Heiligtums steht, wir haben die berühmte Berliner Göttin, die in unserer Sektion zum Grabwesen im archaischen Athen aufscheint, und dann vielleicht die schönste Skulptur in unserer Sammlung, eines der wenigen erhaltenen antiken Kultbilder, die sogenannte Göttin von Tarent, eine dronende Gottheit, wahrscheinlich Demeter aus Unteritalien, die also das Hauptstück in unserer Sektion zur Präsenz der Griechen in Sizilien und Unteritalien darstellt.

    Müller-Ullrich: Nun ist Ihr Haus schon sehr berühmt, aber Klappern gehört zum Geschäft, gerade auch im Museumsbetrieb. Was tun Sie sonst noch, um attraktiv zu sein?

    Scholl: Wir haben jetzt, was die griechische Sammlung betrifft, uns bemüht, einen chronologischen Rundgang, der für die Orientierung wichtig ist, zu verbinden mit ganz klaren thematischen Schwerpunkten. Jeder Raum hat ein eigenes Thema, das dem Betrachter, auch dem ganz uneingeweihten Betrachter durch einen großen, auch für extrem Kurzsichtige lesbaren Wandtext suggeriert wird. Wenn er den gelesen hat, kennt er den Zusammenhang. Zu Einzelthemen gibt es Sektionstexte. Es gibt einen ausführlichen Audio-Guide. Es sind zwei Neupublikationen zu den Etruskern und auch zu unserer legendären Sammlung griechischer Vasen erschienen. Wir sind dabei, unsere Bestände im Internet zu publizieren, sodass der Besucher sich auch im Vorhinein informieren kann. Ich denke, wir bieten viele Zugangsmöglichkeiten, aber wir arbeiten intensiv an einem neuen didaktischen Programm, um vor allem mehr für Kinder zu tun.

    Müller-Ullrich: Haben Sie sich eine interne Vorgabe gemacht, wie viele Besucher Sie möchten, so wie bei politischen Wahlen sagt man ja immer, so und so viel plus?

    Scholl: Das ist natürlich ein gefährliches Geschäft, aber es ist unser Ehrgeiz, dass wir uns hinter den uneinholbaren Lokomotiven Pergamon-Museum und Neues Museum hier auf Platz drei unter den fünf Häusern der Museumsinsel platzieren möchten. Das müsste dann schon eine Zahl deutlich jenseits einer halben Million Besucher im Jahr sein.

    Müller-Ullrich: Wir wünschen es Ihnen. Das waren Auskünfte von Andreas Scholl, Direktor der Berliner Antikensammlung im Alten Museum, zur Neukonzeption des ganzen Hauses, wie es sich ab morgen dem Publikum präsentiert.