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Antikörper als Katalysatoren

Preisverleihung. – Die Immunologen Richard Lerner und Peter Schultz vom kalifornischen in La Jolla erhalten den diesjährigen Paul-Ehrlich und Ludwig-Darmstädter Preis der Universität Frankfurt, der mit insgesamt 65.000 Euro dotiert ist. Die beiden Forscher haben als erste so genannte katalytische Antikörper entwickelt, die die hervorragende Zielerkennung eines Antikörpers mit den katalytischen Eigenschaften von Enzymen verbinden und damit unter anderem schnellere chemische Reaktionen ermöglichen.

    1986 entdeckten Lerner und Schultz voneinander unabhängig die katalytischen Antikörper. Lerner, der heute Direktor des Scripps-Instituts ist, war damals schon in La Jolla tätig, Schultz dagegen an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Das Ziel der Forscher war, chemische Reaktionen, die durch Gegenwart eines Katalysators ablaufen, zu beschleunigen, indem der Katalysator zielgerichtet an den Ort der Reaktion gebracht wird. Genau diese Aufgabe erledigen Antikörper mit unerreichter Zielgenauigkeit, während Enzyme hervorragende Katalysatoren sind. Die Forscher nutzten dabei für ihre Forschungen aus, dass beide Proteinklassen ähnlich auf die Zielmoleküle wirken. Doch während der Antikörper weitgehend der Markierung des Zielmoleküls dient, fördert das Enzym dessen Veränderung, weil es bevorzugt aktivierte, im Übergang zwischen zwei Formen befindliche Moleküle anvisiert. Die Forscher stellten Antikörper her, die genau diese Übergangsformen anvisierten. Mit ihrer Bindungsenergie beschleunigten die Antikörper dann den Wandel der Zielmoleküle.

    Inzwischen weiß die Wissenschaft, dass Antikörper in der Natur genau diese Funktion auch erfüllen. Doch 1986 war das noch unbekannt, außerdem haben Lerner und Schultz diesen Mechanismus auch für die Chemie nutzbar gemacht. Mit ihm lassen sich Reaktionen zum einen sehr viel schneller, aber zum anderen auch sehr viel gezielter und besser steuerbar durchführen. Die beiden Forscher nutzen ihre Entdeckung inzwischen auch für die Medizin. Lerner forscht an einer Früherkennung des Herzinfarkts, Schultz erkundet die Möglichkeiten einer verbesserten Krebstherapie. Bei dieser werden Antikörper auf die Tumorzellen angesetzt, die außer dem Zielsucher noch einen weiteren Bestandteil haben, der an sich harmlose Vorstufen eines Krebsmedikaments in den tödlichen Wirkstoff verwandelt. Da der Antikörper an der Tumorzelle angedockt hat, entfaltet sich nur im Krebsgeschwür die Wirkung des Medikaments, Nebenwirkungen sollten so weitgehend vermieden werden können. Beide Ansätze sind jedoch noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.

    [Quelle: Martin Winkelheide]