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Arbeit am konservativen Profil

Die Konservativen in der CDU sind der Meinung, dass der Modernisierungskurs von Parteichefin Angela Merkel die Stammwählerschaft verprelle. Deshalb haben sie den Berliner Kreis gegründet, der die traditionellen Werte wieder stärker in den Fokus der Partei rücken will.

Von Wolfram Stahl |
    Auf dem Schreibtisch türmen sich Akten und Briefe. Der Besuchertisch ist ebenfalls überladen mit Broschüren und Papieren. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach scheut keine Arbeit. Er fürchtet auch keine Auseinandersetzung. Mit dem politischen Gegner sowieso nicht, aber auch nicht mit der eigenen Partei. Der 59-jährige gehört zu den Gründern des Berliner Kreises, einer Gesprächsrunde von konservativen Unionspolitikern. Ihn und seine Mitstreiter stört, dass die Partei die traditionellen Werte vernachlässigt.

    "Wir wollen verloren gegangene Stammwähler wieder zurückgewinnen. Wir wollen die Stammwähler stärker an die Union binden und auch unseren kleinen bescheidenen Beitrag dazu leisten, dass der Markenkern der Union wieder heraus gearbeitet wird, dass wir unverwechselbar werden gegenüber der politischen Konkurrenz, und dass auch klar ist, wofür die Union steht."

    Bosbach definiert die Grundwerte seiner CDU so: sozial, liberal und konservativ. Für ihn ist klar, dass die letzten Wahlen für die Union vor allem deshalb so schlecht ausfielen, weil die Parteiführung ganz besonders das Konservative vernachlässigt habe. Der ehemalige brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm teilt diese Ansicht.

    "Was fehlt ist etwas Begeisterung. Eine Partei hat eine Seele. Sie möchte wissen, wofür gehen wir eigentlich auf die Straße. Und das ist nicht mehr erkennbar."

    Besorgte Köpfe aus der CDU, zu denen auch die jungen Bundestagsabgeordneten Gitta Connemann und Thomas Bareiß gehören, treffen sich deshalb seit knapp drei Jahren im Berliner Kreis. Zwischen zehn und 25 Leute diskutieren und beraten über die Ausrichtung ihrer Union. Man trifft sich vorwiegend in Nebenzimmern von vornehmen Berliner Restaurants. Mit dabei auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier.

    "Soweit daraus abgeleitet wird, dass eine neue Parteienorganisation oder was auch immer entstehen würde, darf ich Ihnen sagen, das wir es mit mir nicht geben."

    Es geht um Wähler und um politische Inhalte, sagt Bouffier. Der Berliner Kreis ist eine angenehme Runde, die sich alle paar Wochen trifft, erklärt Bosbach.

    "Vor allen Dingen deshalb, weil es kein klassischer Partei- oder Parlamentskreis ist, sondern, weil Nicht-CDU-Mitglieder dabei sind, Journalisten sind dabei, Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft. Und gerade dieser Blick von außen auf die CDU tut uns gut, weil in der Binnenbetrachtung einiges anders aussieht als von außen."

    Anfangs wurden die kritischen Köpfe als Hinterzimmer-Runde ignoriert, mittlerweile werden ihre Aussagen in der Partei zur Kenntnis genommen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe lud deshalb vorgestern ein gutes Dutzend aus der Runde zum Gedankenaustausch ins Konrad-Adenauer-Haus. Dreieinhalb Stunden habe man – bei Bier, Wein und Brötchen - teils lebhaft diskutiert, sagt Bosbach.

    "Ich war sehr froh zu erfahren, dass Hermann Gröhe gesagt hat, im Adenauer-Haus hätte man überhaupt keine Bedenken, was die Arbeit des Berliner Kreises angeht. Die Sorgen richteten sich ausdrücklich auch ausschließlich in Richtung organisatorische Verfestigung, das fürchtet man, dass es so eine Art Gesinnungsorganisation innerhalb der CDU geben könnte. Wir wollen allerdings keine Gesinnung organisieren, sondern Arbeit."

    Der engagierte Bundestagsabgeordnete beeilt sich zu betonen: Der Berliner Kreis wolle nicht das Rad der Geschichte zurückdrehen, sondern Vorschläge machen und Ideen sammeln. Zum Beispiel will man den eigenen Mitgliedern an der Basis wieder mehr Gehör verschaffen.

    "Regionalkonferenzen sind eher ein Mittel bereits an der Spitze getroffene Entscheidungen der Basis zu erklären. Sie können niemals die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung der Basis ersetzen. Und da gibt es eine Sehnsucht bei vielen Mitgliedern stärker eingebunden zu werden bei der politischen Entscheidungsfindung, insbesondere dann, wenn es um politische Kurskorrekturen geht."

    Die Abschaffung der Wehrpflicht, Atomausstieg und Abschaffung der Hauptschule habe die Partei und ihre Mitglieder überfordert, weiß Bosbach. Im Berliner Kreis herrscht Einigkeit darüber, dass die CDU wieder unverwechselbar werden muss. Die Vertriebenenpräsidentin und Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach umschreibt das Problem so.

    "Wer Liberales wählen will, kann auch zur FDP gehen, wer Soziales wählen will, kann auch zu den Sozialdemokraten oder noch weiter nach links gehen. Konservatives gibt es nur bei der Union. Und deshalb bin ich davon überzeugt, diese Säule zu stabilisieren."

    Steinbachs Vorstellung kollidiert jedoch mit dem Bekenntnis der Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel.

    "Mal bin ich liberal, mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial."

    Seit ihrer Wahl zur CDU-Bundesvorsitzenden hat Angela Merkel die Partei deutlich modernisiert. Wir brauchen keine Neuausrichtung wie sie der Berliner Kreis vorschlägt, gibt der Parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier den Konservativen Parteifreunden mit auf dem Weg.

    "Wir sind die Volkspartei der Mitte, mit einem Angebot für die große Mehrheit der Menschen."

    Das derzeitige Umfragehoch für die Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, scheint ihm Recht zu geben. Und auch die Union erreicht mit 38 Prozent Zustimmung gerade ihren höchsten Stand seit der Wahl vor zweieinhalb Jahren.

    Trotzdem - im Berliner Kreis sieht man jede Menge Handlungsbedarf. Ungeachtet der Kritik aus den eigenen Reihen will die Runde weiterhin an der Schärfung des Unionsprofils arbeiten. Aktuell wird nach einem Vorsitzenden gesucht. Einer Kollegin oder einen Kollegen, der Kritik aushalten kann und nicht um Arbeit verlegen ist. Der krebskranke Wolfgang Bosbach hat die an ihn gerichtete Anfrage abgelehnt.

    "Dann hat Wolfgang Bosbach gesagt, ich bin gerade dabei Aufgaben abzugeben und will nicht neue übernehmen."