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Arbeiten am Wachstumsbegriff

Unter dem Motto "Nachhaltig handeln, Wirtschaft neu gestalten, Demokratie stärken" findet derzeit der Transformationskongress in Berlin statt. Reines Wachstum zähle nicht mehr, so der Tenor einer ersten Stellungnahme von DGB-Chef Michael Sommer. Es gehe vielmehr um qualitatives Wachstum.

Von Dieter Nürnberger | 08.06.2012
    Anders arbeiten, anders wirtschaften, anders leben – mit dieser plakativen Vorgabe wollen Kirchen, Gewerkschaften und Umweltverbände auf dem Berliner Transformationskongress ein deutlichen Zeichen setzen. Wobei die gegenwärtige, vor allem finanzpolitische Krise durchaus auch als Chance begriffen werden soll. DGB-Chef Michael Sommer wies gleich zu Beginn des zweitägigen Kongresses auf diesen Zusammenhang hin.

    "Wir haben mindestens in den Ländern des Südens Europas große wirtschaftliche Probleme, die förmlich danach schreien, gemeinsame und abgestimmte Konjunkturprogramme aufzulegen. Und wenn Sie sich fragen, in welchen Feldern das eigentlich sein soll, dann sind Sie sehr schnell bei der Frage der Energie: Energieversorgung, Energieeinsparung etc. – es geht auch um die wechselseitigen Versorgung und Verbindung mit Energienetzen und Energiequellen."

    Die Veranstalter wollen grundlegende Veränderungen. Doch geht es nicht nur um den ökologischen Umbau, sondern auch um eine soziale Abfederung dieses Prozesses. Beides sei miteinander vereinbar, sagt beispielsweise Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Doch zuerst müssen der Staat und auch die Zivilgesellschaft ihre gestalterische Kraft zurückgewinnen.

    "Welchen Begriff von Wachstum haben wir eigentlich? Wie muss ein Setting aussehen, das Wachstum so steuert, dass es nicht zerstört, sondern auch aufbaut?"

    Die Grenzen des Wachstums seien schon vor Jahrzehnten deutlich geworden, sagen Umweltverbände, doch erst nach und nach habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass nicht nur die Höhe des Bruttosozialprodukts der alleinige Maßstab ist. Da sei man heute weiter, sagt Michael Müller vom Deutschen Naturschutzring.

    "Von den Umweltverbänden kommt nicht die Diskussion, dass wir sagen, jetzt muss alles eingefroren werden. Wir wissen, Gerechtigkeit und auch Freiheit hängen am Thema einer Veränderbarkeit von Wirtschaft und Technik. Aber ob das noch mit Wachstum zu begreifen ist – wir sagen ja deshalb auch Nachhaltigkeit. Das hebt die Wachstumsdiskussion auf eine andere Ebene."

    Dass solche Veranstaltungen auch stets ein Podium für sogenannte Sonntagsreden sein können, wissen die Organisatoren. Was bedeutet der Anspruch von Nachhaltigkeit etwa in der Automobilindustrie, wurde DGB-Chef Sommer ganz konkret gefragt.

    "Wir werden in einer Gesellschaft, die im Wesentlichen vom Auto lebt, nicht sagen, wir nehmen Abschied vom Auto. Wir müssen uns aber darüber verständigen, dass wir neue Verkehrs- und Mobilitätskonzepte brauchen. Darin eingebettet auch die Frage, wie weit darf der Individualverkehr gehen? Wie kam man diesen Bereich so gestalten, dass nicht nur weniger Ressourcen verbraucht werden, sondern, dass der Verbrauch sogar am besten gegen Null geht?"

    Ohne neue Konzepte könne es keine Transformation geben, so Sommer. Das gelte nicht für die Autoindustrie, sondern auch für die Energieversorgung oder die Technologiepolitik. Morgen wollen die Veranstalter ihre Ideen auch mit den Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU) diskutieren.