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Arbeitsmarkt
Zahl der Hartz IV-Haushalte deutlich gesunken

Erstmals seit der Einführung vor 14 Jahren leben weniger als drei Millionen Haushalte von Hartz IV. Das liege vor allem am guten Arbeitsmarkt, so die Agentur für Arbeit. Doch viele Hartz IV-Bezieher sind auch in Rente gegangen und beziehen die Grundsicherung deshalb nicht mehr.

Von Nadine Lindner | 04.01.2019
    Arge-Logo an der Agentur für Arbeit in Köln Ossendorf.
    Aus der SPD werden Rufe nach der Abschaffung von Hartz IV laut (imago / C. Hardt)
    Erstmals seit der Einführung vor 14 Jahren leben weniger als drei Millionen Haushalte von der Grundsicherung Hartz IV. Das berichtet die FAZ unter Berufung auf Zahlen aus Nürnberg. Die Agentur für Arbeit bestätigte dies auf Nachfrage und verwies auf heute veröffentlichte Dezember-Zahlen, nach denen es 2,995 Millionen Haushalte waren. Knapp 200.000 weniger als im Vorjahr.
    Dies liege vor allem am guten Arbeitsmarkt. So sank die Zahl der inländischen Hartz IV-Bezieher stark und konnte den Anstieg der ausländischen Hartz IV-Bezieher, der vor allem durch die Flüchtlingsbewegungen nach 2015 ausgelöst wurde "überkompensieren", so die Bundesagentur. Für die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linke Sabine Zimmermann sind die Zahlen noch kein Grund zur Freude.
    "Und dann muss man sich fragen, was sind die Gründe für den Rückgang. Und da kann man feststellen, die demographische Entwicklung hat hier auch zugeschlagen."
    Viele Hartz IV-Bezieher gingen in Rente
    Statt in Arbeit gingen viele Hartz IV-Bezieher schlicht in Rente. Die Linke Zimmermann fordert eine Abschaffung von Hartz IV und eine Existenzsicherung von rund 1.000 Euro. Die aktuell sinkenden Hartz IV-Zahlen könnten auch die Debatte innerhalb der SPD rund um die Zukunft von Hartz IV befeuern.
    SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil hatte Ende vergangenen Jahres Korrekturen angekündigt und hatte dabei vor allem die Strafen für junge Hartz IV-Empfänger im Blick. Sanktionen, die nicht wirkten, aber viele verunsicherten, müssten weg, sagte Heil kurz vor dem Jahreswechsel. Damit meint Heil vor allem die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige. An den Grundzügen von Hartz IV will der Arbeitsminister aber festhalten.
    Der Chef der Bundesagentur, Detlef Scheele, bekräftigte heute in Nürnberg, dass er sich durchaus Veränderungen bei Hartz IV-Sanktionen vorstellen könnte, auch weniger Bürokratie, aber das bestehende System nicht grundsätzlich abschaffen wolle.
    Rufe nach einer Abkehr von Hartz IV
    SPD-Parteichefin Andrea Nahles hatte während ihrer Zeit als Arbeitsministerin das Hartz IV-System nicht radikal verändert, sie schlägt jetzt als Partei-und Fraktionschefin aber einen anderen Ton an:
    "Die Menschen brauchen einen freundlichen, zugewandten, einen echten Sozialstaat. Wir werden Hartz IV hinter uns lassen."
    Juso-Chef Kevin Kühnert fordert eine komplette Abkehr von diesem System. Die meisten Menschen bräuchten "keinen Tritt in den Hintern", sondern eine Perspektive auf Weiterbildung und Beschäftigung. Hartz IV-Empfänger dürften nicht in die Obdachlosigkeit sanktioniert werden, so Kühnert.
    Beim Thema Sanktionen lässt der große Koalitionspartner, die Union, allerdings wenig Veränderungsbereitschaft erkennen und will mögliche Leistungskürzungen beibehalten. Scharfe Kritik kam auch aus der Wirtschaft: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte, das Prinzip fördern und fordern müsse beibehalten werden.
    Die Zukunft von Hartz IV – das Thema bleibt auch im neuen Jahr eine sozialpolitische Baustelle. Der nächste Termin ist die Jahresauftaktklausur der SPD am 10. und 11. Januar. Dort will die SPD über ihre "programmatische Neuaufstellung" reden."