Liebe ist wohl auch eine Geschmacksfrage. Mit "Ariodante" suchten der Librettist Antonio Salvi und der Komponist Händel eine Geschichte aus dem Dunstkreis der Erben des legendären Königs Artus der höfischen Sphäre ihrer Gegenwart anzupassen: Ginevra liebt den roten Recken Ariodante, soll und will ihn heiraten; doch hat es der schwarze Herzog Polinesso auf ihren Thron und ihr Bett abgesehen. Also zettelt er eine Intrige an, bei der sich die beste Freundin der Prinzessin in deren Kleidern zu einem nächtlichen Stelldichein begibt; was beobachtet wird und Ginevras voreheliche Untreue beweisen soll. Händel hat die Sehnsüchte und Ängste, Enttäuschungen, Leiden ebenso wie die impertinenten Begehrlichkeiten mit griffigen Formeln versehen und die Affekte allemal recht eindeutig gestaltet. Die musikalische Rede ist jaja – neinnein.
Die "mechanische Selbstgerechtigkeit" der üppig blühenden "Barock"-Musik erfüllt eine Bühne, die wie ein vergrößertes Papp-Modell eines barocken Proszeniums anmutet. Die vier Gassen, wie große Treppenstufen nach hinten ansteigend, sind Laufgräben, in denen die bunt feudal-fantastisch kostümierten Protagonisten stehen, schreiten und singen. Sie sind stets nur halb zu sehen – vom Scheitel bis zur Hüfte; Unterleiber, Beine und Schuhe haben sie – wobei alles viel zu kurz geriet – auf Schürzen montiert vorgeschnallt. Dies karikaturistische Moment verweist auf die im Werk sublimierte Sexualität. Die reduzierten Bewegungen und Gesten sind die eines absichtsvoll unbeholfenen Puppentheaters – auch das verweist auf Konventionen und Zwanghaftigkeiten. Wie auch die strenge Geometrie: die sieben singenden Akteure werden in mehr als vier Musikstunden zur Linie gereiht, als Karree, Dreieck und kreuzförmig angeordnet. Ihre mechanistischen Bewegungen ersetzen auch die Ballett-Einlagen. Im hohen Hintergrund und sattem Honiggelb, das ins Rötliche mutiert, zu den Aktschlüssen die seifenblasenpustenden Choristen. Das alles ist bedeutungsschwer und offenbart die Idee der optischen "Parallel-Komposition", die der Kern dieser Art von Musikbebilderung ist.
Die vermeintliche Untreue der Prinzessin schlägt Ariodante in die Flucht und er wird tot geglaubt; die im tiefsten Herzen treue Ginevre aber gerät in Haft und verfällt in temporären Wahnsinn. Tiermasken visualisieren Hysterie und Todesängste. Papp-Pferde kommen bei den strikt stilisierten Kampfszenen zum Einsatz. Den Bösen aber fällt das Gottesgericht und die Geschichte nimmt, nachdem sich die königliche Hand und Huld mehrere Meter in die Länge zog, ein Ende in neuer Liebe und Eintracht. Frankfurts Operngänger waren damit sichtlich zufrieden.
Andrea Marcon arbeitet sich mit dem verschlankten Museums-Orchester durch die Fertigteil-Musik mit Gefühl für die ruhige Rhetorik und mit den inzwischen handelsüblichen hurtigen Tempi bei den Allegro-Sätzen; manches wird gar zu ehrgeizig durchgezogen und fordert eine Sängerin wie Nidia Palacios in der Titelpartie bis an die technischen Grenzen.
Das Damen-Trio Friederike Rinne-Wolf, Claudia Doderer und Amanda Freyer transportierte die Ideen und Skizzen Achim Freyers in szenische Realität, nutzte also einen bewährten Firmen-Mantel für etwas, das überwiegend wie ein authentisches Freyer-Produkt anmutet. Dass im Zeitalter des Stammzellen-Klonens auch Inszenierungen aus adulten Stamm-Ideen für immer noch attraktive Szenarien und Bilderbögen geklont werden, erscheint naheliegend. Da Frankfurt, durch rege Lobby-Tätigkeit mit dem absurden Qualitätssiegel "Opernhaus des Jahres" geadelt und beschwert, in Ermangelung von originellen Novitäten zumindest einen brauchbaren Second-Hand-Shop betreibt, mag nach den Musiktheater-Niederungen der letzten Jahre als ein erfreulicher Schritt nach oben angesehen werden. Aber auch der innovationsfreudige Ministerpräsident des Landes, den es in die Premiere verschlagen hatte, scheint sich mit diesem Sortiment von Händel-Arien und Puppentheater etwas gelangweilt zu haben. Verliebt oder auch nur erbaut schaute er nicht drein. Liebe ist eben auch eine Geschmacksfrage.
Die "mechanische Selbstgerechtigkeit" der üppig blühenden "Barock"-Musik erfüllt eine Bühne, die wie ein vergrößertes Papp-Modell eines barocken Proszeniums anmutet. Die vier Gassen, wie große Treppenstufen nach hinten ansteigend, sind Laufgräben, in denen die bunt feudal-fantastisch kostümierten Protagonisten stehen, schreiten und singen. Sie sind stets nur halb zu sehen – vom Scheitel bis zur Hüfte; Unterleiber, Beine und Schuhe haben sie – wobei alles viel zu kurz geriet – auf Schürzen montiert vorgeschnallt. Dies karikaturistische Moment verweist auf die im Werk sublimierte Sexualität. Die reduzierten Bewegungen und Gesten sind die eines absichtsvoll unbeholfenen Puppentheaters – auch das verweist auf Konventionen und Zwanghaftigkeiten. Wie auch die strenge Geometrie: die sieben singenden Akteure werden in mehr als vier Musikstunden zur Linie gereiht, als Karree, Dreieck und kreuzförmig angeordnet. Ihre mechanistischen Bewegungen ersetzen auch die Ballett-Einlagen. Im hohen Hintergrund und sattem Honiggelb, das ins Rötliche mutiert, zu den Aktschlüssen die seifenblasenpustenden Choristen. Das alles ist bedeutungsschwer und offenbart die Idee der optischen "Parallel-Komposition", die der Kern dieser Art von Musikbebilderung ist.
Die vermeintliche Untreue der Prinzessin schlägt Ariodante in die Flucht und er wird tot geglaubt; die im tiefsten Herzen treue Ginevre aber gerät in Haft und verfällt in temporären Wahnsinn. Tiermasken visualisieren Hysterie und Todesängste. Papp-Pferde kommen bei den strikt stilisierten Kampfszenen zum Einsatz. Den Bösen aber fällt das Gottesgericht und die Geschichte nimmt, nachdem sich die königliche Hand und Huld mehrere Meter in die Länge zog, ein Ende in neuer Liebe und Eintracht. Frankfurts Operngänger waren damit sichtlich zufrieden.
Andrea Marcon arbeitet sich mit dem verschlankten Museums-Orchester durch die Fertigteil-Musik mit Gefühl für die ruhige Rhetorik und mit den inzwischen handelsüblichen hurtigen Tempi bei den Allegro-Sätzen; manches wird gar zu ehrgeizig durchgezogen und fordert eine Sängerin wie Nidia Palacios in der Titelpartie bis an die technischen Grenzen.
Das Damen-Trio Friederike Rinne-Wolf, Claudia Doderer und Amanda Freyer transportierte die Ideen und Skizzen Achim Freyers in szenische Realität, nutzte also einen bewährten Firmen-Mantel für etwas, das überwiegend wie ein authentisches Freyer-Produkt anmutet. Dass im Zeitalter des Stammzellen-Klonens auch Inszenierungen aus adulten Stamm-Ideen für immer noch attraktive Szenarien und Bilderbögen geklont werden, erscheint naheliegend. Da Frankfurt, durch rege Lobby-Tätigkeit mit dem absurden Qualitätssiegel "Opernhaus des Jahres" geadelt und beschwert, in Ermangelung von originellen Novitäten zumindest einen brauchbaren Second-Hand-Shop betreibt, mag nach den Musiktheater-Niederungen der letzten Jahre als ein erfreulicher Schritt nach oben angesehen werden. Aber auch der innovationsfreudige Ministerpräsident des Landes, den es in die Premiere verschlagen hatte, scheint sich mit diesem Sortiment von Händel-Arien und Puppentheater etwas gelangweilt zu haben. Verliebt oder auch nur erbaut schaute er nicht drein. Liebe ist eben auch eine Geschmacksfrage.