"Wir steuern auf eine unhaltbare Situation zu, die Familien packen es nicht mehr mit diesen Benzinpreisen", berichtet der Tankwart Enzo Piretti. Er rollt die Ärmel seines blauen Overalls auf und fährt sich missmutig durchs graue Haar. Deprimierend findet er seinen Job inzwischen.
"Ich mache diesen Job schon seit vielen Jahren. Wir verkaufen heute viel weniger Benzin. Die Autos verbrauchen weniger, aber das ist es nicht allein. Ich sehe hier viel Armut. Familien, die kein Geld zum Tanken haben. Sie klauben dann ihre letzten zehn Euro zusammen."
Armut in Italien. Armut als Alltag. In Großstädten wie Rom, Neapel, Turin oder Mailand gehören Bettler in den U-Bahnen, auf den Straßen, vor den Supermärkten zum Stadtbild. Aber es sind auch die Menschen in den Supermärkten, die für die neue Armut stehen. Die Kassiererin Beatrice del Colle sieht sie täglich.
" Gestern sah ich eine gepflegte Dame, die ein Paket Zucker nahm und sagte, das koste von einem Tag auf den anderen 30 Cent mehr, das hat mir zu denken gegeben. Kurz vor Geschäftsschluss sieht man auf dem Markt Leute, die nicht aussehen wie Bedürftige, die aber in den Kisten, die die Händler zurücklassen, nach Essbarem suchen, das heißt, wir haben hier ein Problem."
Das Problem heißt Kaufkraftverlust. Während die Löhne und Gehälter der italienischen Angestellten seit Jahren stagnieren und zu den niedrigsten in Westeuropa gehören, sind die Lebenshaltungskosten dramatisch gestiegen. Die Mietpreise haben sich in den vergangenen acht Jahren in einigen Städten verdoppelt, der Strom ist so teuer wie nirgendwo sonst in Europa, Öl- und Lebensmittelkrise verschärfen die Situation.
"Auto fahre ich nicht mehr. Mit all den Einkaufstüten gehe ich zu Fuß."
Franca Patrizzi hat geschwollene Beine und an jedem Arm eine Plastiktüte. Sie ist Rentnerin und lebt von knapp 700 Euro im Monat. Damit hat sie mehr als die italienische Minimalrente von nicht einmal 500 Euro monatlich. Trotzdem kommt sie nur schwer über die Runden und überlegt sich sehr genau, was sie wo einkauft.
"Auf dem Markt wird zwar billiger verkauft, aber auch schlechte Ware. Mein Mann hat gestern Feigen auf dem Markt gekauft: die Hälfte konnten wir wegwerfen, da fehlen einfach die Kontrollen. Da geht man besser in den Supermarkt und wählt das Obst einzeln aus."
Siebeneinhalb Millionen Italiener, 13 Prozent der Bevölkerung, leben nach Angaben des italienischen Statistikamtes in Armut. Arm ist danach, wer weniger als etwa 500 Euro im Monat zum Leben hat. In einer Großstadt wie Mailand gehen 500 Euro aber bereits allein für die Miete oder die Kreditrate für die Eigentumswohnung weg. Leben lässt sich hier von 500 Euro eindeutig nicht. Verbraucherschutzorganisationen und die Gewerkschaften fordern staatliche Interventionen zugunsten der niedrigen Einkommensschichten.
Mehr Geld für mittellose Alte und Behinderte verlangt Emilio Panzera, der ehrenamtlich in einer Essensausgabe der Caritas hilft. Ohne unsere Solidarität sind diese Menschen vollkommen sich selbst überlassen, sagt er.
Von Armut bedroht ist in Italien auch, wer seinen Job verliert. Maximal zwei Jahre Arbeitslosengeld gibt es, dann ist Schluss. Dann muss die Familie einspringen. Dass die organisierte Kriminalität in den von Armut besonders betroffenen Regionen Süditaliens reichen Zulauf hat, liegt auch an den guten Löhnen, die sie zahlt. Wird ein Mitglied von der Polizei verhaftet, versorgt die Mafia seine Familie. Darauf kann man sich besser verlassen als auf den Staat. Über Politikverdrossenheit braucht man sich also nicht zu wundern.
"Die Politiker machen nichts für uns, die sind doch alle gleich. Wir müssten sie alle nach Hause schicken und uns selbst regieren."
Die Rentnerin Franca Patrizzi spricht aus, was viele Italiener denken. Die Politik und der Staat sind für sie natürliche Feinde, die ihnen Steuern abverlangen ohne adäquate Gegenleistung. Deshalb hat die Schwarzarbeit in Italien Hochkonjunktur, deshalb schaffen es auch die Geringverdiener doch immer noch bis zum Monatsende. Ob Friseurin oder Maurer, nach Dienstschluss und am Wochenende wird schwarz gearbeitet. Die Regierung Prodi hatte den Kampf gegen die Schwarzarbeit auf ihrer politischen Tagesordnung. Die Regierung Berlusconi nicht. Stattdessen wirbt sie mit Einzelmaßnahmen wie der Abschaffung der Steuer auf nicht luxuriöse Eigenheime um Sympathien in der Bevölkerung.
"Das Geld zieht sie uns woanders doch wieder aus der Tasche", meint Franca Patrizzi. Und sie liegt damit nicht so falsch: der Steuer- und Abgabendruck in Italien wird bis zum Jahr 2011 nicht nachlassen. Das geht aus dem Wirtschaftsplan der Regierung Berlusconi hervor.
"Ich mache diesen Job schon seit vielen Jahren. Wir verkaufen heute viel weniger Benzin. Die Autos verbrauchen weniger, aber das ist es nicht allein. Ich sehe hier viel Armut. Familien, die kein Geld zum Tanken haben. Sie klauben dann ihre letzten zehn Euro zusammen."
Armut in Italien. Armut als Alltag. In Großstädten wie Rom, Neapel, Turin oder Mailand gehören Bettler in den U-Bahnen, auf den Straßen, vor den Supermärkten zum Stadtbild. Aber es sind auch die Menschen in den Supermärkten, die für die neue Armut stehen. Die Kassiererin Beatrice del Colle sieht sie täglich.
" Gestern sah ich eine gepflegte Dame, die ein Paket Zucker nahm und sagte, das koste von einem Tag auf den anderen 30 Cent mehr, das hat mir zu denken gegeben. Kurz vor Geschäftsschluss sieht man auf dem Markt Leute, die nicht aussehen wie Bedürftige, die aber in den Kisten, die die Händler zurücklassen, nach Essbarem suchen, das heißt, wir haben hier ein Problem."
Das Problem heißt Kaufkraftverlust. Während die Löhne und Gehälter der italienischen Angestellten seit Jahren stagnieren und zu den niedrigsten in Westeuropa gehören, sind die Lebenshaltungskosten dramatisch gestiegen. Die Mietpreise haben sich in den vergangenen acht Jahren in einigen Städten verdoppelt, der Strom ist so teuer wie nirgendwo sonst in Europa, Öl- und Lebensmittelkrise verschärfen die Situation.
"Auto fahre ich nicht mehr. Mit all den Einkaufstüten gehe ich zu Fuß."
Franca Patrizzi hat geschwollene Beine und an jedem Arm eine Plastiktüte. Sie ist Rentnerin und lebt von knapp 700 Euro im Monat. Damit hat sie mehr als die italienische Minimalrente von nicht einmal 500 Euro monatlich. Trotzdem kommt sie nur schwer über die Runden und überlegt sich sehr genau, was sie wo einkauft.
"Auf dem Markt wird zwar billiger verkauft, aber auch schlechte Ware. Mein Mann hat gestern Feigen auf dem Markt gekauft: die Hälfte konnten wir wegwerfen, da fehlen einfach die Kontrollen. Da geht man besser in den Supermarkt und wählt das Obst einzeln aus."
Siebeneinhalb Millionen Italiener, 13 Prozent der Bevölkerung, leben nach Angaben des italienischen Statistikamtes in Armut. Arm ist danach, wer weniger als etwa 500 Euro im Monat zum Leben hat. In einer Großstadt wie Mailand gehen 500 Euro aber bereits allein für die Miete oder die Kreditrate für die Eigentumswohnung weg. Leben lässt sich hier von 500 Euro eindeutig nicht. Verbraucherschutzorganisationen und die Gewerkschaften fordern staatliche Interventionen zugunsten der niedrigen Einkommensschichten.
Mehr Geld für mittellose Alte und Behinderte verlangt Emilio Panzera, der ehrenamtlich in einer Essensausgabe der Caritas hilft. Ohne unsere Solidarität sind diese Menschen vollkommen sich selbst überlassen, sagt er.
Von Armut bedroht ist in Italien auch, wer seinen Job verliert. Maximal zwei Jahre Arbeitslosengeld gibt es, dann ist Schluss. Dann muss die Familie einspringen. Dass die organisierte Kriminalität in den von Armut besonders betroffenen Regionen Süditaliens reichen Zulauf hat, liegt auch an den guten Löhnen, die sie zahlt. Wird ein Mitglied von der Polizei verhaftet, versorgt die Mafia seine Familie. Darauf kann man sich besser verlassen als auf den Staat. Über Politikverdrossenheit braucht man sich also nicht zu wundern.
"Die Politiker machen nichts für uns, die sind doch alle gleich. Wir müssten sie alle nach Hause schicken und uns selbst regieren."
Die Rentnerin Franca Patrizzi spricht aus, was viele Italiener denken. Die Politik und der Staat sind für sie natürliche Feinde, die ihnen Steuern abverlangen ohne adäquate Gegenleistung. Deshalb hat die Schwarzarbeit in Italien Hochkonjunktur, deshalb schaffen es auch die Geringverdiener doch immer noch bis zum Monatsende. Ob Friseurin oder Maurer, nach Dienstschluss und am Wochenende wird schwarz gearbeitet. Die Regierung Prodi hatte den Kampf gegen die Schwarzarbeit auf ihrer politischen Tagesordnung. Die Regierung Berlusconi nicht. Stattdessen wirbt sie mit Einzelmaßnahmen wie der Abschaffung der Steuer auf nicht luxuriöse Eigenheime um Sympathien in der Bevölkerung.
"Das Geld zieht sie uns woanders doch wieder aus der Tasche", meint Franca Patrizzi. Und sie liegt damit nicht so falsch: der Steuer- und Abgabendruck in Italien wird bis zum Jahr 2011 nicht nachlassen. Das geht aus dem Wirtschaftsplan der Regierung Berlusconi hervor.