Wenn man nicht auf den Schildern der Stadtgalerie Kiel nachliest, dass die erste Figur den Fernsehbildern von den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn 2005 entnommen ist und die zweite Natascha Kampusch kurz nach der Befreiung aus ihrem Kellergefängnis zeigt, versteht man schon, dass hier das Verhältnis von Bild und Realität auf den Kopf gestellt werden soll, dass hier von der Künstlerin ein Pseudo-Realismus betrieben wird, der den Erscheinungen des Fernsehens ein Eigenleben gibt. Jeder, der in seinem Leben schon einmal eine Videothek betreten und die skulpturgewordenen Filmhelden gesehen hat, wird Baumgarts Werke zwar für keinen revolutionären Einfall halten. Aber den Anspruch, Avantgarde zu sein, hat die Ars Baltica Triennale mittlerweile ohnehin aufgegeben.
Zu sehr hat sich die fotografische Sprache in den baltischen Anrainerstaaten von Russland bis Dänemark und Deutschland und vom Baltikum bis Norwegen mittlerweile angeglichen. Als das Netzwerk Ars Baltica unmittelbar nach der Wiedervereinigung vom damaligen Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins Björn Engholm ins Leben gerufen und später mit EU-Mitteln unterstützt wurde, sah das noch anders aus. Die Ostsee galt noch als sensationell freie geografische Verbindung zwischen Ost- und West-Kultur, gemeinsame Ausstellungen zu machen, Foren und Konferenzen abzuhalten, löste damals die bekannte nachwendebedingte Euphorie aus.
Mittlerweile aber kennt man sich gut dies- und jenseits der ehemaligen Kalten Kriegs-Grenzen, und zuletzt waren auch Stimmen zu hören, ob man über die Ars Baltica die Zeit nicht inzwischen hinweggegangen sei. Wer die Triennalen-Ausstellung durchwandert, muss aber zu dem Schluss kommen, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn eher scheint es der Veranstaltung gut zu Gesicht zu stehen, dass die ganze politisch-symbolische Überfrachtung der neunziger Jahre endlich von ihr abgefallen ist.
Dorothee Bienert, die deutsche Kuratorin, lässt in ihrer Auswahl eine Unbekümmertheit walten, die sich weder an Markwert oder Berühmtheit der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler orientiert und viele betont junge, unbekannte Positionen zeigt. Dadurch hat sich die Ars Baltica Triennale zu einer großen marktunabhängigen Institution gewandelt, auf der immer wieder überraschende Bilder zu sehen sind.
Olga Tschernyschewas Videoarbeit "Festive Dream" zum Beispiel, was so viel heißt wie "festlicher Traum", die in der Peripherie Moskaus entstand und eine Welt zeigt, in der der Kapitalismus noch nicht eingezogen ist. Zwar sind die Insignien der Sowjetmacht verschwunden, ansonsten ist dort aber auch im Jahr 2005 alles wie gehabt. Korpulente Frauen tanzen zu Klängen eines Straßenmusikanten, im einzigen Kaufmannsladen steht noch eine uralte Waage, das Angebot auf den wenigen Regalen beschränkt sich auf ein paar Konserven und Erzeugnisse regionaler Bauern. In einem Nebenraum werden Särge verkauft.
Das dänisch-deutsche Künstlerinnen-Duo J&K hat dagegen Litauen bereist und dokumentiert in einer großen, ironischen Fotoinstallation das Nebeneinander von Kapitalismus, Hinterlassenschaften an Sowjetarchitektur und archaisch-schamanistischen Ritualen in dem Land, dessen Gesellschaft in ihre kulturellen Einzelteile zerfallen zu sein scheint.
Sven Johne, Fotokünstler aus Leipzig, thematisiert die Angst vor Überfremdung und Immigration auf eine ganz eigene Art. Mit einer Infrarotkamera hat er die nächtliche Lausitz durchstreift auf der Suche nach einem vermeintlichen Wolfsrudel, von dem es heißt, dass es aus Polen eingewandert sei und deutsche Schafe reiße. Doch statt auf bedrohte Höfe trifft er nur auf verlassene Landstriche und aufgegebene Dörfer, die von der Landflucht nach Westdeutschland übriggeblieben sind.
Alle Beiträge dieser ostwestlichen Ausstellung eint mittlerweile eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem fotografischen Bild und seiner Beziehung zur Realität. Niemand will hier neue fotografische Bildikonen schaffen, die es dem Betrachter allzu leicht machen, irgendwelche vermeintlichen oder tatsächlichen kulturellen oder nationalen Identitäten zuzuordnen. Gerade das Sperrige und Eigenwillige dieses Festival erscheint als sein wichtigster Vorzug.
Zu sehr hat sich die fotografische Sprache in den baltischen Anrainerstaaten von Russland bis Dänemark und Deutschland und vom Baltikum bis Norwegen mittlerweile angeglichen. Als das Netzwerk Ars Baltica unmittelbar nach der Wiedervereinigung vom damaligen Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins Björn Engholm ins Leben gerufen und später mit EU-Mitteln unterstützt wurde, sah das noch anders aus. Die Ostsee galt noch als sensationell freie geografische Verbindung zwischen Ost- und West-Kultur, gemeinsame Ausstellungen zu machen, Foren und Konferenzen abzuhalten, löste damals die bekannte nachwendebedingte Euphorie aus.
Mittlerweile aber kennt man sich gut dies- und jenseits der ehemaligen Kalten Kriegs-Grenzen, und zuletzt waren auch Stimmen zu hören, ob man über die Ars Baltica die Zeit nicht inzwischen hinweggegangen sei. Wer die Triennalen-Ausstellung durchwandert, muss aber zu dem Schluss kommen, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn eher scheint es der Veranstaltung gut zu Gesicht zu stehen, dass die ganze politisch-symbolische Überfrachtung der neunziger Jahre endlich von ihr abgefallen ist.
Dorothee Bienert, die deutsche Kuratorin, lässt in ihrer Auswahl eine Unbekümmertheit walten, die sich weder an Markwert oder Berühmtheit der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler orientiert und viele betont junge, unbekannte Positionen zeigt. Dadurch hat sich die Ars Baltica Triennale zu einer großen marktunabhängigen Institution gewandelt, auf der immer wieder überraschende Bilder zu sehen sind.
Olga Tschernyschewas Videoarbeit "Festive Dream" zum Beispiel, was so viel heißt wie "festlicher Traum", die in der Peripherie Moskaus entstand und eine Welt zeigt, in der der Kapitalismus noch nicht eingezogen ist. Zwar sind die Insignien der Sowjetmacht verschwunden, ansonsten ist dort aber auch im Jahr 2005 alles wie gehabt. Korpulente Frauen tanzen zu Klängen eines Straßenmusikanten, im einzigen Kaufmannsladen steht noch eine uralte Waage, das Angebot auf den wenigen Regalen beschränkt sich auf ein paar Konserven und Erzeugnisse regionaler Bauern. In einem Nebenraum werden Särge verkauft.
Das dänisch-deutsche Künstlerinnen-Duo J&K hat dagegen Litauen bereist und dokumentiert in einer großen, ironischen Fotoinstallation das Nebeneinander von Kapitalismus, Hinterlassenschaften an Sowjetarchitektur und archaisch-schamanistischen Ritualen in dem Land, dessen Gesellschaft in ihre kulturellen Einzelteile zerfallen zu sein scheint.
Sven Johne, Fotokünstler aus Leipzig, thematisiert die Angst vor Überfremdung und Immigration auf eine ganz eigene Art. Mit einer Infrarotkamera hat er die nächtliche Lausitz durchstreift auf der Suche nach einem vermeintlichen Wolfsrudel, von dem es heißt, dass es aus Polen eingewandert sei und deutsche Schafe reiße. Doch statt auf bedrohte Höfe trifft er nur auf verlassene Landstriche und aufgegebene Dörfer, die von der Landflucht nach Westdeutschland übriggeblieben sind.
Alle Beiträge dieser ostwestlichen Ausstellung eint mittlerweile eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dem fotografischen Bild und seiner Beziehung zur Realität. Niemand will hier neue fotografische Bildikonen schaffen, die es dem Betrachter allzu leicht machen, irgendwelche vermeintlichen oder tatsächlichen kulturellen oder nationalen Identitäten zuzuordnen. Gerade das Sperrige und Eigenwillige dieses Festival erscheint als sein wichtigster Vorzug.