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Artenschutz durch Vermarktung

In den Bergregenwäldern des äthiopischen Hochlandes, in der Provinz Kaffa, wächst Coffea arabica. Unser Kaffee, den wir trinken. Noch wild – und das in einer einzigartigen Vielfalt. Dieser botanische Schatz ist bedroht: Immer mehr Wald, der einst den ganzen Südwesten des Landes bedeckt hat, wird abgeholzt: Nur noch wenige Inseln sind übrig geblieben. Und damit droht eine genetische Ressource von großem, wirtschaftlichen Wert verloren zu gehen. Um zu retten, was zu retten ist, läuft derzeit im Bonga-Wald in der Kaffa-Provinz ein Projekt, mit dem der wertvolle Wildkaffee vermarktet – und damit geschützt werden soll: Dabei arbeiten verschiedene Organisationen – deutsche wie äthiopische – zusammen. Das Bundesforschungsministerium unterstützt das Projekt, ebenso ein Konsortium großer Röster und Händler, das sich für die nachhaltige Produktion von Kaffee einsetzt.

Von Dagmar Röhrlich |
    Stundenlang durchstreifen Kleinbauern die verbliebenen Urwaldinseln der äthiopischen Kaffa-Provinz auf der Suche nach wilden Kaffeepflanzen. Aber wenn sie das mühsam Geerntete auf dem Markt verkaufen, bekommen sie dafür nicht mehr als für normalen Kaffee – und der ist nach dem Preisverfall kaum etwas wert. Um zu überleben, roden sie dann den Regenwald Stück für Stück, um Ackerland zu haben. Dabei ist der äthiopische Wildkaffee eine wertvolle genetische Ressource: Die zehn Milliarden Coffea-arabica-Sträucher, die heute angebaut werden, stammen von ein paar Kaffeepflanzen, die im 13. Jahrhundert aus den Wäldern Kaffas in den Jemen geschmuggelt worden sind. Manfred Denich vom Zentrum für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn:

    "Die genetische Basis des Pflanzenmaterials, das angebaut wird, ist sehr eng. Im Wald nun, wo der Wildkaffee ist, da hat man eine natürliche genetische Vielfalt des Kaffee. "

    Rund 5000 Spielarten des Wildkaffees existieren in den Bergregenwäldern Äthiopiens, denn die Pflanze hat sich im Lauf ihrer Evolution an die unterschiedlichsten Standorte angepasst. Das ist wichtig für die Sicherung der Tasse Kaffee – denn in den Wäldern schlummert das Material beispielsweise für die Züchtung krankheitsresistenter Sorten:

    "Zum Beispiel Kaffeerost, das gibt es überall im Wald, in Äthiopien, kommt Kaffeerost vor. Das ist eine Pilzkrankheit. Dieser Kaffeerost bringt die Pflanzen nicht um, zerstört die Bestände nicht, sondern sie können miteinander leben und auskommen. "

    Während der Kaffeerost für Plantagen verheerend ist. Mit krankheitstoleranten Pflanzen aus dem Wald ließen sich wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe vermeiden. Ein Riesengeschäft wären auch die von Natur aus koffeinfreie Kaffeesorten, die im Wald wachsen. Sie ersparten einen nicht unbedingt geschmacksfördernden Produktionsschritt mit organischen Extraktionsmitteln oder Kohlensäure. Jetzt soll das Projekt "Bonga Forrest" Wald und Wildkaffee schützen sowie den Kleinbauern helfen:

    "Das Projektziel ist, die genetische Ressource Wildkaffee zu erhalten, damit sie für zukünftige Züchtungsaktivitäten international zur Verfügung steht. Das zweite Ziel ist, die Artenvielfalt des Bergregenwald ist zu erhalten: Wir erhalten die genetische Vielfalt des Kaffee zusammen mit der Artenvielfalt des Regenwaldes, und das dritte ist, Konzepte vorzuschlagen, wie man die nicht nur schützen sondern auch nutzen kann. "

    Das Projekt "Bonga Forrest" bringt die Interessen der Kleinbauern mit denen der Umweltschützer und Wissenschaftler unter einen Hut: Die Bauern werden geschult, sie sammeln und trocknen den Kaffee – der ihnen zu einem guten Preis abgekauft wird. Zum Projekt gehört auch das "äthiopische Kaffeewaldforum", in dem alle Interessenvertreter vom Sammler bis zum Politiker den Waldschutz zu diskutieren.

    Den Wildkaffee direkt im Wald zu konservieren, hat große Vorteile: Denn in seinem natürlichen Lebensraum passt sich der Kaffee fortwährend an neue Bedingungen an:

    "Nehmen wir mal an, das Klima wird in den nächsten dreißig Jahren noch wärmer, das läuft sukzessive, und sehr langsam wird sich dieser Kaffee vermutlich an diese veränderten Klimabedingungen anpassen, ohne dass nur irgend einer etwas dazutun muss. "

    Der Wildkaffee ist bei Feinschmeckern begehrt und verkauft sich sehr gut. Allerdings weiß niemand, wieviel Kaffee der Wald hergibt: Die Pflanzen wachsen ungleichmäßig verteilt und tragen sehr unterschiedlich. Damit der Wildkaffee nicht durch Übernutzung verschwindet, werden derzeit Erntequoten erarbeitet. Außerdem muss das Produkt – genau wie Wein oder Olivenöl – gegen betrügerischen Etikettenschwindel gesichert werden. Rolf Wilmut, von der Amber Foundation, eine gemeinnützige Stiftung, die die Kleinbauern unterstützt:

    "Wir haben in einem molekularbiologischen Labor in Freiburg, eine Methode entwickelt, mit der sie einen genetischen Fingerabdruck dieses Kaffees aus dieser Region erzeugen können. Und der ist charakteristisch für diese Region. Bereits 100 km ist der genetische Fingerabdruck eines anderen Kaffees aus Äthiopien ein anderer. Ganz zu schweigen davon von einem Kaffee aus Brasilien oder anderen Regionen aus Afrika. "

    Und vielleicht gelingt so der Schutz der Menschen und einer wertvollen Ressource durch gezielte Nutzung.