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Artenschutz mal anders

Frösche, Kröten und Molche wollen immer wieder zurück in das Gewässer ihrer Geburt, doch das kann auch eine renaturierte Kies- oder Tongrube sein. So können Grubenbetreiber zum Partner der Naturschützer werden - ein Beispiel, was Schule macht in Rheinland-Pfalz.

Von Gerd Stuhlfauth | 23.03.2011
    Nicht völlig konfliktfrei, aber durchaus gut seien die Erfahrungen mit der Rohstoffindustrie, sagt Siegfried Schuch, der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende des "Naturschutzbundes" (NABU). Vor zwei Jahren hatte der NABU in Rheinland-Pfalz eine Kooperationsvereinbarung mit der Rohstoffindustrie geschlossen. Die Vereinbarung mündet in konkrete Zusammenarbeit. Zum Beispiel beim Schutz des Uhus. Der Uhu brütet in Steilwänden von Steinbrüchen. Naturschützer Schuch sagt, ein Abbaubetrieb könne so planen "dass eben nicht während der Brutzeit, sondern nach der Brutzeit in der Nähe des Uhuhorstes gesprengt wird. Er kann auch während des Abbaus das so planen, dass in den Wänden, die stehen bleiben, Nischen entstehen, die dann dem Uhu Möglichkeiten bieten, umzusiedeln wenn zum Beispiel die Wand, wo er bisher gebrütet hat, auch abgebaut werden soll in den nächsten Jahren."

    Das funktioniert nur dann, wenn Abbaubetriebe und Naturschützer vor Ort ins Gespräch kommen. Wenn gegenseitiges Misstrauen abgebaut wird. Thilo Juchem, der Landesvorsitzende des Baustoffverbandes "Vero" in Rheinland-Pfalz:

    "Es ist immer besser, wenn man vor Ort miteinander auf Augenhöhe diskutiert, als wenn am großen Verhandlungstisch entschieden wird. Vor Ort gibt es immer sehr viele pragmatische Lösungen, die letztendlich der Natur und dem Unternehmen am meisten dienen."

    Die Zusammenarbeit wird jetzt auf eine verbindliche Stufe gehoben. Der Baustoffverband schloss mit dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium eine Rahmenvereinbarung über den Artenschutz. Es geht dabei um Vogelarten wie den Uhu, aber auch um viele Amphibienarten wie Gelbbauchunke und Laubfrosch. Die Betriebe verpflichten sich, den Artenschutz im laufenden Abbaubetrieb zu berücksichtigen. In enger Absprache mit den Behörden. Die Abbauflächen liegen oft in FFH-Gebieten. Sind also nach europäischem Naturschutzrecht strengen Auflagen unterworfen. Die Firmen haben den Vorteil, dass ihnen mit der Vereinbarung die FFH-Verträglichkeit vorab bescheinigt wird. Dass teure, langwierige Fachgutachten oft nicht mehr notwendig sind. Margit Conrad, die rheinland-pfälzische Umweltministerin, sieht nur Vorteile:

    "Für die Betriebe bedeutet das eine größere Rechts- und Planungssicherheit. Und für die Behörde bedeutet dies, dass wir natürlich über Untersuchungen, über ein Monitoring schauen, dass für diese Arten ein guter Erhaltungszustand erreicht wird."

    Erfolge dieser Strategie zeigen sich schon im Norden von Rheinland-Pfalz. Alle großen Tonabbaufirmen im Westerwald sind der Rahmenvereinbarung beigetreten, die ihr Verband 2005 mit dem Umweltministerium geschlossen hatte. Dort, wo der Abbau schon beendet ist, legen die Firmen neue Tümpel an. Die dann andere Kleingewässer ersetzen können, wenn der Abbau voranschreitet. Das scheint gut zu funktionieren. Die Laubfrösche besiedeln die neuen Tümpel. So gibt es seit Jahren innerhalb der Tongruben rund 30 Laubfroschvorkommen, außerhalb so gut wie keines. Der Biologe Dr. Axel Schmidt arbeitet bei der Oberen Naturschutzbehörde, die engen Kontakt zu den Firmen hält:

    "Es hat damit zu tun, dass die Laubfrösche wie übrigens auch andere Amphibien hier oben Amphibien vom Überschwemmungsgebiet auch des Rheins sind. Seit der Rhein eingedeicht ist und hier im Norden von Rheinland-Pfalz praktisch keine Überschwemmungen mehr da sind, mussten sich diese Arten andere Überlebensräume suchen, wo diese schnell entstehenden und wieder schnell verschwindenden, kleineren Tümpel dann da sind, wie das die Überschwemmungsteiche in der Rheinniederung sind. Da haben die Arten hier eigentlich das Ideal gefunden."

    Das Kooperationsmodell findet offenbar Nachahmer. Beim "Bundesverband Keramische Rohstoffe" heißt es, man werde eine ähnliche Vereinbarung vermutlich noch im Frühjahr auch mit dem Land Hessen schließen.