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Asbest:

Asbest! Schon das Einatmen winziger Partikel dieses Dämmstoffes kann schwere Lungenerkrankungen hervorrufen. Eine besonders schreckliche Form dieser Erkrankung ist der Lungenfellkrebs. Heilung gibt es bislang nicht. Üblicherweise beschränken sich alle Therapieversuche auf die Linderung der Schmerzen und Verbesserung der Atmung. Innerhalb von sechs bis 12 Monaten nach Diagnosestellung sterben die meisten Patienten. Hoffnung verspricht jetzt eine Therapiestudie der Universität Lübeck. Mit einer sog. Ganzkörperhyperthermie versuchen Mediziner dem Krebs auf den Leib zu rücken.

Michael Wieczorek | 10.09.2002
    Lange hält er sich im Verborgenen. 20-30 Jahre können durchaus vergehen bis überhaupt die ersten Beschwerden auftreten. Doch dann wächst er blitzartig. Ein Tumor, der rund um den Brustkasten wächst und dem Patienten schnell die Luft abschnürt. Der Lungenfellkrebs – im Medizinerdeutsch ”Pleuramesotheliom” genannt. Helmut Ohlrich aus Ostfriesland gehört zu den Betroffenen. Zunächst hatte unter Atembeschwerden zu leiden. Vor einem Jahr stellten Ärzte Wasser im Lungenfell fest. Schnell war auch die Ursache gefunden:

    Ich habe früher auf einem Kraftwerk gearbeitet und die Turbinen, Maschinenteile, etc., waren natürlich früher alles mit Asbest; Spritzasbest, Blauasbest usw. usf.

    Zwar ist die Verwendung von Asbest seit den frühen 90er Jahren verboten –Helmut Ohlrich aber hatte noch täglich damit zu tun. Gewebeproben in der nahegelegenen Klinik belegten eindeutig, dass der Tumor in seiner Lunge vom Kontakt mit dem giftigen Dämmstoff herrührt:

    Da konnte man mir aber nicht weiter helfen. Die Chancen, die man mir einräumte waren gering. Man sagte praktisch meiner Frau und mir dann, ich hätte noch 'ne gewisse Zeit, ich sollte in aller Ruhe meine Papiere ordnen – auf gut Deutsch gesagt: Mein Testament machen – und das war’s dann praktisch.

    Den halbherzigen Vorschlag zu einer fast aussichtslosen Operation verwarf der 57-Jährige. Stattdessen ging er nach Lübeck. Denn dort setzen Mediziner die Ganzkörperhyperthermie zur Krebsbekämpfung ein. Leiterin dieser bundesweit ersten Studie, Dr. Afsaneh Bakhshandeh-Bath erklärt die Prozedur:

    Wir bringen die Kerntemperatur – was normalerweise 36 oder 37 Grad wären – auf 41 Grad, d.h. eine Ganzkörperhyperthermie

    Der Patient wird dabei in ein röhrenförmiges Gerät gebettet, aus dem nur der Kopf herausschaut. Durch Kupferrohre wird 62 Grad heißes Wasser geleitet. Zugleich wird in dem Gerät die Luftfeuchtigkeit auf 100 Prozent gebracht. Nach einer eineinhalbstündigen ”Vorwärmphase” erreicht die Körpertemperatur 41,8 Grad – ein künstliches Fieber, das eine Stunde lang gehalten wird. Das Ziel dabei:

    Es kommt zu einer besseren Durchblutung im gesamten Körper. Es gibt Tumore, die nicht gut durchblutet sind und entsprechend können wir mit der Chemotherapie nicht dort hinkommen, wo wir das gerne möchten. Durch die bessere Durchblutung und den besseren Sauerstoff um den gesamten Tumor kann man die Effektivität von der Chemotherapie verbessern.

    Nach 3-4 Stunden ist die Hyperthermie abgeschlossen. Vier bis fünf Tage danach kann der Patient in der Regel die Klinik verlassen. Mit der kontrollierten Erwärmung des Organismus allein ist es aber noch nicht getan, gibt die Expertin zu bedenken. Erfolge gebe es nur in Kombination mit Chemo- oder Strahlentherapie. Die bisherige Bilanz der Studie kann sich sehen lassen:

    Wir haben Patienten gehabt, bei denen die Tumore deutlich kleiner geworden sind, bei mehreren Patienten ist der Tumor nicht weiter gewachsen und bei 6 Patienten von 25 ist der Tumor trotz Behandlung größer geworden

    Trotzdem bedeutet die Behandlung eine verlängerte Lebenserwartung und einen deutlichen Wiedergewinn an Lebensqualität. Helmut Ohlrich jedenfalls geht es jetzt besser:

    Hyperthermie gemacht hab' ich jetzt dreimal und somit wurde bei meinem Tumor eine 25-prozentige Reduzierung festgestellt. Na ja, heute, muss ich sagen, luftmäßig ist alles, würde ich fast sagen auf 100 Prozent! Ich bin heute wirklich – und meine Familie auch – glücklich, dass ich hier gelandet bin.

    Für eine neue Studie sucht die Medizinische Klinik I der Universität Lübeck noch Patienten mit Lungenfellkrebs bis 65 Jahre, die bisher keine Chemo- oder Strahlentherapie hatten und sich in guter körperlicher Verfassung befinden. Informieren und anmelden können Sie sich unter der Tel-Nr.: 0451-500 23 16 oder unter der Fax-Nr.: - 500 23 56 bei Dr. Afsaneh Bakhshandeh-Bath.

    Beitrag als Real-Audio

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