Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Asphalt mit Raps-Öl

Leicht spöttelnd könnte man sagen, dass im Westen Schleswig-Holsteins vor fünf Jahren die gesündeste Straße Deutschlands gebaut wurde. Denn ihr Belag enthält reichlich Vitamin A und wertvolle mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Doch diese Stoffe sind nur Beiwerk bei dieser Teststrecke, die mit einem Asphalt aus Raps gebaut wurde. In erster Linie ging es um das Öl der Pflanze, das sich bestens für den Straßenbau eignet. Die Erfahrungen mit diesem Pionierprojekt waren so gut, dass in Schleswig-Holstein allein in diesem Jahr 4000 Kilometer Straße mit Rapsasphalt ausgebessert werden. Auch in anderen Bundesländern wie auch in Österreich werden die Vorteile dieses neuen Materials inzwischen sehr geschätzt.

Von Claudia Thoma | 17.09.2004
    Der blinkende LKW, der den Rapsasphalt auf die Straße bringt, steckt voller Technik. Die Pumpe läuft, der Computer und die Überwachungskamera auch:

    Die Straßen hier sind ziemlich zerstört. Die Fahrzeuge werden immer schwerer und die Straßen, ja irgendwann ist die Belastungsgrenze mal erreicht, dann fangen die an, Risse zu bekommen.

    LKW-Führer Axel Jensen sorgt dafür, dass die Emulsion über eine Walze auf die rissige nordfriesische Straße kommt, der Splitt gleich hinterher:

    Jetzt fahren wir einfach los und suchen uns Flickstellen. Jetzt öffne ich die Düsen und fahr zur Flickstelle. Jetzt hab ich die Düsen aktiviert und am Flickstellenende werde ich deaktivieren und anschließend wird hinten gesplittet.

    Noch ist die ausgebesserte Stelle weich, typisch für das Rapsöl, denn es bleibt länger geschmeidig. Der feine Splitt liegt nur locker oben drauf, erklärt Fritz Jegust, Chemotechniker der Asphaltfirma:

    Der Splitt, der muss sich jetzt verkeilen, also der Verkehr, der jetzt diese Straße befährt, walzt praktisch den Splitt optimal ein und solange muss die Emulsion noch halten, das heißt, sie muss elastisch sein, bis alle Steine in diesem Bindemittel drin sind.

    Bei diesem Straßenbauprojekt wird bis zu einem Zehntel des Mineralölanteils der Bitumenmischung durch Rapsöl ersetzt. Und das bringt gleich mehrere Vorteile. Rapsasphalt lässt sich bei niedrigeren Temperaturen verarbeiten. Die Oberfläche ist griffig und der Verschleiß wird reduziert. Außerdem kann auf den Einsatz von Lösungsmitteln verzichtet werden. Die Folge: Bei dieser so genannten Kaltverarbeitung entweichen keine schädlichen Dämpfe in die Umwelt.

    Allein in Nordfriesland werden in diesem Jahr über 200 Kilometer Straße mit Rapsasphalt geflickt. Auf der Insel Föhr sind es 50 Kilometer. Dabei handelt es um landwirtschaftlich genutzte Straßen. Schwere Maschinen sorgen für Risse und so genannte Abgänge. Peter Nissen, Geschäftsführer einer Husumer Baufirma, betreut die Baustellen in Nordfriesland:

    Und hier sind jetzt die Eigenarten, dass wir gesplittet haben. Sie sehen, wir kriegen hier eine bessere Ebenflächigkeit raus und dadurch wieder eine Befahrbarkeit des Weges. Die linke Seite ist aufgeschultert, die rechte, können Sie die Risse sehen? Dafür haben wir ein Gerät speziell entwickelt, das gibt’s auch nur einmal in Deutschland.
    Ein Quadratmeter Raps ergibt einen Quadratmeter Straße. Dazu gibt’s einen Pluspunkt in Sachen Klimabilanz, rechnet Wolfgang Jahn, Betriebsleiter der Rapsasphaltfirma, vor:

    Die Pflanze beim Wachsen bindet pro Hektar 6 000 Kilo CO2 und wir sind im Moment in S-H soweit in der Auftragslage, 400 000 Quadratmeter Aufträge, das ergibt 40 Hektar Raps, das werden wir verbrauchen. Und das sind 240 000 Kilo CO2.

    Die ersten Versuche mit Rapsasphalt haben auch das schleswig-holsteinische Umweltministerium überzeugt. Pressesprecher Michael Rittmeier:

    Die Erfahrungen waren sehr positiv, es sind zweieinhalb Kilometer getestet worden, und man hat festgestellt, dass für alle Straßen, die jetzt nicht unbedingt für schnell fahrende Fahrzeuge vorgesehen sind, dies eine echte Alternative ist. Deshalb ist der Versuch auch ausgeweitet worden. Der Vorteil ist, dass kein Nachteil existiert.

    Noch liegt der Preis um fünf Prozent über dem von herkömmlichen Straßenbelägen. Günstiger würde das Ganze, wenn größere Mengen Rapsasphalt verbaut werden könnten. Der Bedarf ist vorhanden. Und der nachwachsende Rohstoff Raps würde Erdölreserven schonen:

    Alles, was dazu beiträgt, unsere Klimabilanz zu verbessern, ist ein Beitrag für Kyoto, sie müssen sich vorstellen, dass Rapsöl ein Produkt ist, das klimaneutral ist, d.h. es wird genau so viel CO2 verbraucht wie vorher aufgenommen wird, das heisst es bleibt in der Bilanz neutral. Das ist bei Mineralölprodukten ganz anders. Da werden lange gespeicherte Stoffe in die Atmosphäre freigegeben und das ist klimaschädlich.

    Bundesweit wurde Raps im vergangenen Jahr auf 670 000 Hektar Fläche angebaut. In Schleswig-Holstein waren es 25 000 Hektar. Weitere Anbauflächen wären möglich, so der Sprecher des Umweltministeriums:

    Wir könnten theoretisch bis zu 120 000 Hektar Raps anbauen, ohne dass die Gefahr von Monokulturen entsteht. Es ist ein Baustein für eine Perspektive, die Landwirten zeigt, neben der Lebensmittelproduktion gibt es weitere Perspektiven für die Landwirtschaft, die sie als Einkommensquelle nutzen können und da glaub ich, dass in Zukunft auch das Thema Energie, respektive Straßenbau, eine Möglichkeit ist.

    Seitens der Asphaltfirma spricht nichts dagegen, Raps auch in Autobahnen und Bundesstraßen einzubauen. Und im Umweltministerium zeigt man sich aufgeschlossen:

    Wenn sich das weiter positiv entwickelt, dann haben wir in der Tat eine Alternative, die sich auch für Bundesstraßen und Autobahnen einsetzen lässt, aber das wird dann ein anderes Ministerium zu entscheiden haben, ob das möglich ist.

    Das Interesse am Rapsasphalt wächst, deutschlandweit, versichert Betriebsleiter Wolfgang Jahn:

    In Bayern passiert auch schon einiges. Es wird auch in diesem Jahr schon Probestrecken in Nordrhein-Westfalen und im Saarland geben und natürlich haben wir Hoffnung, dass es weitergeht und irgendwann hoffen wir, dass der Bund vielleicht sogar irgendwelche Anordnungen trifft.