Donnerstag, 16. Mai 2024

Kommunalwahlen in der Türkei
Auch ein Stimmungstest für Präsident Erdogan

In der Türkei finden heute Kommunalwahlen statt. Rund 61 Millionen Menschen sind aufgerufen, Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker in 81 Provinzen zu bestimmen. Im Fokus steht die Stadt Istanbul, die die islamisch-konservative AKP von Präsident Erdogan vor fünf Jahren an die Opposition verloren hatte. 

31.03.2024
    Wahlplakate an einer Hauswand in Istanbul mit dem AKP-Kandidaten Murat Kurum und Staatspräsident Erdogan
    Wahlplakate in Istanbul mit dem AKP-Kandidaten Murat Kurum und Staatspräsident Erdogan (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Tolga Ildun)
    Istanbul ist die bevölkerungsreichste und wirtschaftlich wichtigste Stadt des Landes. Sie wird derzeit von Erdogans größtem politischen Gegner regiert: Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der Oppositionspartei CHP. Der AKP-Kandidat für Istanbul ist Murat Kurum, der ehemalige Umweltminister. Aus Sicht vieler gilt er als Strohmann des Präsidenten. Umfragen sagen ein knappes Rennen voraus zwischen Kurum und Imamoglu. Imamoglu, seit fünf Jahren als Bürgermeister im Amt, gilt außerdem als einziger aussichtsreicher Herausforderer Erdogans bei einer künftigen Präsidentschaftswahl. 
    Das sieht auch Henrik Meyer von der Friedrich-Ebert-Stiftung so. Er sagte im Deutschlandfunk, der Wahlausgang in Istanbul habe große Bedeutung. "Wenn Imamoglu für die CHP gewinnt, könnte er tatsächlich Herausforderer bei der nächsten Präsidentschaftswahl werden." Insgesamt seien die Kommunalwahlen in der Türkei besonders wichtig, sagt Meyer. Die Demokratie dort stehe unter Druck, und Wahlen insgesamt seien ein letztes Mittel, um sich demokratisch zu äußern. Zwar sei die letzte Präsidentschaftswahl als frei eingestuft worden, fair sei sie aber nicht gewesen.

    Erdogan und das Verhältnis zu Istanbul

    Für Erdogan ist Istanbul eine besondere Stadt. Dort erlebte er seinen politischen Aufstieg als Bürgermeister, bevor er 2003 Ministerpräsident des Landes und 2014 Staatspräsident wurde. Istanbul ist aber auch Schauplatz der größten Niederlage seiner politischen Karriere. Gemeinsam mit Ankara und Izmir ging Istanbul bei den Kommunalwahlen 2019 nach mehr als 25 Jahren unter der Regierung der AKP und ihrer islamisch-konservativen Vorgänger an die sozialdemokratische Partei CHP. Die AKP annullierte die Wahl - bei der Wiederholung gewann die Opposition mit noch größerem Abstand. Damals sahen viele den Anfang vom Ende der Ära Erdogan. Doch sein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2023 begrub diese Hoffnung größtenteils.

    Unterschiedlicher Umgang mit Themen im Wahlkampf

    Überschattet werden die Kommunalwahlen vor allem von der Wirtschaftskrise und dem Thema Erdbeben. Das Land hat eine Inflation von über 67 Prozent und die Landeswährung verliert immer weiter an Wert, was zu einer dramatischen Verarmung der Menschen führt. Erdogan verspricht auf den Wahlkampfveranstaltungen immer wieder eine Besserung der wirtschaftlichen Lage. Zudem warnte er auch davor, dass es keine Hilfen bei Erdbeben für Städte geben könnte, die nicht von seiner Partei regiert werden. Die Opposition versuche dagegen, die kommunalen Themen in den Vordergrund zu stellen, sagte Hendrik Meyer.

    Erdogans letzte Wahlen?

    Vor einigen Wochen kündigte Erdogan an, die Wahlen nun seien seine letzten - laut Beobachtern der Versuch, AKP-Wähler emotional zu gewinnen. Der Politikanalyst Murat Yetkin erwartet das Gegenteil: Durch einen Sieg Kurums in Istanbul würden die Kontrollmechanismen in der Exekutive weiter geschwächt, "und das führt zu einer weiteren Kandidatur Erdogans."
    Diese Nachricht wurde am 31.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.