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Auch Flipper zeigt Kultur

Biologie. - Der abstrakte Begriff "Kultur" wurde stets unterschiedlich definiert. Doch immer waren Tiere davon ausgeschlossen. Erschüttert wurde dann diese Annahme durch die Erkenntnis, dass etwa Schimpansen Werkzeuge benutzen können. Jetzt melden Biologen, dass auch Delfine geistig mithalten können.

Von Arndt Reuning |
    Spätestens seit Flipper hätte man sich Gedanken darüber machen müssen, zu was die Meeressäuger alles im Stande sind. Dennoch staunten Forscher vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich nicht schlecht, als sie sahen, was die Tiere mit Schwämmen anstellten, berichtet Michael Krützen, Mitarbeiter des Instituts:

    "Wir konnten feststellen, dass die Delfine marine Schwämme als Werkzeuge zur Futtersuche benutzen. Als wir darauf stießen, stellte sich sofort die Frage, ob es sich dabei um eine materielle Kultur wie bei Menschenaffen handeln könnte."

    Einige Tiere aus der Population, schildert Krützen, trugen die Schwämme wie Handschuhe auf der Schnauze und gruben damit am Meeresgrund nach Futter. Offenbar, so schlossen die Wissenschaftler, nutzten die pfiffigen Exemplare die weichen Überzieher, um ihre empfindliche Haut beim Graben im Sediment vor Steinfischen und Seeigeln zu schützen. Doch das Verwenden von Werkzeug alleine verschafft Delfinen noch keine eigene Kultur.

    "Erstmals konnten wir nach eingehenden Untersuchungen zeigen, dass dabei genetische Erklärungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind. Gäbe es ein solches Gen, das dieses auffallende Verhalten verursacht, wie würde es sich dann innerhalb von Familien ausbreiten und wie würde es in der gesamten Population vorhanden sein?"

    Also verglichen Krützen und seine Kollegen ihre hypothetischen Annahmen zum "Schwamm-Gen" mit den tatsächlichen Ergebnissen der genetischen Analysen und kamen zu dem Schluss, dass die eigentümliche Verwendung von Schwämmen nicht einfach im Erbgut fest einprogrammiert ist, sondern erarbeitet und durch Imitation erlernt wurde. Damit aber erfüllen die Tiere eine wesentliche Forderung des Kulturbegriffes. Wenig schmeichelhaft für die männlichen Vertreter: vor allem Weibchen imponierten durch ihre Schwammtechnik bei der Futtersuche.

    "Wir stellen generell fest, dass die weiblichen Vertreter - beim Menschen wie auch im Tierreich - häufig die innovativeren sind. Wir vermuten, dass dies damit zu tun hat, dass die Männchen, sobald sie erwachsen sind, einfach nicht mehr soviel Zeit auf die Futtersuche verwenden können."

    Denn die Herren unter den Delfinen, so Michael Krützen, seien eben zu sehr mit der Balz beschäftigt, um Weibchen zur Paarung zu bewegen. Daher sei das anstrengende Erlernen der Futtersuche mit Hilfsmitteln nicht von Gewinn bringendem Vorteil für die Männchen. Dass nach den uns relativ nahe stehenden Menschenaffen auch die weniger verwandten Meeressäuger nicht ganz so tumb sind, wie bislang vermutet wurde, zeige, dass es Zeit werde, die Sonderstellung des Menschen etwas zu revidieren, meint Krützen.

    ""Mich fasziniert an der Thematik, dass wir Menschen durch solche Erkenntnisse nach und nach von unserem Sockel herunter geschubst werden. Wir entdecken, dass nicht nur Tiere Werkzeuge benutzen, sondern tatsächlich auch Kultur besitzen - und das eben nicht nur bei unseren nächsten Verwandten, sondern eben auch bei Bewohnern einer völlig anderen Umgebung. "