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Auf dem Weg in eine CO2-neutrale Wirtschaft

CDP ist die Abkürzung für englisch "Carbon Disclosure Project", eine Investorengruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mehr Transparenz bei CO2-Emissionen von Unternehmen zu erreichen. Auf ihrer Jahreskonferenz hat sie über Konsequenzen der beschlossenen Energiewende beraten.

Von Michael Braun | 17.10.2011
    Der Weg zur CO2-neutralen Wirtschaft ist noch weit, und die Finanzkrise macht ihn noch weiter. Das weiß Caspar von Blomberg, der Geschäftsführer des Carbon Disclosure Projects Europe aus der ersten Phase der Finanzkrise von vor drei, vier Jahren:

    "Die erste Finanzkrise hat eine Konjunkturkrise ausgelöst, die sich natürlich widergespiegelt hat, auch in einem etwas geringeren Klimabewusstsein, weil Klimabewusstsein ja auch immer mit sich bringt Investitionsbereitschaft. Die ist zurückgegangen seitens der Unternehmen. Jetzt aktuell, in der zweiten Welle, sehen wir, dass die Schwierigkeiten schärfer werden, dass der Staat Anschubhilfen gibt, subventionsseitig, regulierungsseitig, weil er beschäftigt ist, einfach auch im Kopf kapazitativ beschäftigt ist mit ganz dringenden Problemen, die feuerwehrartig gelöscht werden müssen. Bei dem Klimawandel handelt es sich um ein langfristiges Problem, was man nicht so evident vor Augen sieht. Und deswegen schiebt man das eben gerne ein bisschen weiter voraus."

    Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Im neuen Jahresbericht des Carbon Disclosure Projects wird über die regelmäßige Umfrage bei großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland und Österreich berichtet. Voriges Jahr gaben nur zwölf Prozent der Unternehmen an, das Thema Klimawandel sei nicht Teil ihrer Geschäftsstrategie. Dieses Jahr bekundeten 28 Prozent, der Klimawandel beschäftige sie nicht.

    Stark bleibt allerdings die politische Arbeit der Unternehmen, vor allem bei den großen. 87 Prozent der Unternehmen sagen, sie seien politisch engagiert, wenn es um das Thema Klimawandel gehe. Bei den kleineren Unternehmen des S-DAX fällt die Quote mit 26 Prozent markant geringer aus. Die Großen machen also Druck. Und sie tun das offenbar, weil die Kosten im Kampf gegen den Klimawandel sie drücken. Und weil technische Lösungen schlicht noch nicht oder eben nicht zu finanzierbaren Bedingungen da sind. Caspar von Blomberg:

    "Nehmen Sie Stahlunternehmen, nehmen Sie Papierhersteller, nehmen Sie die Luftfahrtindustrie – für diese Bereiche haben wir heute noch keine technologische Lösung für CO2-Neutralität."

    Immerhin sieht etwa die Stahlindustrie die Energiewende und die Kosten der CO2-Emissionen auch als Chance an. Heinrich Hiesinger, der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, teilte mit, das Unternehmen erwirtschafte mittlerweile den größten Teil seines Umsatzes nicht mehr mit Stahl. Das solle so weitergehen:

    "Wir verstehen uns als herausragende Ingenieure. Natürlich nicht in allen Feldern, sondern in den Feldern, in denen wir extrem gut sind. Das ist das Thema Materialien, mechanische Komponenten und das ist natürlich das Thema Anlagenbau. Und mit diesem Verständnis sind wir also in der Lage, den Mehrbedarf in allen Dimensionen auf eine bessere, auf eine intelligentere Art und Weise, auf eine umweltschonende Art und Weise zu bedienen."

    Freilich: Auch wenn nur 40 Prozent des Umsatzes auf Stahl entfallen, so produziert dieser Bereich gleichwohl 90 Prozent der CO2-Emissionen des Konzerns. Hiesinger mahnte freilich auch, den Bogen in Europa und Deutschland nicht zu überspannen. Deutschland sei trotz seiner lebendigen Industrielandschaft nur für vier Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Hier sei es gelungen, mit dem Ausbau alternativer Energien auch deren Anteil am Energieaufwand auf zehn Prozent zu steigern. China und Indien hätten zwar auch ihre Kapazitäten an nachhaltiger Energie deutlich erweitert. Der prozentuale Anteil sei aber gesunken. Soll heißen: Schärfere Vorschriften hier träfen den Falschen und bewirkten wenig. Die Industrie scheint willig, den Klimawandel zu stützen, aber nicht um den Preis der eigenen Existenz, schon gar nicht in der Krise.