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Auf halbem Weg nach Mexico City

Klima. - Im Dezember treffen sich die Klimapolitiker der Welt erneut, um einen Anlauf zur Eindämmung der Kohlendioxidemissionen zu nehmen. Auf einer Etappen-Tagung in Bonn wurde der aktuelle Sachstand nach der weitgehend gescheiterten Klimakonferenz in Kopenhagen ermittelt.

Von Volker Mrasek | 28.05.2010
    "It’s actually very difficult."

    "That sounded like a question from Mars."

    Am Anfang kämpfte Ivo de Boer mit technischen Problemen, als er sich jetzt in Bonn zu den Erwartungen an die kommenden Klimaverhandlungen äußerte. Es klingt ja fast so, als kämen die Fragen vom Mars, scherzte der Chef des Klima-Sekretariates der Vereinten Nationen, als erste Zuschaltungen nicht klappten. Doch sehr schnell kam de Boer dann wieder auf ganz irdische Probleme zu sprechen. Darauf, daß Anspruch und Wirklichkeit nach dem Klimagipfel von Kopenhagen im Dezember auseinanderklaffen:

    "In Kopenhagen wurde vereinbart, daß die globale Erwärmung zwei Grad Celsius nicht übersteigen soll. Die bisherigen Vorschläge der Industrieländer zur Reduzierung ihrer Treibhausgas-Emissionen genügen aber nicht, um dieses Ziel zu erreichen."

    Der Gipfel in Dänemark endete nicht etwa mit einem neuen Vertrag für die Zeit nach dem Kyoto-Klimaschutzprotokoll, das 2012 ausläuft. Stattdessen gab es nur eine unverbindliche Absichtserklärung, die sogenannte Kopenhagen-Übereinkunft. Sie sieht vor, daß Industrie- und Schwellenländer individuelle Reduktionsziele vorschlagen und sie dem Klimasekretariat übermitteln. De Boer:

    "Ursprünglich standen nur drei Dutzend Länder hinter der Kopenhagen-Übereinkunft. Inzwischen sind es 120, die sich angeschlossen haben."

    Wie groß die Lücke ist zwischen den Angeboten zur Emissionsminderung und dem Erreichen des Zwei-Grad-Zieles, das hat die Niederländische Umweltagentur jetzt ermittelt, im Auftrag der EU-Kommission. Pünktlich zum Beginn der neuen Verhandlungsrunde in Bonn legt sie ihre neue Analyse vor. Hauptautor ist der Mathematiker Michel den Elzen:

    "Nach den bisher vorliegenden Reduktionsangeboten werden die globalen Kohlendioxid-Emissionen im Jahr 2020 bei 49 Milliarden Tonnen liegen. Das ist zu viel, um das Zwei-Grad-Ziel zu schaffen. Dafür müssten es nach aktuellen Studien drei bis fünf Milliarden Tonnen weniger sein."

    In ihrer Studie unterbreiten die Autoren auch gleich Vorschläge, wie sich die Lücke schließen lassen könnte:

    "China und Indien haben beide eine ehrgeizige nationale Klimaschutzpolitik beschlossen. Doch ihre Angebote in den Verhandlungen sind viel mickriger. Da ist also noch Spielraum. Zusätzliche Erfolge könnte man erzielen, indem die Abholzung von Wäldern bis 2020 halbiert wird. Und indem man auch Maßnahmen für den Flugverkehr und die Schifffahrt einführt. Wenn dann auch die Industrieländer ihre Reduktionsangebote noch einmal nachbessern, könnte man das Zwei-Grad-Ziel am Ende erreichen."

    Es gibt aber noch große Unwägbarkeiten. So knüpfen viele Staaten stärkere Emissionsminderungen an die Bedingung, daß die anderen in gleichem Umfang mitziehen. Zünglein an der Waage sind noch immer die USA. Den Elzen:

    "In den USA hängt alles vom Senat ab und ob er das neue nationale Klimagesetz absegnet. Wenn nicht, dann werden die USA nur niedrige eigene Reduktionsziele anbieten. Dann besteht die Gefahr, daß auch andere Länder sich von ihren ambitionierten Vorschlägen verabschieden und die CO2-Reduktion insgesamt viel schwächer ausfällt."

    Bei den Bonner Verhandlungen in den nächsten Tagen wird weiterhin alles um die Kopenhagen-Übereinkunft kreisen. Es gibt zwar noch Widerstand einzelner Länder. Doch so wie es aussieht, könnte das Konzept der selbst vorgeschlagenen Reduktionsziele zur Basis für den Entwurf eines neuen Klimaschutzvertrages werden.