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Auf Schachttiefe Null

März 1984. Maggie Thatcher hatte gerade den Falkland-Krieg gewonnen, da kündigte sich die nächste Schlacht an. Nur fand sie diesmal auf englischem Boden statt - der Gegner befand sich im Innern: "The enemy within". So bezeichnete Englands Premierministerin Englands Bergleute. Als sie ihnen am 1. März 1984 die erste von zunächst über zwanzig Zechenschließungen verkündete, wirkte das in Yorkshire, dem rauen Landstrich nördlich von Sheffield, wie eine Kriegserklärung. Und schnell gab es dazu die passenden Bilder: Barrikaden, blutende Kumpel und knüppelnde Polizisten. Der große Streik, der sich immer mehr zum Klassenkampf entwickelte, dauerte über ein Jahr, forderte über tausend Verletzte, und zwei Todesopfer.

Eine Sendung von Kirsten Zesewitz. Redakteurin am Mikrofon: Barbara Schmidt-Mattern |
    "84/85", die verkürzte Jahresangabe, ist bis heute eine Art Codewort für die Ereignisse von damals. Wo früher eine Million Kumpel Arbeit fanden, sind heute noch ein paar tausend Mann in den Gruben beschäftigt. Zum Beispiel in der Zeche Hay Royds unweit von Barnsley. Ein erster Abstecher unter Tage…

    Mit Andy Burkinshore unter Tage…

    Die Zeche von Hay Royds, 11 Uhr morgens. Andy Burkinshore hat es sich auf einem Grubenwagen gemütlich gemacht. Hinter ihm rumpelt das Förderband, in unermüdlichem Rhythmus bringt es die Kohle ans Tageslicht. Andy Burkinshore packt seine Thermosflasche aus, eine Banane, Brot.

    Wie die meisten hier, fing der 54-Jährige als Teenager in der heimatlichen Grube an, arbeitete sich hoch zum Bergbauingenieur. Burkinshore gießt Tee ein, beißt in sein Butterbrot. Eine richtige Pause gibt es nicht unter Tage, sagt er. Die Produktion muss ja weiter gehen.

    " Ich habe immer Ochsenzunge, Ochsenzunge mit Salat. Wenn Ihre Hände schmutzig sind, halten Sie das Sandwich am besten mit einem Stück Folie fest. So. Oder Sie essen bloß 80 Prozent davon und werfen den Rest weg. Die Mäuse freuen sich drüber. "

    Die Mäuse kamen mit den Pferden in die Zeche. Damals, als die Grubenwagen von Pferden gezogen wurden und die Tiere in Ställen unter Tage lebten. Andy Burkinshore kann sich gut daran erinnern: Das ganze Jahr über lebten sie in der Dunkelheit, nur an Ostern, wenn die Produktion für ein paar Tage stoppte, durften sie ans Licht. Grubenpferde gibt es seit 30 Jahren nicht mehr, sagt Burkinshore.
    Er wickelt den Rest seines Butterbrotes ein, die Pause ist zu Ende.

    1979 kamen die Torys in Großbritannien an die Macht. Schon kurz darauf versuchten sie zum ersten Mal, die massenhafte Schließung von Stahlwerken und Zechen durchzusetzen - und unterlagen zunächst. Bis 1983 hatte Großbritannien indes solche Kohle-Vorräte angehäuft, dass die Regierung den nächsten Anlauf unternahm: Mindestens 20 Zechen sollten dicht machen, 20 tausend Arbeitsplätze standen auf dem Spiel. Namen wie Barnsley oder Grimethorpe, die einst Synonyme waren für die mächtige britische Industrie-Kultur, stehen heute für das große Zechensterben im Norden Englands. Dort, wo die Working Class zuhause ist. Arthur Scargill war damals in den Achtzigern ihr Mann, genannt "König Kohle". Als Chef der mächtigen Bergarbeiter-Gewerkschaft NUM hielt Scargill alle Fäden in der Hand und war Maggie Thatchers sozialistisches Pendant. Keine Kompromisse, lautete seine Devise, schließlich brate man ja in der Hölle auch keine Schneebälle.

    Bewaffnet mit ähnlich kriegerischer Rhetorik wie Maggie Thatcher, forderte Arthur Scargill mitten im Streik-Sommer 1984 23 Prozent mehr Lohn und die "unverzügliche Einstellung" von 25 tausend Mann für den Ausbau der Kohle-Industrie. Maggie Thatcher hatte indes genau das Gegenteil im Sinn: Eine radikale Modernisierungs-Kur für den kranken Mann Europas. Privatisierung und Liberalisierung - das waren ihre Waffen, und die Gewerkschaften ihr Feind. Immer montags berief die Eiserne Lady in London ihr so genanntes "Kriegs-Kabinett Kohle" ein und schlug den Arbeitskämpfern die Tür vor der Nase zu: Schluss mit Bier und belegten Broten.

    Anfang 1985 war der Willen der Kumpel gebrochen, der Streik endete mit ihrer bedingungslosen Kapitulation. Geblieben sind die Feindbilder von damals: Neben den scabs, den Streikbrechern von Nottingham sind das Maggie Thatcher und Ian Mac Gregor, ehemals Chef der Staatlichen Kohlenbehörde. Sein Name fällt heute noch, zum Beispiel im Bay Horse Inn, mitten in Hatfield, im Herzen von Yorkshire.


    Mick Mulligan in seinem Lieblingspub

    Rosina Friar ist eine freundliche, gemütliche Frau. Wenn sie den Zapfhahn herunterdrückt, baumeln ihre goldenen Ohrringe lustig an den Ohrläppchen, die kurzen Haare hat Rosina mit blonden Strähnchen aufgepeppt.

    Rosina geht in die Küche, nimmt den Braten aus dem Ofen, schaut, ob alles in Ordnung ist bei Gwen und Marlene, ihren Küchenhilfen. Auf dem Rückweg nimmt sie zwei Teller mit: Nierenpastete mit Bratkartoffeln und fettiger Gravy-Sauce - ein typisches Pub-Gericht.

    Er mache eine fettlose Diät, scherzt ein älterer Mann, aber die gute Pastete könne er ja wohl nicht ablehnen. Es sind fast ausschließlich Einheimische, die die plüschigen roten Polsterbänke bevölkern.

    " Die meisten Leute kommen richtig zum Essen her. Naja, einige Männer wollen auch einfach nur ein Bier trinken, zwei oder drei halbe Pints am Nachmittag... Ich kann Ihnen die Namen aller meiner Gäste nennen. Ich kenne sie alle sehr gut, weiß, wo sie arbeiten, wie es ihnen geht. "

    Ihr ganzes Leben habe sie zwischen Küche und Tresen verbracht, erzählt Rosina. Die älteren Gäste kennt die 57-Jährige seit ihrer Kindheit, ihre Eltern besaßen das Pub nebenan. Damals sei alles einfacher gewesen, sagt Rosina. Hatfield Colliery war eine Gewinn bringende Grube, und so machten Rosinas Eltern 80 Prozent ihres Umsatzes mit den Bergleuten.

    " In der Bar waren eigentlich nur Bergleute. Sie arbeiteten hart, gaben buchstäblich ihr ganzes Geld im Pub aus. Naja, es gab diese alte Redensart, dass die Bergleute eh nur drei Tage die Woche arbeiteten. Montags gingen sie aus Prinzip nicht und wenn sie am Freitag in die Grube gingen, dann nur bis mittags. Dann kamen sie ins Pub, spielten Domino und Darts. "

    Ein hagerer Mann in Jeans und Pullover betritt das Pub. Mick Mulligan bestellt ein Bier, trägt es an einen Tisch in der Ecke, weit entfernt von den anderen Männern, die im Nebenraum Domino spielen. Er kenne sie nicht, das seien keine Bergleute, wahrscheinlich Zugezogene.

    " Früher hat jeder hier im Dorf in der Grube gearbeitet. Ein Teil unseres Lohnes ging automatisch in die Sozialkasse. Der Bergarbeiter-Club wurde zum Beispiel davon betrieben. Aber den haben sie nach dem Streik abgerissen, das Grundstück steht zum Verkauf. Das Schwimmbad, das die Kumpel gebaut hatten, der Bowling-Rasen, der Tennisplatz, alles weg. Es gibt kein Gemeinschaftsgefühl mehr seit die Grube zu ist. "

    Mick Mulligan war einer der letzten, die Hatfield Colliery verließen. Als die Grube 1993 geschlossen wurde, lehnte er die Entschädigung ab und ließ sich in das damals hochmoderne Kohlegebiet von Selby, 30 Kilometer entfernt, verlegen.

    Wofür hätten sie denn damals gekämpft, 84/85? Wenn nicht für die Jobs? Mick Mulligan kratzt sich am Kopf, ein spitzbübisches Lächeln huscht um seinen Mund. Nun ja, ein bisschen Spaß hätten sie ja auch gehabt.

    " Sie müssen sich das so vorstellen: Wir waren vielleicht 15 Männer, alles streikende Bergleute, die um ihr Leben rannten. Dann war da diese Lady, die im Garten Wäsche aufhängte, im Mund die Wäscheklammern. Sie nahm sie raus und schrie: Ich hole die Polizei! Mach Dir keine Sorgen, Darling, rief einer meiner Freunde, sie sind direkt hinter uns, auf Pferden! Heute ist das lustig. Damals war uns nicht nach Lachen zumute. "

    Mick Mulligan trinkt einen Schluck Bier, wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.

    " Thatcher wird von allen hier gehasst. Sie war es, die den großen Streik 84/85 anzettelte, sie war es, die Ian McGregor holte, um die Kohleindustrie zu zermetzeln. Aber wenn sie erst einmal tot ist, am Samstag danach, da machen wir eine große Party auf dem Trafalgar Square. "

    Am Nachbartisch schüttelt eine ältere Frau energisch mit dem Kopf. Auf ihrem Teller liegt ein Rest Kaninchenpastete, zerknautschte Silberfolie, die Backkartoffel ist bereits aufgegessen. Es tue ihr weh, wenn jemand so über Maggie Thatcher rede, sagt Mary Moore. Schließlich habe sie das Land vor der Anarchie bewahrt. Die Gewerkschaften seien Ende der 70er Jahre die Geißel Britanniens gewesen, jeden Monat hätten sie Streiks angezettelt.

    " Mein Mann leitete damals eine Fabrik. Eines Tages wurde nach Schichtende eine Ladung Stahl angeliefert. Der Nachtwächter rief an und sagte, er könne für ihre Sicherheit nicht garantieren. Also fuhr mein Mann zur Fabrik und brachte den Stahl in die Halle. Am nächsten Tag hatte er einen Streik! Nur weil er kein von der Gewerkschaft genehmigter Gabelstaplerfahrer war. So war das damals. Und als dann die Fabrik geschlossen werden sollte, konnte mein Mann das gar nicht verstehen. Er hatte Aufträge für zwei Jahre! Wissen Sie, was ihm der Konzernchef antwortete? Fragen Sie Arthur Scargill, Sie sind in Scargill-Land, mein Lieber! "

    Mary Moore nestelt an ihrer Perlenkette. Mit einer Handbewegung zupft sie ihre Bluse zurecht. Dann hat sie sich wieder gefasst, sitzt aufrecht, die Hände auf den Tisch gelegt. Sie verstehe nicht, warum sich die Bergleute immer noch als Opfer darstellen würden: Die meisten hätten üppige Abfindungen bekommen. Und nun lebten sie von der Sozialhilfe.

    " Jede Woche werden in der Zeitung Jobs angeboten. Die Blätter sind voll davon. Es gibt absolut keine Rechtfertigung für einen gesunden Menschen, arbeitslos zu sein. Dieses Pub hier braucht Küchenpersonal. Aber sie finden niemanden. Geschäfte schließen, weil sie keine Leute kriegen und Haushaltshilfen sind auch schwer zu finden. "

    Rosina Friar hat die Unterhaltung mit einem amüsierten Lächeln verfolgt. Nun räumt sie den Tisch ab, rückt Salz- und Pfefferstreuer zurecht. In den letzten 25 Jahren habe sie sich angewöhnt, die Sorgen und Meinungen ihrer Kunden anzuhören - ihre eigenen Ansichten behält sie allerdings für sich. Besonders wenn es um den Bergarbeiterstreik geht.

    " Man musste vorsichtig sein, mit dem, was man sagte. Die meisten meiner Kunden waren Bergleute damals. Wir zum Beispiel waren nicht einverstanden mit dem, was Arthur Scargill machte. Eigentlich war er das Schlimmste, was den Bergleuten passieren konnte. Aber das hätte ich niemals so sagen können. Man hätte mir die Fenster eingeworfen oder sowas, es passierten schlimme Dinge damals. "

    Das Zechensterben im englischen Norden und die sozialen Folgen haben in den neunziger Jahren auch Großbritanniens Filmemacher beschäftigt. The Full Monty, auf deutsch Ganz oder gar nicht, beschreibt nicht ohne Augenzwinkern den Werdegang von sechs arbeitslos gewordenen Stahlarbeitern in Sheffield. Ein Stück weiter nördlich im Städtchen Hatfield drehte Mark Hermann 1996 Brassed Off, mit dem er den englischen Gruben-Bands ein Denkmal setzte. Entstanden waren sie schon Mitte des 19. Jahrhunderts, im Industrialisierungs-Fieber der Viktorianischen Ära. Da sollten die Brass Bands, die Blaskapellen, eine Abwechslung zum dreckigen, eintönigen Leben unter Tage bieten. Bis heute gibt es jährliche Wettbewerbe mit großem Finale in London. Früher war die Band ein reiner Männerverein; das kann man sich heute kaum mehr leisten, weil es immer weniger Bergarbeiter gibt. So auch in Hatfield: Die Grube dort wurde erstmals 1993 geschlossen, zwischenzeitlich kurz wiedereröffnet, und ist seit 2004 nun endgültig dicht - da wurden noch einmal 205 Kumpel auf die Straße gesetzt. Während des großen Streiks in den Achtzigern spielte die Band tapfer weiter, fuhr nach London und nahm sowohl an Protest- als auch an Blasmusikmärschen teil.

    Bis heute hat die Brass Band von Hatfield Namen und Banner der Grube behalten. Aber sie muss sich anders als früher inzwischen selbst finanzieren, und so bläst man auch auf Hochzeiten und Dorffesten. Nachwuchsprobleme gibt es nicht, nur die Klientel hat sich geändert: Heute spielen in den alten Gruben-Bands auch Studenten und Abiturienten mit.

    Brass Band

    Freitagabend, kurz vor 20 Uhr, im Gemeindehaus von Hatfield. Die Mitglieder der Brass Band suchen im engen Halbrund von Notenständern und Stühlen ihre Plätze, über dem Klavier hängt ein Gemälde der Queen. Früher haben sie drüben auf dem Grubengelände geprobt, im Clubraum der Bergarbeiter.

    Ganz vorn, direkt neben dem Dirigentenpult sitzt Becky Nixon. Sie hat kurze, dunkle Strubbelhaare, eine randlose Brille. Becky spielt Flügelhorn. Während Sie ihr Instrument auspackt, kommt Graham O`Connor, der Leiter des Orchesters. Ein kurzes Hallo in die Runde, Graham platziert seine Noten auf dem Ständer, dann geht es los.
    Vor 60 Jahren, als die Grubenband gegründet wurde, galten zwei Regeln: Erstens, jeder Kumpel zahlte einen Penny vom Wochenlohn in die Bandkasse ein. Zweitens: Es durfte nur im Orchester spielen, wer mindestens einen Familienangehörigen in der Zeche hatte. Diese Regeln sind inzwischen hinfällig geworden: Hatfield Colliery gibt es nicht mehr.

    In der Band findet man allerdings nur noch wenige, die das öffentlich beklagen würden: Die Grube ist tot, lautet die einhellige Meinung - aber die Blasmusik bleibt.

    " Es kommen immer mehr Leute zu uns, die überhaupt keine Beziehung zur Zeche haben. Sie wissen nichts über die Geschichte der Band. Alles, was sie wissen, haben sie aus Filmen wie "Brassed Off" gelernt, der in Hatfield gedreht wurde. Sie sind zu jung, um den Streik und das alles miterlebt zu haben. Wir sind vielleicht noch ein halbes Dutzend Leute, die eine Verbindung zur Grube haben. "
    So richtig zufrieden ist Graham O`Connor nicht, er will noch ein anderes Stück versuchen. Während die Spieler nach ihren Noten suchen, kommt ein junger Mann in den Raum. Er wirkt abgehetzt, sein Gesicht ist rot von der Kälte. Unauffällig will sich der Junge auf seinen Platz setzen, doch Graham kennt keine Gnade: Ob er sich schon wieder verlaufen habe, will der Dirigent wissen. Das zweite Mal zu spät im neuen Jahr - heißt zehn Pfund in die Kasse des Orchesters.

    Musik, dann Graham: who's got this? tatitata...
    Graham wird ungeduldig. Wieder hat ein Spieler den Einsatz verpasst. Die Partie ist eines jener ungeliebten Übungsstücke, die die Band beim Orchesterwettbewerb vortragen muss. Becky nutzt die Unterbrechung: Pustet das Mundstück ihres Flügelhorns durch, lockert die Schultern.

    Becky weiß, dass Graham so streng sein muss. Schließlich geht es um nichts Geringeres als den Titel "National Brass Band Champion of Great Britain". Momentan übt die Band für die regionale Vorausscheidung im März, dann kommt das Halbfinale. Einfach wird das nicht, gegen Profi-Bands wie Grimethorpe, die durch den Kinoerfolg von "Brassed Off" berühmt wurde. Das Ziel jeder Brass Band ist jedoch London: die Royal Albert Hall.
    " Im Jahr 2000 haben wir es bis ins Finale geschafft. Monatelang hatten wir geübt und dann saßen wir in der Royal Albert Hall - unglaublich! Absolut großartig, wirklich so, wie sie es in "Brassed Off" zeigen! Eine Erfahrung, die ich niemals vergessen werde. London ist der größte Wettbewerb überhaupt, das ist das, wovon jeder Blasmusiker träumt! Ich erinnere mich, wie wir auf die Bühne gingen. Der Dirigent wartete an seinem Pult, es dauerte eine Weile, bis wir alle saßen. Aber als wir dann zu spielen anfingen, schien der Ton im Raum zu schweben. Es war einfach großartig. "

    Diesmal ist Graham zufrieden. Er kündigt für den folgenden Montag eine Orchestersitzung im "Goldmine" an, einem Pub im Nachbarort. Einen Probenplan wolle er aufstellen, für die Zeit bis zum Wettbewerb.
    Damit ist die Probe offiziell zu Ende. Während die Spieler ihre Instrumente verstauen, erinnert Margret, eine Art Bandsekretärin, noch einmal an die Zahlung der Beiträge. Becky und Graham sind allerdings schon auf dem Weg nach draußen: ins Pub.

    Der Niedergang der englischen Kohle-Industrie hat dem Image des Nordens nicht gut getan; einen besonderen Ruf hatte die Gegend eh nie: Der besser gestellte Süden des Inselreiches verbindet mit Yorkshire und Umgebung trostlose, verarmte Dörfer, Sozialwohnungen und eintönige Industriebrachen. Des weiteren: Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Drogenmissbrauch. In dieser Gegend leben nicht wenige Menschen, die noch immer der so genannten "Volksrepublik Süd-Yorkshire" nachtrauern und die Margaret Thatcher bis heute Hassgefühle entgegenbringen: Hunderttausende von Jobs habe sie auf dem Gewissen. Wegen ihr seien ganze Gegenden verarmt, Familien zerstört. Die Mehrheit im Revier glaubt außerdem fest daran, dass Großbritannien mit seiner Kohle heute besser da stünde als mit der Versorgung durch Gas und Atomenergie. Schätzungen zufolge lagern noch drei bis 400 Millionen Tonnen Kohle in der Region - das wäre genug, um das Vereinigte Königreich die nächsten 100 Jahre mit Energie zu versorgen.

    Dunscroft ist ein typisches Bergarbeiterdorf. Eine Siedlung, die in den zwanziger Jahren für die Kumpel der Zeche von Hatfield gebaut wurde. Dunscroft ist das Zuhause von Alan Robe und seiner Familie.

    Zuhause bei Alan Robe und seiner Familie

    Alan Robe setzt erst einmal Teewasser auf. Er schwenkt die Tassen unter fließendem Wasser. Am Unterarm lugt eine Tätowierung hervor: Elaine, Emma, David - die Vornamen seiner Familie.

    Vom Küchenfenster blickt Alan auf die Straße. Das Haus der Robes ist das letzte in der Reihe. Eine kniehohe Backsteinmauer trennt den Bürgersteig vom Vorgarten. Anstelle von Blumenbeeten stehen Autos auf dem Kies, eine Plastikmülltonne, der Grill vom Sommer.

    Eigentlich stammt er aus Newcastle, erzählt der 54-Jährige. Als die Zechen im Norden geschlossen wurden, sei er nach Yorkshire gekommen. Aber hier gebe es ja nun auch keine Bergwerke mehr. Alan arbeitet auf dem Bau. Bis nach Deutschland hat es ihn schon verschlagen: Dresden, Leipzig, Koblenz, gemeinsam mit Hunderten anderer englischer Bauarbeiter.

    " Am Montagmorgen, zwischen drei und sieben, verlassen zwei bis 3000 Leute ihre Bergarbeiterdörfer: Hatfield, Stainforth, Dunscroft, und wie sie alle heißen, um zur Arbeit zu fahren. Hoch nach Newcastle, runter nach London, nach Wales, wohin auch immer. Zurück kommen sie erst am Freitag. Ja, die Autobahnen sind voll am Montag und Freitag. "

    Ein junger Mann kommt ins Zimmer, das gleiche schüttere Haar wie Alan. Es ist David, der jüngste Sohn der Robes. Der 25-Jährige ist gerade mit seinem Studium fertig: Business Management an der Universität von Sheffield. Als erster Mann seiner Familie wird er nicht in die Fußstapfen des Vaters treten: Mit seinem Abschluss gehört David nach englischen Vorstellungen zur Mittelschicht. Von Klassentheorien hält er jedoch wenig.

    " Das Einzige, was ich durch meine Herkunft gelernt habe, ist die Ungerechtigkeit. Nehmen Sie den Bergarbeiterstreik: Die Kumpel wurden von der Regierung an den Pranger gestellt - und die Medien haben das Spiel mitgemacht. Das Land bekam einen völlig falschen Eindruck von den Bergleuten. Erst Mitte der 90er gab die BBC zu, einige Ereignisse falsch wiedergegeben zu haben. Deshalb sage ich: Was mir in Bezug auf meine Herkunft einfällt, ist die Ungerechtigkeit. "

    Alan kommt dazu. Strahlend stellt er eine Leninbüste auf den Tisch, an seiner Brust prangt eine goldene Anstecknadel: Ein Bergmann ist darauf zu sehen, eine Frau mit Kind und der Spruch: Vereint im Kampf. Ein echter Anstecker vom Bergarbeiterstreik, sagt Alan, limitierte Auflage. David runzelt die Stirn, der väterliche Klassenstolz scheint ihm doch etwas unangenehm zu sein:

    " Die Sache ist die: Früher war unser Haus voller Erinnerungsstücke. Wir Kinder fanden das irgendwann ziemlich antiquiert, also verbannten wir das Zeug auf den Dachboden. Wir haben zig Grubenlampen, Teller, Tassen und Bergarbeitervideos dort oben - aber sie sind alle verschlossen in einer Kiste. Und dort bleiben sie auch. "

    Amüsiert mustert Elaine ihren Sohn. Im Schneidersitz hockt sie auf dem Sofa, eine zierliche Frau mit kurzen Haaren und Brille. Während des Bergarbeiterstreiks, als Alan am Zechentor Wache schob, reiste Elaine quer durchs Land - um Geld zu sammeln für die streikenden Kumpel. Nun kann sie sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass sehr wohl noch eine Grubenlampe im Treppenfenster stehe. Folgsam geht David sie holen.

    Früher wurde mit solchen Lampen das Gas unter Tage gemessen. Elaines Lampe ist jedoch leer, ihr schlanker Glaszylinder verstaubt, der Messingfuß klappert. Es sei eine Schande, sagt David, aber er habe keine Ahnung, wie alt die Lampe sei. 100 Jahre vielleicht, genau wisse er das nicht.

    Alan rührt Zucker in seinen Tee: einen Löffel und dann noch einen. Wenn es noch welche gebe, würden die Kumpel natürlich zurück in die Zeche gehen. Aber dann müsste die Arbeit besser bezahlt sein. In Australien verdiene ein Bergmann 45 000 Pfund im Jahr. Und letztlich sei es doch egal, ob man Bergmann in China, Deutschland oder sonstwo sei: Bergmannsblut sei Bergmannsblut.

    David unterbricht ihn. Also das mit dem Bergmannsblut... Der junge Mann holt tief Luft: Sein Vater, Großvater und Onkel seien Bergleute gewesen - und trotzdem denke er nicht im Traum daran, auch nur in die Nähe einer Grube zu gehen.

    Elaine mischt sich ein, versucht zu vermitteln. Noch vor 20 Jahren sei jeder Sohn dem Vater in die Zeche gefolgt. Das sei Tradition gewesen, niemand hätte das ernsthaft in Frage gestellt.

    " Nur ganz wenige junge Leute hatten überhaupt die Möglichkeit, eine Uni zu besuchen. Die Mehrheit musste arbeiten gehen. Klar hast du Bergarbeiterblut in dir - aber du lebst in einer anderen Zeit. Die Zeche ist weg, du brauchst nicht einmal mehr darüber nachzudenken. "

    Elaine steht vom Sofa auf, ihre Teetasse in der Hand: Sie habe ihren Kindern die Möglichkeit geben wollen, einen Beruf zu ergreifen, der ihnen Spaß macht. Und an ihren Sohn gewandt: Du bist nie zu alt zum Lernen, merk dir das. Bildung ist alles, daran glaube ich.

    " Ich weiß, dass du das tust. Du hast immer gesagt, wenn Ihr was werden wollt im Leben, müsst Ihr studieren. Und trotzdem denke ich oft darüber nach, wo ich heute wäre, wenn die Dinge anders gekommen wären. Aber sicherlich nicht in der Zeche. "

    Yorkshire hat Erfahrung mit dem Widerstand: 1926 kam es hier zum ersten großen Generalstreik, den die Kumpels über Monate hinweg durchhielten. Streikgeld gab es weder damals noch später in den Achtzigern. 1973 fuhren Yorkshires Bergleute einen letzen richtigen Sieg ein, als sie den konservativen Premierminister Heath in die Knie zwangen: Der musste die Drei-Tage-Woche einführen und verlor anschließend die Neuwahlen. Bis in die achtziger Jahre hinein blieb Yorkshire mit seinen 43 Zechen das Herzstück der britischen Kohle-Industrie - danach ging es bergab: 1986 erreichte die Massenarbeitslosigkeit in Großbritannien einen ersten Höhepunkt mit über drei Millionen Arbeitslosen. Heute unterhält die Kohlegesellschaft UK Coal gerade noch vier Bergwerke, von denen zwei vor der Schließung stehen.

    Seitdem in Yorkshire eine Zeche nach der nächsten abstirbt, hat London Unmengen von Steuergeldern in die Region gepumpt. Trotzdem gibt es größtenteils nur Niedriglohn-Jobs für die ehemaligen Bergleute: Im Call Center, in der Lagerhalle, im Supermarkt. Damit trägt ausgerechnet der Norden zur relativ niedrigen britischen Arbeitslosenquote von nur 4,6 Prozent bei. Seit Jahren setzt New Labour auf diese Billig-Jobs und hat zugleich Mindestlöhne und Lohnzuschüsse eingeführt.

    Bob Taylor, ehemals Bergmann, heute Putzkraft, verdient jetzt fünf Pfund die Stunde, das ist weniger als die Hälfte im Vergleich zu früher. Auf dem Gelände seiner ehemaligen Grube steht heute ein Einkaufszentrum. Sein neuer Arbeitgeber sind die lokalen Verkehrsbetriebe in Rawmarsh, unweit der einstigen Kohle-Hochburg Barnsley.


    Bob Taylor: Putzen im Bus-Depot

    Bob Taylor hat gute Laune, als er an diesem Nachmittag das Busdepot von Rawmarsh betritt. Eine Begrüßung nach links, ein Zuruf nach rechts. Es ist 16 Uhr, Schichtbeginn für die Reinigungsmannschaft. Mit langen Schritten stapft Taylor durch die Halle, vorbei an Hebebühnen und Werkzeugtischen, geradewegs auf ein gläsernes Bürohäuschen zu. Es ist leer.

    Der Schichtleiter sei wohl nach Hause gegangen, scherzt Taylor und streift sich seine gelbe Leuchtweste über. Während er sich ins Dienstbuch einträgt, kommt eine junge Frau angelaufen, Taylors Chefin.

    Zwei Busse haben wir heute, erklärt sie. Die 299 und die 433. Taylor solle mit dem einen schon mal anfangen, sie übernehme dann den anderen Bus.
    Bob Taylor schnappt sich einen Besen, Staubsauger und Wassereimer.

    Der Bus sieht verheerend aus. Die Sitze sind mit Chipskrümeln und Bonbonpapier übersät, eine Zeitung liegt zerfleddert am Boden. Seufzend nimmt Taylor seinen Besen, fegt den Müll zusammen.

    Als die Zeche Silverwood 1994 geschlossen wurde, habe er zunächst als Wachmann angeheuert, sagt Bob Taylor. Zwölf Stunden am Tag, für zwei Pfund die Stunde. Es gebe ja kaum Alternativen in der Region: Regale einräumen im Supermarkt, Lagerarbeit oder Putzen.

    " Beim letzten Busunternehmen, für das ich gearbeitet habe, waren wir sogar mehrere Kumpel. Was soll's, die Torys haben zwar die Zechen geschlossen, aber die Bergleute sind immer noch da. Die können sie nicht einfach schließen. "

    Taylor kickt mit dem Fuß seinen Wassereimer zur Seite. So ein Dreckstall, flucht er noch einmal, dann taucht er seinen Lappen ins Wasser, als nächstes sind die Fenster dran.

    " Der Job ist schon in Ordnung, er macht mir Spaß. Na gut, es ist nicht so wie in der Zeche, unter Tage herrscht ein anderes Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich habe diese Arbeit geliebt, diesen ganzen Dreck, den Staub. Um keinen Preis der Welt hätte ich tauschen wollen. Ich dachte, ich hätte einen Job fürs Leben. Zwölf Monate habe ich für diesen Job gekämpft, damals im großen Bergarbeiterstreik - und dann habe ich ihn doch verloren. "

    Taylor rückt seine Schiebermütze in den Nacken: sie war sein Markenzeichen damals. Ganz vorn, immer in vorderster Linie habe er gestanden, in Orgeaves und Cortonwood, wo sich die Kumpel erbitterte Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Auge um Auge, Zahn um Zahn.

    " Es war wie im Krieg, eine Art Bürgerkrieg. Wir gegen die. Niemals werde ich das alles vergessen, und ich will es auch gar nicht. Der Streik ist Teil meines Lebens. Ein Pfund am Tag haben wir von der Gewerkschaft bekommen, ein Pfund! Das sind fünf Pfund die Woche, davon haben wir gelebt. Und deshalb sage ich: Wenn ich heute einen Streikbrecher auf der Straße sehe, dann schneide ich ihn. Denn es heißt: Einmal ein Streikbrecher, immer ein Streikbrecher. "

    Mit dem Rohr saugt Taylor die letzten Krümel vom Sitz, dann ist der Bus fertig. Bob Taylor klappt die Fahrertür zu, geht zurück in die Halle. Viele seiner Kollegen hätten sich bis heute nicht mit ihrem Schicksal abgefunden, sagt Taylor. Er selbst habe vier Jahre gebraucht, um endlich loslassen zu können, ein neues Leben anzufangen.

    " Ich war sehr verbittert, wissen Sie. Jetzt bin ich es nicht mehr. Aber ich werde den Torys nie verzeihen, dass sie mich in diese Lage gebracht haben. Das haben wir Bergleute nicht verdient. Aber das Leben geht weiter, also gehe ich arbeiten, Tag für Tag. Die hier können sie Dir nicht wegnehmen, Deine Hände. Naja, und so mache ich eben Busse sauber, das geht schon in Ordnung. Es bringt ein bisschen Geld ins Haus. Und das ist doch der Grund, warum man arbeitet, oder? Damit Geld ins Haus kommt. Es geht mir gut. "

    Hin und wieder wird Yorkshires Bergarbeitern eine Übernahme angeboten. Bei großen Zechen ist das ein unüberschaubares Risiko für die Männer, bei den kleinen Gruben hingegen eine echte Alternative zur Schließung. Die Zeche Hay Royds hat dadurch überlebt. Sechzig Jahre lang war sie in Familienbesitz. Im August 2004 musste J.Flack & Sons dann Insolvenz anmelden. Genau zehn Kumpel übernahmen die Grube. 14 Leute mussten gehen, aber die Zeche arbeitet inzwischen mit Gewinn.

    Dank der Selbständigkeit entstehen keine Versicherungskosten für Angestellte mehr, die Partner zahlen nur den Lohn aus, der als Gewinn anfällt. Werden 400 Tonnen pro Woche gefördert, kriegt jeder Kumpel gut 250 Pfund. Aufs Jahr gerechnet fördert Hay Royds 20 tausend Tonnen Kohle - das ist so viel, wie mittelgroße Gruben in einer Woche ans Licht bringen. Ein zweiter Abstecher unter Tage….

    Die Zeche von Hay Royds

    Knochig, schwarz, wie ein Relikt aus uralten Zeiten ragt der Förderturm in den Morgenhimmel. Es ist kalt, der nächtliche Regen hat das Grubengelände aufgeweicht, die Männer stapfen durch den knöcheltiefen Schlamm, ihre Grubenlampen leuchten den Weg.

    Andy Burkinshore wuchtet einen Sack auf den Grubenwagen: Dynamit, erklärt er, zum Sprengen der Kohle. Andy ist Bergbaumechaniker, ein kleiner, drahtiger Mann in blauem Overall.

    Die Kumpel hocken sich auf die Loren, zwei Mal reißt der Vorarbeiter an der Klingelschnur, der Wagen rollt an. Der Tunnel ist niedrig. Immer wieder müssen die Männer ihre Köpfe einziehen, Kabel hängen von den Seiten, verlassene Tunnel führen in den Berg hinein.

    Eine Dreiviertelstunde später ist der Wagen am Ziel: ein Raum, vielmehr eine Kreuzung verschiedener Wege tut sich auf, im Halbdunkel steht ein Bagger. Die Männer springen vom Wagen: einer lädt das Werkzeug ab, ein anderer wirft das Förderband an. Andy Burkinshore schnappt sich seinen Sack mit Dynamitpulver, hievt ihn auf einen Handwagen. Sein Rücken ist gebeugt, aufrecht stehen kann er die nächsten acht Stunden nicht mehr: Die Grube ist 1, 20 Meter hoch.

    " Das Schlimmste an dieser Zeche ist die flache Decke. Ich habe schon in viel feuchteren Gruben gearbeitet, zum Teil war es richtig nass. Und die tiefen Bergwerke, wie Selby und so, die sind heiß, bis zu 40 Grad. Da schwitzt man wie ein Affe. Nein, Hay Royds ist gar nicht so übel zum Arbeiten, das Unangenehme ist die Höhe. "

    Andys Kollege hat bereits mir der Arbeit angefangen: Löcher bohren für die Sprengung. Sein Bohrer frisst sich in das Flöz. Kohlestaub wirbelt durch die Luft; er brennt in den Augen, hinterlässt einen fahlen Geschmack im Mund.

    Andy nimmt eine Prise Schnupftabak aus seiner Dose, zieht das Pulver ein. Seine Nase ist schwarz. Tabak sei gut für die Atmung, sagt er, befreie die Nase vom Kohlenstaub. Erzähl keine Märchen, ruft sein Kollege: Du bist abhängig, das ist alles!

    Da, wo die Kohle weg ist, muss die Grubendecke stabilisiert werden. Andy Burkinshore stemmt einen Holzpfahl gegen die Wand, zwei andere Kumpel legen den Deckenbalken drüber, ein vierter rammt einen Keil in die Nahtstelle: der Pfeiler steht.

    Seit 37 Jahren arbeitet Andy Burkinshore unter Tage, zunächst als Kumpel, später als Mechaniker und Ingenieur. Als es bergab ging mit Hay Royds und der Zechenbesitzer Insolvenz anmelden musste, war er dafür, die Grube zu übernehmen. Jetzt betreiben die Arbeiter ihre Zeche selbst.

    " Es ist eine Herausforderung und vielleicht geht es ja gut. Davon habe ich mein ganzes Leben lang geträumt: Mein Schicksal in die eigenen Hände nehmen und sehen, ob wir aus dieser kleinen Grube ein profitables Unternehmen machen können. Ja, sie ist unser Baby, unser ganzer Stolz.
    Sehen Sie, so viele große Zechen haben in den letzten Jahren schließen müssen, und deshalb sind wir stolz darauf, dass unsere Grube noch lebt. "

    John Taylor hebt seinen Kopf. Der bullige Mann ist gerade dabei, den nächsten Pfeiler abzumessen: 59 Inches, ein Meter 50 - ein Stück muss noch weg. John Taylor kann Andys Enthusiasmus nicht teilen, lieber heute als morgen würde er bei Hay Royds aussteigen.

    " Ich liebe diese Arbeit und ich mag meine Freunde. Aber ich brauche mehr Geld. Mein Lohn ist abhängig vom Gewinn, wissen Sie: Wir zahlen so viel aus, wie wir Kohle verkauft haben. Läuft es schlecht, kriegen wir nichts. Ich habe aber eine Familie zu ernähren!"

    Etwa 300 Pfund verdient ein Kumpel pro Woche. Bricht eine Maschine zusammen oder wird jemand krank, sind es vielleicht nur 200. Und das für 40 Stunden Arbeit. John Taylor hat sich deshalb woanders beworben. Halb vier ist sein Bewerbungsgespräch.

    Am anderen Ende der Grube ist die Produktion in vollem Gange. Andy Burkinshore wischt sich den Kohlenstaub aus dem Gesicht, wie ein feiner Film hat er sich auf Augenlider und Lippen gelegt. Auf riesigen Gummirädern biegt ein Bagger um die Ecke, nimmt zwei Tonnen Kohle auf, bringt sie zum Förderband. Gern würde er einen neuen Bagger anschaffen, sagt Andy, der jetzige sei alt und klapprig. Als Mechaniker hat er das Vorschlagsrecht, die Entscheidung wird jedoch von allen Kumpeln gemeinsam gefällt.

    " Vor zwei Wochen hatten wir eine Versammlung in der Kaue, also da, wo sich alle waschen. Die Männer haben geduscht und ich habe gesagt, hört zu, wir brauchen einen neuen Bagger, 20.000 Pfund, hat jemand etwas einzuwenden? Niemand. Und so werden wir ihn nun kaufen. "

    Ein letztes Mal kommt der Bagger, dann hat er die Kohle weggeschaufelt. Um weiter fördern zu können, muss neu gesprengt werden. Erwartungsvoll hocken die Arbeiter im Rücken des Sprengmeisters, der kurbelt am Zünder - doch der Kontakt funktioniert nicht. Wieder und wieder geht er die Strecke ab, untersucht die Kabel. Die Kumpel werden ungeduldig: Ohne Sprengung keine Kohle.

    Dann endlich das erlösende Kommando: Kopf runter, Sprengung!