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Auf Schleichpfaden schneller ans Ziel

Überall auf den Autobahnen steht man im Stau, gerade jetzt, wenn viele Familien in die Osterferien fahren. Moderne Navigationsgeräte sollen vorher auf eine alternative Route lenken und so dem Fahrer Zeit und Geld sparen. Was in der Praxis nicht immer gelingt.

Von Wolfram Koch | 08.04.2009
    A1 Hamburg Richtung Bremen zwischen Sittensen und Bockel: Baustelle 14 Kilometer Stau. Dort ist der rechte Fahrstreifen blockiert.

    Hört ein Autofahrer solch eine Verkehrsmeldung rechtzeitig, hat er eine Chance dem Stau auszuweichen - vorausgesetzt er kennt sich aus. Auch moderne Navigationsgeräte erfahren durch die gleichen Staunachrichten, auf welcher Strecke es gerade hakt. Der "Traffic Message Channel", kurz TMC überträgt diese Informationen digital und parallel zum Radioprogramm. Und die mobil oder fest im Auto installierten Navigationsgeräte mit eingebautem TMC-Empfänger können die Daten empfangen und zum Beispiel zu einer geänderten Routenführung verarbeiten. Das Ergebnis ist nicht in jedem Fall zufriedenstellend. Oft sind die gemeldeten Staus gar nicht da oder deutlich länger als verkündet. Christine Lotz, beim Bundesamt für Straßenwesen zuständig für Fahrerassistenzsysteme, unterstreicht die Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrsinformationssystems:

    "Im wesentlichen greifen die öffentliche Verkehrsmeldungen auf drei Quellen zurück. Das ist zum einen die Polizei. Das sind Staumelder, die sich bei den Rundfunkanstalten registrieren ließen. Ein weitaus wesentlicherer Teil sind Detektoren, die wir in der Straße eingelassen haben und die den Verkehr messen. Diese Informationen laufen in den Verkehrszentralen auf, und dort werden die Meldungen generiert."

    Daneben gibt es noch ein weiteres Verkehrsüberwachungssystem. Es sind die zylinderförmigen Sensoren an den Autobahnbrücken. Sie gehören zum kostenpflichtigen Dienst "TMC Pro". Seine Bewegungsmelder erfassen die Fließgeschwindigkeit des Verkehrs. Zusammen mit Induktionsschleifen in der Straße kommen so mehr und genauere Daten über Verkehrsstörungen zusammen. Die menschliche Komponente fehlt bei "TMC Pro". Es wird nicht übermittelt warum es sich staut. Dafür teilt das System den Navigationsgeräten präziser mit wie lang ein Stau ist und wie schnell er sich auflöst. Zudem arbeiten "TMC Pro" wie auch TMC mit statistischen Methoden um Staus vorherzusagen. Das öffentliche TMC-System verarbeitet noch weitere Verkehrsinformationen. Der Rechner kann zum Beispiel auf Daten aus der Vergangenheit zurückgreifen, um den Verkehrsfluss bei Ferienbeginn und Veranstaltungen vorherzusagen. Die BAST-Expertin Christine Lotz:

    " Die haben eine Riesendatenbank mit unterschiedlichsten Verkehrssituationen, Ganglien nennen wir das. Beispielsweise ein Fußball an einem Wochenende, an dem es geregnet hat, oder eine Messe bei Sonnenschein oder bei Regen, die sich mit Urlaubsverkehr kreuzt, so dass der Verkehrsrechner, der die Strategie ausarbeitet, wie der Verkehr zu steuern ist, auf eine gute Datengrundlage zurückgreifen kann. Dieselbe Datengrundlage wird in den Zentralen dazu benutzt, Verkehrsmeldungen herauszugeben."

    Seit kurzem sammeln auch Mobilfunkbetreiber Verkehrsflussdaten über ihr Netz. Jedes Mobiltelefon meldet sich in kurzen Intervallen am nächst gelegenen Funkmasten an. Ist das Telefon in Bewegung durchfährt es in einer bestimmten Zeit mehrere dieser Funkzellen. Daraus ergibt sich ein Bewegungsprofil, aus dem Position und Geschwindigkeit hervorgehen. Die Daten aller seiner Mobilfunkkunden leitet der Netzbetreiber anonymisiert in Echtzeit beim "HD Traffic" genannten System an den Hersteller einer Navigationssoftware weiter. Dort blickt ein Auswertrechner auf die Straßenkarte und registriert, wie viele Handys sich auf einer Autobahn befinden und wie schnell sie sich bewegen. Wenig oder keine Bewegung heißt Stau, und in dem Fall schickt "HD Traffic" die Information zusammen mit den öffentlichen TMC Daten über das Mobilfunknetz zum Navi des registrierten Verkehrsteilnehmers. Dieses System kann somit schon recht gut helfen, an einem Stau vorbeizukommen. So zeigen aktuelle Geräte auf dem Display gleich mehrere Alternativrouten an.

    Ob es allerdings besser ist, im Stau zu warten oder von der Autobahn abzufahren, ist fraglich. Denn was heute noch fehlt sind Stauinformationen der Straßen abseits der Autobahnen. Die Stadt Köln arbeitet zum Beispiel an einem TMC-Dienst, der auch Staus in der Stadt meldet. Verkehrsexperten sind dennoch skeptisch. Es fehle die Abstimmung zwischen neuen und etablierten Datendiensten. Es sei für den Verkehrsfluss gefährlich, wenn jede Navi-Software nach eigenen Daten die Autofahrer führen will. Dem entgegen wirken will das Bundesamt für Straßenwesen mit dem Projekt Metadaten, einer übergreifenden Plattform für den Individualverkehr. Christine Lotz:

    "Wir können Fahrzeuge messen, die im Verkehr mitfließen. Wir können Mobiltelefone anonym beobachten, und wir haben die Detektoren in der Fahrbahn. Alles zusammen ist da, aber die Zugänglichkeit ist noch nicht gegeben, und die Bedingungen sind noch nicht klar und wir wollen mit diesem Projekt eine Handels- oder Austauschplattform für Verkehrsdaten schaffen."

    Erst die Kombination verschiedener Technologien ermöglicht den Navigationsgeräten zuverlässige Routen abseits der Staus vorzuschlagen - bis es dann endlich heißt:

    "Sie haben Ihr Ziel erreicht. Das Ziel liegt rechts."