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Auf Sparflamme ins All

Raumfahrt. – Kosmischen Visionen wird einiges genommen, wenn die Kassen leer sind. Diese Erkenntnis musste auch die Europäische Weltraumagentur ESA machen, als der EU-Ministerrat nämlich weniger Mittel als ursprünglich avisiert bewilligte. Dieser Not folgend überprüfte die ESA erneut ihre Planungen und straffte das Programm deutlich, um eine Summe von 500 Millionen Euro einzusparen. Mit höherer Effizienz sollen aber dennoch ehrgeizige Ziele erreicht werden, so das Credo einer heute in Paris stattgefundenen Pressekonferenz. Von Siegfried Forster

    Nach sechsmonatigen Beratungen zauberte jetzt die Europäische Weltraumagentur ESA ein neues Programm aus dem Hut, das sämtliche Vorhaben am Leben erhalten soll - mit Ausnahme von "Venus-Express2, für das offenbar kein Kompromiss gefunden werden konnte. Überdies soll es in den nächsten zwölf Jahren sogar noch zwölf zusätzliche Raketenstarts geben. Mehr Starts mit weniger Geld, lautet die Zauberformel von ESA-Wissenschaftsdirektor David Southwood:

    "Das scheint ein Zaubertrick zu sein, aber wir werden Dinge zusammen legen und genau wissen, was wir in den nächsten zehn Jahren tun wollen. Wenn wir das wissen, dann prüfen wir, wie wir das auf die beste und effizienteste Art umsetzen können."

    "Packing" lautet der geradezu magische Begriff der ESA: Kleinere Forschungsvorhaben sollen zu größeren zusammengefasst werden. Bei größeren Projekten sollen mit Hilfe von Teamarbeit Synergieeffekte erzielt werden. Dabei sollen Wissenschaftler zwischen verschiedenen Aktivitäten hin und her wandern können. Diese radikale Sparmethode soll nicht nur innerhalb der ESA, sondern auch bei allen kooperierenden Industrien angewandt werden. Allein beim ehrgeizigen Gaia-Projekt, das eine spezielle Galaxienkarte erstellen soll, sollen auf diese Weise 150 Millionen Euro eingespart werden – bei einem Gesamtbudget von 420 Millionen Euro.

    "Wir arbeiten bereits an einem Projekt namens Herschel-Planck. Das sind eigentlich zwei unterschiedliche wissenschaftliche Programme, die zusammen durchgeführt werden. Wir erweitern jetzt diese Idee, indem wir ein weiteres zusätzliches Programm, das Vorhaben Eddington, dazufügen. Wir tun dies mit dem gleichen technischen Ansatz und ähnlichen industriellen Teams sowie dem gleichen Esa-Mitarbeiter-Stab, der bereits an dem Programm arbeitet."

    Fast gleiche Leistung mit erheblich weniger Mitteln – diese Glanzleistung lasse sich mit Hilfe der jahrelang angesammelten Erfahrung, der Bereitschaft der Industrie sowie der Motivation der Mitarbeiter nur einmal erbringen, so der ESA-Forschungschef weiter. Die internationale Zusammenarbeit soll ebenfalls verstärkt werden. Zumindest bisher habe noch kein einziges internationales Projekt gestoppt oder einschränkt werden müssen. Neue Kooperationen seien im Gange, etwa Double Star mit China oder BepiColombo mit Japan. Auch Indien habe bereits Interesse angemeldet. Die Weltraummacht Europa strebt auch mit eingeschränkten Forschungsmitteln in Zukunft nicht nur an, wettbewerbsfähig zu sein, sondern langfristig auch eine weltweite Führungsrolle zu übernehmen, so David Southwood, der sein Forschungsprogramm bis zum Jahr 2020 "Cosmic Vision" benannte.

    "Zuallererst liebe ich das Wort Vision. Ich bin überzeugt davon, dass jeder, der mit dem Weltraum arbeitet, eine Vision haben muss und ein Gefühl davon, wie es jenseits aussieht. Die ESA hat ein so genanntes Horizonte-Forschungsprogramm aufgelegt vor über zehn Jahren. Inzwischen sind wir jenseits des Horizontes angelangt und versuchen Fragen zu beantworten, wie etwa nach anderem Leben im Universum. Kosmos, das ist für mich das Universum. Kosmos ist ein europäischer Begriff, der in den USA nur selten verwendet wird. Ich liebe es, Begriffe zu verwenden, die insbesondere in Europa eine Bedeutung besitzen. Eine Vision des Universums, daher der Titel Kosmische Vision."

    Einzelheiten finden Sie auf der Webseite der ESA.