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Auf Toxine geradezu versessen

Umwelt. -. Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig wurden heute mit dem Erwin-Schrödinger-Preis für Interdisziplinäre Forschung ausgezeichnet. Die drei Preisträger erhalten die vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausgelobte Ehrung für die Entwicklung eines Verfahrens zur Reinigung giftbelasteter Abwässer, bei dem besondere Bakterien einen Großteil der schmutzigen Arbeit verrichten und dabei vor allem auf Quecksilber Appetit entwickeln.

    Die üble Brühe im Groß-Fermenter der GBF in Braunschweig schreckt auf den ersten Eindruck ab, doch für eine eigens gezüchtete Bakterienart ist dies eher ein angenehmer Swimmingpool, erklärt Irene Wagner-Döbler von der GBF: "Vor allem Pseudomonas putida sowie andere Pseudomonas-Bakterien leben in diesem Kessel. Einer ihrer Vorzüge liegt darin, dass sie nicht pathogen sind und keine Krankheiten hervorrufen." Baden ist die Aufgabe der Keime, und zwar so lange wie möglich. Allerdings wird dabei vor allem das quecksilberverseuchte Badewasser sauber, das ansonsten nur sehr aufwändig aufbereitet werden könnte. Das Verfahren sei inzwischen so weit ausgereift, dass es industriell eingesetzt werden könne, erklärt die Forscherin.

    Besonders giftig ist Quecksilber in seiner organischen Form und als Salz, denn beides ist wasserlöslich und richtet erhebliche Umweltschäden an, wenn es in Flüsse gelangt. Dagegen ist metallisches Quecksilber relativ harmlos, sieht man von seinen Dämpfen ab. Die Spezialität der Braunschweiger Keime: Sie nehmen organische Quecksilberverbindungen und die Salze auf und wandeln es in die metallische Konstitution um. "Das ionische, zweiwertige Quecksilber selbst ist sehr reaktiv - die Substanz dringt durch die Zellmembran und würde normalerweise ein Bakterium töten, indem es seine Enzyme blockiert. Quecksilberresistente Keime besitzen dagegen spezielle Puffermoleküle, die das eingedrungene Gift abfangen und an einen weiteren Katalysator weiterreichen", so Wagner-Döbler. Dieses Enzym schließlich wandele das aggressive Quecksilber in seine weniger gefährliche, metallische Form um.

    Frei werden bei dieser Verwandlung des Elements jedoch auch die toxischen Dämpfe. Ein einfaches Verfahren entsorgt aber auch diese unbekömmlichen Ausdünstungen: "Wir entlassen das Quecksilber gar nicht erst an die Luft, sondern fangen es bereits im wasserbedeckten Biofilm des Fermenters ab. Weil Quecksilber nicht wasserlöslich ist, fällt es ganz einfach aus." In unzähligen kleinen, silbernen Kügelchen findet sich das Gift - jetzt eher wieder Wertstoff - schließlich am Boden des Bioreaktors und kann so wieder industriell verwendet werden.

    [Quelle: Wolfgang Noelke]