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Auf und davon

Brain drain, das meint die Anwanderung kluger Köpfe aus der Heimat in attraktivere Regionen. Während hierzulande häuftig darüber diskutiert wird, dass möglicherweise nach der EU-Erweiterung Arbeitsplätze aus Deutschland weg verlegt werden, haben unsere Nachbarn ganz ähnliche Sorgen.

Von Christoph Peters |
    Die Universitäten Polens sind alarmiert: Ihre besten Studenten wollen das Land verlassen. Der Westen strahlt eine magische Anziehungskraft auf die jungen Polen aus. Beschwörend spricht der Rektor der Uni Warschau Piotr Węgleński zu einem ausgewählten Kreis zukünftiger Jura – Absolventen.
    Ich glaube, dass nur wenige von euch wirklich die Absicht hegen unser Land für immer zu verlassen und ich bin fest überzeut, dass ihr hier eine gute Arbeit findet, - und wenn einige von euch Polen wirklich verlassen, dann nur um in Europa ganz groß rauszukommen.

    Eine große Abwanderungswelle osteuropäischer Nachwuchsakademiker stehe bevor, prognostizieren auch deutsche Arbeitsämter und Behörden. Sie sehen dem gelassen entgegen, denn gute Leute werden immer gesucht, so Lars Bosse von der IHK Leipzig.

    Um es nur mal in Schlagzahlen zu nennen, - es werden hier in Sachsen tausend Ingenieure gebraucht, um einfach das Qualifikationsniveau zu halten, was wir heute haben. Dieses "Lack" haben wir heute und das müssen wir stopfen und das wäre natürlich toll, wenn es uns gelänge hochqualifizierte Menschen aus anderen Regionen Europas hierher zu holen.

    An der Uni Warschau soll heute eine Jobbörse den polnischen Studenten den Arbeitsplatz in der Heimat schmackhaft machen. Hunderte Studenten drängen sich vorbei an den Ständen von KPMG, Nestle und der Telekom Polska. Jungdynamische Angestellte geben sich ziemlich zuversichtlich.

    Ich glaube, dass es in Polen nach wie vor viele attraktive Arbeitsplätze und gute Karriere-möglichkeiten gibt. Ich denke uns droht kein brain drain oder Akademiker-schwund.

    Kristof Wilewisz von Unilever Polska berät gerade den 23jährigen Wirtschaftsstudenten Pawel Orlowski, der einer der ganz wenigen ist, die kein Problem damit haben, ihre Zukunft in Polen zu planen.

    Hier in Polen gibt es ziemlich gute Möglichkeiten, einen Job zu finden. Das Leben ist auch hier einfach billiger. Und dann gibt es auch eine Art Bürgerpflicht in seinem Land zu bleiben.

    Trotzdem muss auch Student Kristof erkennen, dass die Aussichten ziemlich trübe sind. Die polnischen Ableger von IKEA, Citibank und McKinsey können auf der Warschauer Jobbörse nur wenigen Betriebswirtschafts-Absolventen Hoffnung machen. Besonders prekär ist die Lage in Warschau, jeder zweite Uni-Absolvent ist arbeitslos. Viele Studenten wie Jolanda sitzen auf gepackten Koffern.

    Ich habe schon ganz konkret eine Ausreise nach England in Betracht gezogen, ich kenne dort einen Studienkollegen, der dort seit einem halben Jahr arbeitet.

    Die hoch qualifizierten polnischen Jungakademiker mit einwandfreien Deutsch-kenntnissen haben vielleicht eine Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Der Rest könnte wirklich enttäuscht werden, meint Studienberaterin Marta Piasceka.

    Um als Student im Ausland arbeiten zu können, muss man doch etwas anbieten können. Wer heute als junger Mensch Polen verläßt, der weiss, dass ihn im Westen keine Traumkarriere erwartet. Dort arbeiten sie oft als Aushilfskräfte in der Landwirtschaft, in der Küche oder im Krankenhaus, - mit Karriere hat das doch wirklich nichts tun.

    Die Gesamtlage macht wenig Hoffnung. Obwohl die polnische Wirstchaft rasant wächst, stagniert die Produktivität. Neue Arbeitsplätze sind vorerst nicht in Sicht. Mittlerweile hat auch die Regierung die Brisanz der Lage erkannt. Staatspräsident Aleksander Kwasniewski appellierte Anfang April an die Warschauer Studenten trotz der trüben Aussichten im Land zu bleiben.