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Auffälliger Unterschied

Forschungspolitik. - Die Naturwissenschaften sind faktengeleitet, an objektivierbaren Daten und nachprüfbaren Experimenten orientiert. Das ist das hehre Selbstverständnis, das Wissenschaftsvertreter gern sich und anderen präsentieren. Die Realität ist weniger klar. In den USA haben die Nationalen Gesundheitsinstitute ihre Förderpolitik durchleuchten lassen, ob sie tatsächlich blind gegenüber der Hautfarbe des Antragstellers ist. Die Ergebnisse wurden jetzt in "Science" veröffentlicht.

Von Volkart Wildermuth |
    Die National Institutes of Health kurz NIH sind die wichtigste Geldquelle für die Biomedizinische Forschung in den USA. Der Direktor der NIH wollte wissen, ob diese Gelder fair verteilt werden. Deshalb hat Francis Collins seine Bücher offengelegt für Donna Ginther von der Universität von Kansas. Die Ökonomin verfolgte mehr als 80.000 Forschungsanträge, die die NIH zwischen 2000 bis 2006 erhalten haben. Zwei Drittel der Anträge stammten von Forschern, die sich selbst als weiß bezeichnen. Ein gutes Viertel von Wissenschaftlern mit asiatischem Hintergrund, und 1,4 Prozent von schwarzen Forschern. Diese Zahlen alleine zeigen schon, dass die afroamerikanische Bevölkerung im Wissenschaftssystem der USA um den Faktor zehn unterrepräsentiert ist. Der Anteil der Schwarzen sinkt von der High-School über die Universität bis hin zu den Doktoranden. Sobald sich schwarze Wissenschaftler aber etabliert haben, sind ihre Chancen für eine Professur genauso gut, wie für ihre weißen Kollegen. In einem "Science"-Interview sagte Donna Ginther, dass sie keinerlei Einfluss der Rasse auf den Erfolg eines Forschungsantrags erwartet hatte. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

    "Es war verblüffend, es gab große Unterschiede. Asiatische Forscher hatten rund vier Prozentpunkte schlechtere Chancen. Und schwarze Wissenschaftler wurden sogar 13 Prozentpunkte seltener gefördert als weiße."

    Konkret wurden von 100 Anträgen weißer Forscher etwa 29 unterstützt. Bei Asiaten waren es nur 25 und bei schwarzen Wissenschaftlern sogar nur 16. Für solche Unterschiede kann es eine Vielzahl von Gründen geben. Donna Ginther hat ihre Daten deshalb durch die statistische Mühle gedreht und den Einfluss vieler Faktoren heraus gerechnet. Unter anderem den der Erfahrung des Forschers, seiner früheren Publikationen, des Renommees der Forschungsorganisation.

    "Mit unserer statistischen Analyse konnten wir das etwas schlechtere Abschneiden der asiatischen Anträge erklären. Das hat bei den Unterschieden zwischen Schwarzen und Weißen Forschern nicht funktioniert. Am Ende blieb eine Lücke von zehn Prozentpunkten."

    Das schlechtere Abschneiden der asiatischen Anträge hat vor allem eine Ursache: viele asiatische Wissenschaftler waren noch nicht lange in den USA, kannten sich mit dem System nicht aus. Etablierte Forscher asiatischer Abstammung haben dagegen die gleichen Erfolgsaussichten, wie ihre weißen Kollegen. Ähnliche Erklärungsmodelle greifen bei den schwarzen Forschern nicht. Donna Ginther bleibt deshalb etwas ratlos:

    "Irgendetwas geht da vor, das beeinflusst, wie die Vorhaben von schwarzen und weißen Antragstellern bewertet werden."

    Eine Möglichkeit besteht darin, dass alle untersuchten Einflussfaktoren für sich genommen zwar keinen messbaren Unterschied bewirken, dass sie zusammen aber doch den afroamerikanischen Forschern zum Nachteil gereichen. Andererseits könnten auch unbewusste rassistische Vorurteile eine Rolle spielen. Zwar kennen die Gutachter die Hautfarbe der Antragsteller nicht, aber der Name oder die Forschungsinstitution könnten sie doch verraten und das Urteil beeinflussen. Zum Nachteil der Forschung, wie Donna Ginther betont.

    "Wissenschaftliche Entdeckungen sind der Schlüssel für das Wirtschaftswachstum. Unsere Studie belegt, dass wir nicht all unsere Ressourcen nutzen. Wir müssen Wege finden, das Potenzial all unsere Forscher einzubinden. Es ist entscheidend, dass auch die Wissenschaft die Vielfalt unseres Landes widerspiegelt."

    Da ist sie sich mit Francis Collins einig, auf einer Pressekonferenz sagte er:

    "Diese Situation ist inakzeptabel. Diese Daten sind sehr beunruhigend. Wir werden handeln."

    Der Direktor der NIH will neue Unterstützungsprogramme ins Leben rufen, dafür sorgen, dass schwarze Forscher vermehrt zu Gutachtern berufen werden und die Antragsformulare so gestalten, dass Rückschlüsse auf die Hautfarbe des Forschers nicht mehr möglich sind.

    "Wenn wir nichts ändern, werden wir einige der besten und innovativsten Köpfe verlieren, die unsere medizinische Forschung vorantreiben könnten."