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Aufrufe zur Gewalt auch in Großbritannien

Die gewaltsamen Ausschreitungen bei den weltweiten Protesten aufgebrachter Muslime gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen dauern an. Unruhen gab es nicht nur in Ägypten, Indonesien, Thailand, Indien, den Philippinen und in den Palästinenser-Gebieten, sondern auch in Brüssel und London. Dort gab es zwar keine Gewalt-Eskalationen, jedoch riefen radikale Islamisten in der britischen Hauptstadt zu Massakern und Enthauptungen auf, andere distanzierten sich von den Todesdrohungen. Ein Bericht aus London von Ruth Rach.

    "Dänemark, USA, bald ist der Islam da."

    "Zur Hölle mit der Freiheit."

    "Dänemark, USA, 7/7 ist bald da."

    Die Parolen, die am Freitag vor der Regents Park Moschee in London skandiert wurden, haben die britische Öffentlichkeit erschüttert. Die Moscheeleitung hatte die etwa 250 Demonstranten vor die Tür gesetzt. Die Protestierenden waren teilweise vermummt, ein junger Mann hatte sich als Selbstmordattentäter mit Sprengstoffattrappen verkleidet. Auf einem Spruchband stand: "Enthauptet jene, die den Propheten beleidigen." Niemand wurde verhaftet.

    "Es ist bedauerlich, dass derartige Demonstrationen stattfinden können, ohne dass die Protestierenden auf der Stelle festgenommen werden,"

    erklärt der konservative Abgeordnete Dominic Grieve. Dies sei eine katastrophale Zeit für die moslemische Gemeinde in Großbritannien. Sein Parteikollege Norman Lamont spricht gar von einem riesigen Abgrund zwischen der islamischen und der westlichen Zivilisation.

    "Sie haben ganz andere Werte, ich will sie nicht verurteilen oder kritisieren, aber es bestehen riesige Unterschiede."

    Hinter den radikalen Protesten in London steckte die islamistische Organisation Al Mujahroon.

    "Die dänischen Behörden sollten erkennen, dass sie mit Feuer spielen, wenn sie die Veröffentlichung solcher Karikaturen zulassen,"

    so Omar Bakri Mohammed, ein Sprecher der Al Mohajroun gegenüber der BBC.
    Großbritannien ist eines der wenigen europäischen Länder, in denen die Karikaturen nicht in der Presse veröffentlicht wurden.

    Außenminister Jack Straw erklärte, die Reproduktion dieser Karikaturen sei unnötig, taktlos und respektlos. Kritiker sagen hingegen, die britische Presse habe sich einen Maulkorb anlegen lassen.

    "Die Presse wollte negative Auswirkungen vermeiden, man könnte sagen, die Fundamentalisten haben bereits gewonnen,"

    unterstreicht der Akademiker Hugh Pennington.

    Wie dem auch sei, die wütenden Proteste wurden jedenfalls auch in Großbritannien nicht verhindert. Die radikalen Hetzparolen haben auch Vertreter der muslimischen Gemeinde schockiert.

    Aufforderungen, die Anschläge vom 7. Juli zu wiederholen, und Menschen zu köpfen sind unislamisch, unterstreicht Daud Auremala vom Muslim Council of Britain.

    "Ich lehne die Karikaturen ab, aber ich bin auch gegen Todesdrohungen. Sie werfen ein schlechtes Licht auf uns," so ein Demonstrant.

    Britische Moslems befürchten, dass islamische Fundamentalisten die Situation benutzen, um ihre gemässigteren Glaubensbrüder zu radikalisieren.

    "Extremistische Elemente hoffen geradezu auf weitere Konfrontationen,"

    sagt Inayat Bunglawala vom Muslim Council of Britain. Seiner Ansicht nach war es klug und richtig, dass die Polizei während der Demonstration in London nicht eingriff.

    "Die Polizei wollte die Situation nicht weiter zuspitzen, sie wartete einen besseren Zeitpunkt ab, um diese Leute unter Anklage zu stellen, "

    so Inayit Banglawala. Ziauddin Saddar, Schriftsteller und britischer Moslem, gibt schließlich einen allgemeineren Punkt zu bedenken.

    "Moslems haben nicht gelernt, wie man protestiert. Sie haben keine Ahnung, wie das geht. Was in Damaskus passierte ist, ist ein Skandal. Das hat sicher damit zu tun, dass wir Probleme mit der Moderne haben, und einfach nicht genau wissen, wie wir als Moslems in der heutigen Zeit leben sollen."

    Inzwischen hat sich Omar Khayam, der junge Demonstrant, der sich als Selbstmordattentäter verkleidete, öffentlich entschuldigt.

    "Mein Protest hat viele Menschen vor den Kopf gestoßen, vor allem die Familien der Opfer der Anschläge vom 7. Juli. Das war nicht meine Absicht,"

    erklärte Omar Khayam. Er verurteile terroristische Attentäter, er verurteile Extremismus. Und er wolle sich entschuldigen. Bei den Angehörigen der Opfer der Anschläge und bei der muslimischen Gemeinde in Großbritannien.