China will Weltmacht werden. Aber ist es dazu auch in der Lage? Wo liegen seine Möglichkeiten, wo seine Grenzen? Und wie reagiert der Westen auf das alles? Vornehmlich um diese Fragen dreht sich eine, um es vorwegzunehmen, lesenswerte Neuerscheinung. Der Autor, Professor Eberhard Sandschneider, Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, gilt als ausgewiesener Chinakenner.
China ist Atommacht, und China ist Vetomacht im UN-Sicherheitsrat. Es zeigt weltweit - nicht nur, wie derzeit viel diskutiert, in Afrika - Präsenz. Doch schon in seinem unmittelbaren Umfeld, in der asiatisch-pazifischen Region, stoßen Führungsansprüche auf Widerstand. Sie laufen fundamentalen amerikanischen und japanischen Interessen zuwider.
Die USA sind auch eine pazifische Macht. Sie werden eine Pax Sinica in Asien nicht tolerieren. Unter diesen Umständen sind Rivalitäten vorprogrammiert. Sie werden insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, im technologischen Wettlauf, im Kampf um Ressourcen - Stichwort Öl - ausgetragen. Und spätestens in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass auch Europa von dem unstrittigen Aufstieg Chinas herausgefordert ist.
China ist mittlerweile knapp hinter Deutschland die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Ohne westliche Hilfe wäre dieser bemerkenswerte Aufstieg jedoch nicht möglich gewesen. Der Autor:
"Der Westen hat China stark gemacht. Alles was ein solches Land wie China brauchte, hat der Westen geliefert. Das beginnt bei Technologie, das setzt sich über Finanzierung, ausländische Direktinvestitionen fort, und das endet bei Management-Kapazitäten, die wir natürlich auch in Form von Joint Ventures freimütig an China geliefert haben. Ohne diese westliche Unterstützung, was Technologie und Kapital angeht, wäre der chinesische Entwicklungsweg in den letzten 25 Jahren so nicht denkbar gewesen."
Selbstredend weiß Peking um diese Zusammenhänge. Es wird sie auch weiterhin zu nutzen suchen. China ist einer der großen Gewinner der viel zitierten Globalisierung. Es ist mittlerweile für westliche Industriestaaten aber nicht mehr nur ein interessanter Absatzmarkt, sondern, zurückhaltend formuliert, ein beinharter Konkurrent auf den Weltmärkten:
"Irgendwann schlägt das Pendel zurück, und chinesische Unternehmen treten mittlerweile nicht nur in China und auf dem chinesischen Markt, sondern als heftige Konkurrenten auf unseren Märkten auf zu unseren eigenen Unternehmen. Wer China nur als Markt sieht, betrachtet das Land eindeutig eindimensional. Heute lernen wir, dass aus dem Markt von einst auch ein erheblicher Wettbewerber geworden ist."
Wirtschaftlicher Erfolg ist für die Regierenden in Peking überlebensnotwendig. Er legitimiert ihr Machtmonopol. Ohne Machtmonopol keine politische Stabilität. Und ohne politische Stabilität kein Wirtschaftswachstum, so ihre Sicht. Der Autor ergänzt:
"Alles, was wirtschaftlicher Leistung dient, wird gemacht. Auf die Zunahme wirtschaftlicher Effizienz stützt die KP mittlerweile ihren Machtanspruch. Und es gibt in China eine klare Zielpriorität, das heißt: An oberster Stelle steht Stabilität, dann kommt wirtschaftliche Entwicklung, und erst dann kommen politische Reformen. Wer über Demokratie in China redet, der blickt mit einer sehr, sehr westlichen Brille auf dieses Land. In China geht es im Augenblick nicht vordergründig um Demokratie, sondern es geht darum, Stabilität zu erhalten, um dieses Land nicht tatsächlich im Chaos versinken zu lassen."
Unter anderem der Zerfall der Sowjetunion und das soziale Elend während der Regierungszeit Jelzin ist vielen in China ein abschreckendes Beispiel:
"Also, für die politische Führung in Peking war das 1989 natürlich ein Schreckensbild. Und Deng Xiaoping selbst hat in mehreren Reden sehr klar darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht Gorbatschow alles falsch gemacht hat, weil er diese Zielpyramide umgedreht hat. Er hat mit politischen Reformen begonnen und hat die Wirtschaft vernachlässigt. Und Dengs zentraler theoretischer konzeptioneller Beitrag war, erst auf die Ökonomie zu setzen und dann auf anpassende politische Reformen. Insofern kann man aus heutiger Sicht, aus der Perspektive Pekings, mit einer gewissen Gelassenheit nach Russland schauen und sich sicher sein, dass man selbst es richtig gemacht hat, während Russland an der Stelle offensichtlich einen strategischen Fehler gemacht hat."
In China profitieren Hunderte von Millionen von dieser Art Politik. Dies alles ist jedoch noch nicht einmal die halbe Miete. Von den 1,3 Milliarden Chinesen leben über 800 Millionen auf dem Land. Und die ländliche Bevölkerung droht den Anschluss an die allgemeine dynamische Wirtschaftsentwicklung zu verlieren. In China findet derzeit die größte Völkerwanderung aller Zeiten statt. Vom Land in die Stadt und vornehmlich in die prosperierenden Küstengebiete. Über 150 Millionen Wanderarbeiter verdingen sich zu kärglichsten Lohn. Das Land steht vor gigantischen Problemen. Die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land vertieft sich. Dramatische Umweltzerstörung und allgegenwärtige Korruption sind nur einige weitere einschlägige Stichworte. China ist nicht nur ein Wirtschaftswunderland. Der Autor verdeutlicht:
"China ist ein wirtschaftliches, politisches, soziales Pulverfass. Ob es sich um regionale Unterschiede, ob es sich um Spannungsverhältnisse zwischen Arm und Reich, Wanderbevölkerung, Umweltschäden, drohende Überalterung der Bevölkerung, riesige Arbeitsmarktprobleme handelt - die Liste ist unendlich lang. Und in allen Bereichen produziert China genauso wie es ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum produziert auch ein beeindruckendes Risikopotenzial. Wer dieses Land fair einschätzen will, ist gut beraten, nicht nur die traumhaft positiven Wirtschaftsdaten zu sehen, sondern eben auch die dramatisch gefährlichen insbesondere ökonomischen und sozialen Entwicklungen im Land. Was aus dieser riskanten Gemengelage werden kann, ist schwer zu prognostizieren. Tatsache ist, dass es über 25 Jahre unter politischen Stabilitätsgesichtspunkten gut gegangen ist. Das kann noch 20 Jahre weitergehen, das kann aber morgen schon ganz anders aussehen. Das ist das eigentliche Risiko im Umgang mit China."
Die Risiken im Umgang mit China werden in den USA und Europa unterschiedlich beurteilt. Die USA sehen China immer auch als potenziellen politisch-militärischen Widerpart:
"Dort gibt es auch die Stimmen, die China einbinden wollen in internationale Politik. Es gibt aber auch die konfrontatorische Position, die in China den nächsten wesentlichen Wettbewerber und damit eine Bedrohung für die USA sieht. Die derzeitige Regierung hat anfänglich sehr konsequent antichinesisch gearbeitet. Mit 2001 hat sich das geändert. Trotzdem, die Vereinigten Staaten sehen in China nicht nur einen Markt und einen Kooperationspartner, sondern im wesentlichen Teil auch einen militärischen Wettbewerber. Das lässt die Risiken der transpazifischen Beziehungen dauerhaft durchaus hoch erscheinen."
Deutlich unterschieden davon die europäische Sicht:
"Europa hat eine sehr viel chinafreundlichere Position. Für Europa ist China ein strategischer Partner, was immer man unter strategisch versteht. Bedauerlicherweise spielt sich die europäische Chinadebatte sehr, sehr positiv ausgedrückt, auf der Ebene deklaratorischer Politik ab. Alle Dokumente, die die EU zu China schreibt, lesen sich wie aus dem Bilderbuch internationaler Zusammenarbeit. In der Wirklichkeit sieht das leider etwas anders aus. Die einzelnen Mitgliedstaaten der EU betreiben eine radikale Konkurrenz untereinander, wenn es um Zugang zum chinesischen Markt geht. Am Ende spielt das nur unseren chinesischen Freunden in die Hände, die es natürlich meisterhaft verstehen, solche Unterschiede zu ihrem eigenen Nutzen auszunutzen."
Skeptisch ist der Autor gegenüber wohlfeilen Forderungen, westliche Demokratievorstellungen gegenüber anderen Kulturkreisen, auch gegenüber China, unbesehen einzufordern - einmal abgesehen davon, dass wirtschaftlich erfolgreiche Autokratien zuzeiten auch zu Demokratien werden können - siehe Südkorea oder Taiwan. Und ein Vergleich mit der gescheiterten amerikanischen Irakpolitik, Stichwort Demokratieexport, liegt nahe. Ohnehin werden nicht nur in China derartige Begründungen als purer Zynismus gesehen, insofern die USA, und nicht nur sie, im Nahmittelosten mit jedem Feudal- und Militärregime von Algerien und Libyen über Ägypten bis Saudi-Arabien zusammenarbeiten, solange es nur Öl liefert und israelkompatibel ist.
Der Autor schätzt den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas nicht gering ein. Aber er wendet sich nicht zuletzt angesichts der Probleme im Lande gegen die These, dass dieser Aufstieg nachgerade unwiderstehlich sei. Auf die Frage, ob wie vielerorts beschworen ein asiatisches Jahrhundert drohe, ist seine Antwort eindeutig:
"Nein. Tue ich nicht. Das 21. Jahrhundert wird global sein. Es ist völlig richtig, dass wir im Augenblick beeindruckt sind durch die Tatsache, dass gerade Länder wie China und Indien jetzt aufsteigen. Aber sie kommen aus einem sehr niedrigen Niveau. Sie machen einen Nachholprozess durch, den andere Länder zuvor auch durchgemacht haben. Am Ende wird das 21. Jahrhundert von einer neuen multipolaren Ordnung charakterisiert sein. Ich halte in dem Sinne alle Abgesänge auf den Westen, etwa auch für Europa, für absolut verfrüht. Letztendlich aber liegt es an uns, wie wir mit diesen Herausforderungen umgehen. Wir werden uns darauf einstellen müssen, wir werden Mittel und Wege finden müssen, unsere eigene Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten gegenüber solchen Staaten. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass der Westen automatisch absteigen muss, nur weil Asien aufsteigt."
Eberhard Sandschneider: Globale Rivalen. Chinas heimlicher Aufstieg und die Ohnmacht des Westens
Carl Hanser Verlag, München 2007
248 Seiten, 19,90 Euro
China ist Atommacht, und China ist Vetomacht im UN-Sicherheitsrat. Es zeigt weltweit - nicht nur, wie derzeit viel diskutiert, in Afrika - Präsenz. Doch schon in seinem unmittelbaren Umfeld, in der asiatisch-pazifischen Region, stoßen Führungsansprüche auf Widerstand. Sie laufen fundamentalen amerikanischen und japanischen Interessen zuwider.
Die USA sind auch eine pazifische Macht. Sie werden eine Pax Sinica in Asien nicht tolerieren. Unter diesen Umständen sind Rivalitäten vorprogrammiert. Sie werden insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, im technologischen Wettlauf, im Kampf um Ressourcen - Stichwort Öl - ausgetragen. Und spätestens in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass auch Europa von dem unstrittigen Aufstieg Chinas herausgefordert ist.
China ist mittlerweile knapp hinter Deutschland die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Ohne westliche Hilfe wäre dieser bemerkenswerte Aufstieg jedoch nicht möglich gewesen. Der Autor:
"Der Westen hat China stark gemacht. Alles was ein solches Land wie China brauchte, hat der Westen geliefert. Das beginnt bei Technologie, das setzt sich über Finanzierung, ausländische Direktinvestitionen fort, und das endet bei Management-Kapazitäten, die wir natürlich auch in Form von Joint Ventures freimütig an China geliefert haben. Ohne diese westliche Unterstützung, was Technologie und Kapital angeht, wäre der chinesische Entwicklungsweg in den letzten 25 Jahren so nicht denkbar gewesen."
Selbstredend weiß Peking um diese Zusammenhänge. Es wird sie auch weiterhin zu nutzen suchen. China ist einer der großen Gewinner der viel zitierten Globalisierung. Es ist mittlerweile für westliche Industriestaaten aber nicht mehr nur ein interessanter Absatzmarkt, sondern, zurückhaltend formuliert, ein beinharter Konkurrent auf den Weltmärkten:
"Irgendwann schlägt das Pendel zurück, und chinesische Unternehmen treten mittlerweile nicht nur in China und auf dem chinesischen Markt, sondern als heftige Konkurrenten auf unseren Märkten auf zu unseren eigenen Unternehmen. Wer China nur als Markt sieht, betrachtet das Land eindeutig eindimensional. Heute lernen wir, dass aus dem Markt von einst auch ein erheblicher Wettbewerber geworden ist."
Wirtschaftlicher Erfolg ist für die Regierenden in Peking überlebensnotwendig. Er legitimiert ihr Machtmonopol. Ohne Machtmonopol keine politische Stabilität. Und ohne politische Stabilität kein Wirtschaftswachstum, so ihre Sicht. Der Autor ergänzt:
"Alles, was wirtschaftlicher Leistung dient, wird gemacht. Auf die Zunahme wirtschaftlicher Effizienz stützt die KP mittlerweile ihren Machtanspruch. Und es gibt in China eine klare Zielpriorität, das heißt: An oberster Stelle steht Stabilität, dann kommt wirtschaftliche Entwicklung, und erst dann kommen politische Reformen. Wer über Demokratie in China redet, der blickt mit einer sehr, sehr westlichen Brille auf dieses Land. In China geht es im Augenblick nicht vordergründig um Demokratie, sondern es geht darum, Stabilität zu erhalten, um dieses Land nicht tatsächlich im Chaos versinken zu lassen."
Unter anderem der Zerfall der Sowjetunion und das soziale Elend während der Regierungszeit Jelzin ist vielen in China ein abschreckendes Beispiel:
"Also, für die politische Führung in Peking war das 1989 natürlich ein Schreckensbild. Und Deng Xiaoping selbst hat in mehreren Reden sehr klar darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht Gorbatschow alles falsch gemacht hat, weil er diese Zielpyramide umgedreht hat. Er hat mit politischen Reformen begonnen und hat die Wirtschaft vernachlässigt. Und Dengs zentraler theoretischer konzeptioneller Beitrag war, erst auf die Ökonomie zu setzen und dann auf anpassende politische Reformen. Insofern kann man aus heutiger Sicht, aus der Perspektive Pekings, mit einer gewissen Gelassenheit nach Russland schauen und sich sicher sein, dass man selbst es richtig gemacht hat, während Russland an der Stelle offensichtlich einen strategischen Fehler gemacht hat."
In China profitieren Hunderte von Millionen von dieser Art Politik. Dies alles ist jedoch noch nicht einmal die halbe Miete. Von den 1,3 Milliarden Chinesen leben über 800 Millionen auf dem Land. Und die ländliche Bevölkerung droht den Anschluss an die allgemeine dynamische Wirtschaftsentwicklung zu verlieren. In China findet derzeit die größte Völkerwanderung aller Zeiten statt. Vom Land in die Stadt und vornehmlich in die prosperierenden Küstengebiete. Über 150 Millionen Wanderarbeiter verdingen sich zu kärglichsten Lohn. Das Land steht vor gigantischen Problemen. Die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land vertieft sich. Dramatische Umweltzerstörung und allgegenwärtige Korruption sind nur einige weitere einschlägige Stichworte. China ist nicht nur ein Wirtschaftswunderland. Der Autor verdeutlicht:
"China ist ein wirtschaftliches, politisches, soziales Pulverfass. Ob es sich um regionale Unterschiede, ob es sich um Spannungsverhältnisse zwischen Arm und Reich, Wanderbevölkerung, Umweltschäden, drohende Überalterung der Bevölkerung, riesige Arbeitsmarktprobleme handelt - die Liste ist unendlich lang. Und in allen Bereichen produziert China genauso wie es ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum produziert auch ein beeindruckendes Risikopotenzial. Wer dieses Land fair einschätzen will, ist gut beraten, nicht nur die traumhaft positiven Wirtschaftsdaten zu sehen, sondern eben auch die dramatisch gefährlichen insbesondere ökonomischen und sozialen Entwicklungen im Land. Was aus dieser riskanten Gemengelage werden kann, ist schwer zu prognostizieren. Tatsache ist, dass es über 25 Jahre unter politischen Stabilitätsgesichtspunkten gut gegangen ist. Das kann noch 20 Jahre weitergehen, das kann aber morgen schon ganz anders aussehen. Das ist das eigentliche Risiko im Umgang mit China."
Die Risiken im Umgang mit China werden in den USA und Europa unterschiedlich beurteilt. Die USA sehen China immer auch als potenziellen politisch-militärischen Widerpart:
"Dort gibt es auch die Stimmen, die China einbinden wollen in internationale Politik. Es gibt aber auch die konfrontatorische Position, die in China den nächsten wesentlichen Wettbewerber und damit eine Bedrohung für die USA sieht. Die derzeitige Regierung hat anfänglich sehr konsequent antichinesisch gearbeitet. Mit 2001 hat sich das geändert. Trotzdem, die Vereinigten Staaten sehen in China nicht nur einen Markt und einen Kooperationspartner, sondern im wesentlichen Teil auch einen militärischen Wettbewerber. Das lässt die Risiken der transpazifischen Beziehungen dauerhaft durchaus hoch erscheinen."
Deutlich unterschieden davon die europäische Sicht:
"Europa hat eine sehr viel chinafreundlichere Position. Für Europa ist China ein strategischer Partner, was immer man unter strategisch versteht. Bedauerlicherweise spielt sich die europäische Chinadebatte sehr, sehr positiv ausgedrückt, auf der Ebene deklaratorischer Politik ab. Alle Dokumente, die die EU zu China schreibt, lesen sich wie aus dem Bilderbuch internationaler Zusammenarbeit. In der Wirklichkeit sieht das leider etwas anders aus. Die einzelnen Mitgliedstaaten der EU betreiben eine radikale Konkurrenz untereinander, wenn es um Zugang zum chinesischen Markt geht. Am Ende spielt das nur unseren chinesischen Freunden in die Hände, die es natürlich meisterhaft verstehen, solche Unterschiede zu ihrem eigenen Nutzen auszunutzen."
Skeptisch ist der Autor gegenüber wohlfeilen Forderungen, westliche Demokratievorstellungen gegenüber anderen Kulturkreisen, auch gegenüber China, unbesehen einzufordern - einmal abgesehen davon, dass wirtschaftlich erfolgreiche Autokratien zuzeiten auch zu Demokratien werden können - siehe Südkorea oder Taiwan. Und ein Vergleich mit der gescheiterten amerikanischen Irakpolitik, Stichwort Demokratieexport, liegt nahe. Ohnehin werden nicht nur in China derartige Begründungen als purer Zynismus gesehen, insofern die USA, und nicht nur sie, im Nahmittelosten mit jedem Feudal- und Militärregime von Algerien und Libyen über Ägypten bis Saudi-Arabien zusammenarbeiten, solange es nur Öl liefert und israelkompatibel ist.
Der Autor schätzt den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas nicht gering ein. Aber er wendet sich nicht zuletzt angesichts der Probleme im Lande gegen die These, dass dieser Aufstieg nachgerade unwiderstehlich sei. Auf die Frage, ob wie vielerorts beschworen ein asiatisches Jahrhundert drohe, ist seine Antwort eindeutig:
"Nein. Tue ich nicht. Das 21. Jahrhundert wird global sein. Es ist völlig richtig, dass wir im Augenblick beeindruckt sind durch die Tatsache, dass gerade Länder wie China und Indien jetzt aufsteigen. Aber sie kommen aus einem sehr niedrigen Niveau. Sie machen einen Nachholprozess durch, den andere Länder zuvor auch durchgemacht haben. Am Ende wird das 21. Jahrhundert von einer neuen multipolaren Ordnung charakterisiert sein. Ich halte in dem Sinne alle Abgesänge auf den Westen, etwa auch für Europa, für absolut verfrüht. Letztendlich aber liegt es an uns, wie wir mit diesen Herausforderungen umgehen. Wir werden uns darauf einstellen müssen, wir werden Mittel und Wege finden müssen, unsere eigene Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten gegenüber solchen Staaten. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass der Westen automatisch absteigen muss, nur weil Asien aufsteigt."
Eberhard Sandschneider: Globale Rivalen. Chinas heimlicher Aufstieg und die Ohnmacht des Westens
Carl Hanser Verlag, München 2007
248 Seiten, 19,90 Euro