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Aus der Mottenkiste

Die ARD hievt das neue "Dalli Dalli" mit Kai Pflaume in die Primetime des Ersten, RTL erweckt den Spielshowklassiker "Familienduell" aus den Kindertagen des Privatfernsehens zu neuem Leben. Das Fernsehen setzt auf Retro-Formate. Auch aus Kostengründen.

Von Klaus Deuse | 31.08.2013
    "Herzlich willkommen ... zu der unbestritten lustigsten Spielshow im deutschen Fernsehen ... "

    ….zeigt sich Kai Pflaume von der Qualität der von ihm präsentierten Unterhaltungssendung locker überzeugt. Die heißt übrigens Dalli Dalli und ist keinesfalls neu auf der Mattscheibe. Erfunden hat diese Spielshow einst Hans Rosenthal, der damit von 1971 bis 1986 dem ZDF einen Quoten-Dauerbrenner bescherte. Und wenn die Kandidaten fabelhaft mitspielten, dann hob Hans Rosenthal mit dem legendär gewordenen Luftsprung ab.

    "Sie sind der Meinung: Das war Spitze!"

    Der Luftsprung gehört auch für Rosenthals TV-Epigonen Kai Pflaume zum Pflichtprogramm.

    "Sie sind der Meinung: Das war Spitze!"

    Und oh Wunder: Das reanimierte Dalli Dalli ist Spitze. Nach drei Staffeln im NDR-Fernsehen mit zweistelligen Einschaltquoten bekommt das Format einen Platz im Primetime-Abendprogramm der ARD. Mit einem Spielkonzept, das über 30 Jahre auf dem Buckel hat. Wenn das Fernsehen tatsächlich gesellschaftliche Trends widerspiegelt und somit bei der Programmgestaltung auch die Interessen älter gewordener Zuschauer im Blick hat, dann kommt diese Entwicklung für Ulrich Spies vom Grimme-Institut nicht wirklich überraschend.

    "Wir haben ja nicht nur in der Mode die Retro-Welle seit Jahren, die wir beobachten, sondern offensichtlich scheint das auch in den Medien der Fall zu sein, dass man sich gerne an alte Zeiten erinnert und noch mal aus der Mottenkiste Dinge heraus holt, an denen man sich so vor 20, 30 Jahren delektiert hat."

    Aber Medienexperte Spies erkennt neben mangelnder Fantasie für die Entwicklung neuer Formate noch andere Beweggründe.

    "Dort sehe ich eher den Zwang zur kostengünstigen Produktion von Formaten. Denn wenn man ein neues Format platzieren will, dann kostet das viel auf dem internationalen Markt. Und man hat ja nicht die Gewähr dafür, dass es dann wirklich von jetzt auf gleich funktioniert. Insofern auf etwas Bewährtes zu setzen und das noch mal wieder hochzuholen und mit einer neuen Person, einer jüngeren Person zu besetzen, ist sicherlich einen Versuch wert."

    In Zeiten sinkender Zuschauerzahlen und gekürzter Etats geht es für die TV-Sender bei Unterhaltungsformaten um eine möglichst kostengünstige Erfolgsgarantie.

    "Das wäre ein Aspekt. Auf jeden Fall. Denn die Segmentierung des Publikums nimmt ja dadurch ständig zu, dass man immer Spartenkanäle auch ins Leben ruft."

    Mit dem Rückgriff auf Altbewährtes steht die ARD mit der Wiederbelegung von Dalli Dalli jedoch nicht allein. Beim Privatsender RTL griff man nicht minder tief ins Rechte-Archiv und erweckte den Spielshowklassiker "Familienduell" aus den ganz frühen Kindertagen des Privatfernsehens zu neuem Leben. Mit Erfolg – denn bei der bisherigen Auswahl der eingeladenen Familien traten die ganz Schrillen an, neben denen man im wirklichen Leben nicht unbedingt wohnen möchte. Zum Beispiel einem bei der Polizei und den Boulevardmedien bekannten Bordellbesitzer samt seiner bunten Sippe.

    Nun ja, im privaten Fernsehen gelten selbst beim Griff in die Mottenkiste andere Spielregeln. Aber nicht jedes Asbach-Uralt Format, das einst Mega-Quoten einfuhr, kommt heutzutage an. Geschlagene 15 Jahre sorgte Dieter Thomas Heck mit dem Ratespiel "Die Pyramide" beim ZDF für hochzufriedene Minen. Die Wiederbelebung bei ZDFneo knallte allerdings voll vor die Quotenwand und verschwand wieder in der Versenkung. Bleibt abzuwarten, was SAT 1 in diesem Herbst blüht. Immerhin ist der Sender wild entschlossen, mit eingesperrten Möchtegernpromis aus der allerletzten Reihe auf die Retro-Welle aufzuspringen. Man möchte es am liebsten nicht glauben: Doch SAT 1 erweckt Big Brother zu neuem Leben. Natürlich kann man in der Fernsehunterhaltung das Rad nicht neu erfinden. Aber auch beim kostengünstigen Griff ins Archiv gibt es Geschmacks-Grenzen.