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Aus der Traum vom Paradies

Mit dem Ersten Weltkrieg war der wilhelminische Traum, dem Deutschen Reich einen dauerhaften "Platz an der Sonne" zu verschaffen, endgültig ausgeträumt. Spuren hat die deutsche Kolonialzeit im pazifischen Raum dennoch hinterlassen, wie jüngst auf einer Tagung im Rahmen der Berliner Asien-Pazifik-Wochen deutlich wurde.

Von Katharina Borchardt |
    Sie sind aus aller Welt angereist, um in Berlin über die deutsche Kolonialherrschaft im Pazifik zu debattieren: Wissenschaftler, Politiker und Missionare aus Samoa, Neuguinea, Neuseeland, Australien und aus Deutschland. Im Publikum saßen außerdem zahlreiche Deutsche, deren Vorfahren einst den Traum von der Südsee träumten und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausschifften, um sich auf Samoa, Tonga, Palau oder auf dem Bismarck-Archipel niederzulassen. James Bade von der Universität in Auckland, Neuseeland, hat ihre Geschichte erforscht:

    "Es waren viele deutsche Händler im Südpazifik, und die interessierten sich meistens für Kopra. Die hatten Plantagen da und hatten dann Schiffsverbindungen gegründet auf Tonga und Samoa, auch in der Nähe von Neuguinea."

    Kopra – das ist das Fleisch der Kokosnuss, das sich unter anderem gut für die Herstellung von Seife eignet. Die deutschen Händler machten damit ein gutes Geschäft. Die Politik aber interessierte sich erst sehr viel später dafür, die deutschen Handelsniederlassungen unter militärischen Schutz zu stellen und die Inseln damit ins Deutsche Reich einzugliedern. Erst Mitte der 1880er Jahre eroberten die Deutschen Gebiete in Afrika und übernahmen auch die Kontrolle über einige Inseln im Pazifik. Während man sich hierzulande für die koloniale Vergangenheit schämt, sieht Hermann Misa Telefoni Retzlaff diese erstaunlich positiv. Er ist der stellvertretende Premierminister von Samoa, und sein Großvater war selbst ein Deutscher:

    "Zunächst einmal waren viele Deutsche, die nach Samoa kamen, studierte Leute. Deshalb waren sie kulturell sehr sensibel. Außerdem verteidigten die Deutschen keine ihrer Südsee-Kolonien, als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Der deutschen Regierung war schließlich klar, dass viele Einheimische getötet und ihr Besitz zerstört werden würde, wenn man gegen die Alliierten kämpfte. Das zeigt meiner Meinung nach ganz deutlich, dass den Deutschen das Wohlergehen der Einheimischen sehr am Herzen lag."

    Dass Samoa ohne seine Kolonialgeschichte heute kein geteiltes Land wäre, sprach Hermann Misa Telefoni Retzlaff nicht an. Stattdessen betonte er, dass die Samoaner den Deutschen für ihre ethnologischen Studien und die historischen Fotographien von der Insel bis heute dankbar seien. Außerdem seien sie von den Deutschen nie versklavt worden. Die Konferenz in Berlin war also nicht der Ort, wo späte Vorwürfe vorgebracht oder Entschuldigungen für die einstige Fremdherrschaft eingefordert wurden.

    Bedauert wurde allerdings von mehreren Rednern, dass in Deutschland kaum noch jemand weiß, dass es in der Südsee einst deutsche Kolonien gegeben hat. Auch die Politik kümmere sich viel zu wenig um Inseln wie Nauru, die Marianen oder die Salomonen, zu denen doch eigentlich eine besondere historische Verbindung besteht, meint Hermann Hiery von der Universität Bayreuth, einer der Mitorganisatoren der Tagung:

    "Es herrscht die Vorstellung - eben auch im Auswärtigen Amt: Was wollen wir denn in der Südsee? Wir kennen das doch: Da ist wirtschaftlich nichts zu holen usw. Wollen wir da einen Botschafter hinschicken? Der braucht dann extra viel Geld, um zu den einzelnen Inseln zu fahren. Wie macht er denn das? Die Flüge sind sehr teuer. Obwohl das politisch für Deutschland heute sehr wichtig ist. Nirgends auf der Welt sind so viele unabhängige Staaten vorhanden, die Sitz und Stimme in den Vereinten Nationen haben. Und diese Staaten sind potentiell sicherlich nicht gegen Deutschland eingestellt. Das heißt: Hier vergibt man eigentlich diplomatisch eine Chance, wenn man nicht vertreten ist."

    Damit die Tagung auch ein wenig auf die Politik zurückwirkt, wurde ebenfalls ein Referent vom Auswärtigen Amt eingeladen. Augenblicklich hat Deutschland auf keiner der Inseln, die früher einmal zum sogenannten "Deutschen Schutzgebiet" gehörten, eine diplomatische Vertretung. Für sie sind die deutschen Botschaften auf den Philippinen, Neuseeland und in Australien zuständig.