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Aus für die Frankfurter Kunstmesse

Galerist Michael Neff gibt die Frankfurter Kunstmesse nach zwei Jahren auf. Da er seinen eigenen Qualitätsanspruch nicht mehr erfüllen könne, müsse er "den Bremsfallschirm ziehen" und auf die Messe verzichten. "Wir haben definitiv weltweit viel zu viele Messen", beklagte Neff ein Überangebot.

Moderation: Michael Köhler |
    Michael Köhler: Frankfurt am Main wird in diesem Jahr keine eigene Kunstmesse ausrichten. Eine nüchterne Nachricht. Frankfurt wird in diesem Jahr keine eigene Kunstmesse ausrichten. Für uns aber Grund, mit dem Veranstalter, genauer mit dem leitenden Galeristen, Michael Neff einmal darüber zu sprechen, warum. Angesichts eines Überangebotes wollten sie nämlich und sollte die Frankfurter Kunstmesse eine Nische schaffen. Nun geben Sie nach nur zwei Jahren auf. Fehlt Ihnen der lange Atem, die Kunden, oder woran liegt es?

    Michael Neff: Bestimmt ist von jedem so ein Stück dabei, aber als ich angetreten bin vor zweieinhalb Jahren oder fast drei Jahren, haben wir eine Weile gebraucht, bis ich es soweit hatte. Da war das Überangebot noch nicht so massiv. Aber der Punkt ist: Sie haben ein Jahr lang Zeit, eine Messe zu planen, müssen also im Vorfeld schon ein Jahr voraus sein mit dem, was Sie präsentieren oder wie Sie es präsentieren. Und bis das Jahr dann rum ist und bis es präsentiert ist, ist es eigentlich fast schon ein alter Hut auf dem Messemarkt, wenn wir jetzt mal so böse sind. Das ist schon eine Schwierigkeit. Also so eine Außenseitermesse zu positionieren, wie wir es in Frankfurt haben oder wie ich sie haben wollte, ist noch viel schwieriger als eine "normale Messe" in Anführungsstrichen. Und von den normalen Messen gibt es ja fast in jeder Großstadt schon eine, also ist es doppelt so schwer. Und wenn ich aber einen gewissen Qualitätsanspruch habe und kann ihn aber selber vor meinen eigenen Augen nicht erfüllen, dann muss ich doch selber den Bremsfallschirm ziehen und muss sagen, okay, das ist so gar nicht mehr zu realisieren. Da ist die Zeit viel schneller und der Trend viel schneller, als ich selber gucken kann.

    Köhler: Herr Neff, Sie sind nicht allein, auch in Köln kriselt es gewaltig. Man hat sich gerade vom Kunstmessenchef getrennt, will sich neu aufstellen, wie man das so sagt. Was hat sich verändert? Ist der Markt heute anders, sind die Künstler, die Käufer, die Konsumenten anders?

    Neff: Ja, alles ist immer anders. Aber es ist nie so, dass es keinen Rhythmus hat und dass man sagen kann, früher war alles, oder es ist ja heute was total Fremdes. Es ist einfach eine Entwicklung. Auch bei einer Kunstmesse muss man rechtzeitig, muss man Trends erkennen und darf sie auch nicht verschlafen. Und die Kölner Messe ist sehr groß und sehr schwerfällig. Bis sich da was ändert, dauert es noch viel, viel länger als bei so einer kleinen Messe wie bei mir oder wie in London oder wie von mir aus in Brüssel, wo man auf schnelle Reflexe, auf schnelle Trends einfach viel schneller reagieren kann.

    Köhler: 10.000 Besucher sind zu wenig. Haben wir zu viel Messen, oder ist es nicht so, dass man ähnlich wie in der Stadt, wo man sagt, da ist ein Supermarkt, wenn der lebt, kann auch ein zweiter noch leben?

    Neff: Ja, das stimmt auch, aber wir haben definitiv weltweit viel zu viele Messen. Allein in Deutschland dank des Föderalismus haben wir, glaube ich, bestimmt schon fast zehn Kunstmessen, große wie kleine. Das ist völlig absurd. Das verträgt kein Markt, das braucht es ja auch gar nicht. Die Nächsten, die antreten werden, ist, glaube ich, Stuttgart im Jahr 2009 oder 2010.

    Köhler: Heute wird im Atelier zunehmend gekauft, beim Erzeuger gewissermaßen, beim Künstler. Damit fällt eine gewisse - ich sag es mal etwas altmodisch - eine Reifung weg, eine Dauer, eine gewisse Zeit. Der Galerist als ein - ich nehme mal ein Bild aus der Ernährungswirtschaft - als Affineur, also als ein Veredler, als jemand, der für Reife und für Güte und Qualität eigentlich da ist, ist der inzwischen überflüssig?

    Neff: Nein, das mit dem Atelier, das ist ein Trugschluss. Das ist sorum, dass die Künstler schon von der Akademie herunter in Galerien ausstellen. Das ist das Problem. Die Galerie funktioniert mittlerweile mehr als Durchlauferhitzer, als Connaisseur oder als Pfleger oder als Halter von bestimmten Werten. Problem ist, dass die Künstler auch an diesem Braten gerochen haben und der Markt ist so sehr erhitzt, dass: Alle wollen jetzt am großen Geld partizipieren. Und dadurch wird es immer schneller. Also es gibt kaum Zeit für einen jungen Künstler, in einer Galerie zu reifen und durch Ausstellungen quasi heranzuwachsen. Es wird alles meistens sofort leergekauft, es gibt Sammler, die schmeißen es sofort wieder auf Auktionshäuser. Also dieser Turnus ist wahnsinnig schnell und wahnsinnig aufreibend. Das ist das Problem.

    Köhler: Sind Frankfurt und Köln im Vergleich zu Miami, Berlin, Basel, London nicht hip genug?

    Neff: Ja, als Stadt bestimmt auch. Das ist aber ein Punkt. Aber ich meine, wenn Sie im Januar nach Basel gehen, fallen Sie auch tot um, da ist ja leider auch nichts los. Es ist halt da gewachsen. Man kann aber nicht, und das ist ein großer Fehler, das machen alle Leute immer, Sie können nicht die Messen eins zu eins miteinander vergleichen: Madrid, Paris, Frankfurt, Köln, jedes Mal ist eine ganz andere Struktur, ist ein ganz anderer Rhythmus gewesen und ganz andere Entstehungsprozesse. Man kann nicht sagen, wir machen es so wie, und dort war es auch so. Jede Stadt, jede Messe hat ein eigenes Profil, eine eigene Herkunft und auch ein eigenes Kriterium und eine eigene Problematik. Die kann nicht miteinander eins zu eins vergleichen.

    Köhler: Herr Neff, mögen Sie Köln?

    Neff: Sehr.

    Köhler: Da ist ein Job frei. Können Sie sich vorstellen, ihn zu übernehmen?

    Neff: Nein, hat mich noch keiner gefragt.

    Köhler: Ändert sich vielleicht noch. Der leitende Galerist Michael Neff, Frankfurt, wird in diesem Jahr keine eigene Kunstmesse ausrichten.