Dienstag, 21. Mai 2024

Archiv

Aus für South Stream
Fleckenstein: Nicht nur Russland trägt Schuld

Russland Präsident Putin verkündet das Aus für das Pipeline-Projekt South Stream. Das sei nicht nur eine Drohung, sagte Knut Fleckenstein, Europaparlamentarier der SPD, im DLF. Kritisch sei allerdings auch die Haltung der EU: Wenn man das Projekt wirklich nicht wolle, dann brauche man auch nicht weiter verhandeln.

Knut Fleckenstein im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 03.12.2014
    Knut Fleckenstein, Europa-Abgeordneter der SPD
    Knut Fleckenstein, Europa-Abgeordneter der SPD (dpa)
    Größter Gaslieferant für Deutschland ist bislang der russische Konzern Gazprom. Nach der Ankündigung von Russlands Präsident Wladimir Putin, das Pipeline-Projekt South Stream einzustellen, wird über die Hintergründe der Entscheidung und deren Folgen diskutiert. Auch wenn viele in Brüssel in der Ankündigung eher eine Drohung sähen, sei sie aus seiner Sicht ernst gemeint, sagte Europaparlamentarier Knut Fleckenstein (SPD). Brüssel habe das Projekt teilweise torpediert, weil man ohnehin andere Prioritäten setzen wollte. Darauf habe Russland jetzt reagiert.
    Die Haltung der Europäische Union sieht Fleckenstein kritisch. Einerseits sage man, dass man die Pipeline gar nicht brauche, andererseits wolle man mit Russland weiterverhandeln. "Man muss sich mal entscheiden, was man will! Mir erscheint das nicht stringent. Wenn sie sie nicht wollen, brauchen sie auch nicht weiterverhandeln," sagte Fleckenstein.
    Ob das Projekt endgültig gestorben sei, wollte Fleckenstein nicht abschließend bewerten.

    Dirk-Oliver Heckmann: Mit großem Aplomb war es gestartet worden, das Pipeline-Projekt namens South Stream, das Erdgas vorbei an der Ukraine von Russland nach Europa bringen sollte. Bis, ja bis vorgestern Abend Kreml-Chef Wladimir Putin am Rande seines Staatsbesuchs in der Türkei kurzerhand meldete, unter den jetzigen Bedingungen ist das Projekt nicht umsetzbar. Gazprom-Chef Miller wurde noch deutlicher, und er meinte: "Das war's! Das Projekt ist am Ende." Den Gashandel mit der Türkei, den will man jetzt stattdessen drastisch erhöhen. Zugleich senkte Moskau die Preise für seine Gaslieferungen an Ankara.
    Am Telefon ist jetzt Knut Fleckenstein von der SPD. Er ist stellvertretender Vorsitzender der SPE-Fraktion im Europaparlament, Mitglied der EU-Russland-Delegation. Ich grüße sie, Herr Fleckenstein.
    Knut Fleckenstein: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    Heckmann: Mittlerweile häufen sich die Stimmen, auch in Brüssel, wie man hört, die sagen, das Ganze ist vor allem Rhetorik von Seiten von Wladimir Putin. Ist das Ganze also eher eine Drohung, oder ist das Ganze ernst gemeint?
    Fleckenstein: Na, das Ganze ist ernst gemeint - insofern, dass er gesagt hat, unter diesen Bedingungen, die es im Moment gibt, ist das Projekt nicht durchführbar. Und wenn Sie es ein bisschen sarkastisch sagen wollen, dann können Sie sagen, Herr Putin hat überraschenderweise sich dem Europäischen Parlament angeschlossen, das mit Mehrheit ja diese Gas-Pipeline auch nicht haben will.
    Heckmann: Und das ist für Sie eine richtige Entscheidung gewesen?
    Fleckenstein: Nein, das ist Unsinn. Das ist eine Frage von Wirtschaftlichkeit in erster Linie. Aber es gibt eben eine Reihe von Menschen, auch bei uns, die sagen, wir wollen unabhängiger werden vom russischen Gas, wir wollen diese Pipeline nicht haben, und auch mit Blick auf die Ukraine sozusagen nicht die Ukraine umlaufen mit Gasleitungen. Das ist dann eben schwierig geworden. Immerhin haben die Russen schon zirka viereinhalb Milliarden investiert. Das ist sicherlich auch keine einfache Entscheidung, vielleicht auch nicht das letzte Wort. Da spielen ja mehrere Dinge eine Rolle.
    "Brüssel hat teilweise torpediert"
    Heckmann: Die Europäische Union, die hat ja argumentiert, diese Pipeline, die verstoße möglicherweise gegen EU-Recht, denn Gazprom hat als Lieferant und Mitbetreiber dieser Pipeline womöglich eine zu starke Stellung. Günther Oettinger, der ehemalige Energiekommissar, der hat vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise gesagt, es sei das Gebot der Stunde, alles zu unternehmen, damit die Abhängigkeit von russischem Gas keine gravierenden Folgen nach sich zieht. Also aus Ihrer Sicht: Hat Brüssel das Projekt torpediert?
    Fleckenstein: Ja. Brüssel hat es teilweise zumindest torpediert, weil sie andere Prioritäten setzen wollen, zumindest verbal, und darauf hat die russische Seite jetzt reagiert.
    Heckmann: Aber ist es nicht ganz richtig, wirklich auch auf die Einhaltung von EU-Recht zu pochen?
    Fleckenstein: Schauen Sie, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Das eine ist die Abhängigkeit vom russischen Gas. Einverstanden bin ich damit, dass man sagt, man darf sich nicht völlig abhängig davon machen, man muss auch Alternativen prüfen und auch durchführen, wenn es denn wirtschaftlich möglich ist. Zum Beispiel wäre es ganz wichtig, dass wir mehr mit LNC handeln, um einen Spotmarkt zu bekommen und nicht von diesen langen Lieferverträgen mit Preisklauseln abhängen, die immer solche Röhrengeschäfte sozusagen, wenn das Gas aus der Pipeline kommt, bringen. Das ist sicherlich richtig. Was ich nicht verstehe ist die Kritik, sozusagen die Ukraine zu umgehen. Schauen Sie, das Gas ist viele, viele Jahre durch die Ukraine gekommen. Immer wieder haben die damaligen Regierenden sich Gas abgezwackt und hinterher darüber beschwert, dass sie es auch noch bezahlen müssen. Da ist irgendetwas politisch auch nicht sauber argumentiert, finde ich, auf unserer Seite.
    Das andere ist die Frage, ob man - das gilt ja nicht nur für Russland - Netze, die Betreiber von diesen Netzen unabhängig machen muss von den Gaslieferanten, damit sie nicht sozusagen bis in unser Wohnzimmer hinein alles beherrschen können. Das ist richtig. Das gilt nicht nur für Gazprom, das gilt für alle anderen auch.
    Darüber ärgert sich auch nicht nur Gazprom, sondern auch Wintershall und andere, die investiert haben. Diesen Ärger kann ich verstehen, wenn es so ist, dass man nur einen Teil sozusagen über sein eigenes Gasnetz verfügen kann. Aber auf der anderen Seite muss man sehen, dass die Abhängigkeit, die da geschaffen wird, viel zu groß wäre, und insofern ist das eine richtige Politik. Dafür gibt es aber auch Möglichkeiten, sage ich mal, dieses Problem zu lösen.
    Heckmann: Herr Fleckenstein, jetzt gibt es ja einige Experten, die sagen, diese Pipeline, die da geplant gewesen ist und die jetzt erst mal auf Eis liegt, die würde von Europa eigentlich gar nicht gebraucht. Ist es nicht so, dass die Europäische Union nicht in der Tat froh sein kann, dass das Projekt gestorben ist, um die Abhängigkeit von Russland nicht noch zu erhöhen?
    "Manchmal wird das ein bisschen einfach dargestellt"
    Fleckenstein: Ja. Wenn wir das Gas woanders herbekommen, was wir brauchen, und wenn wir uns vor allem auf eigene Energiequellen, alternative Energien konzentrieren, ...
    Heckmann: ... , was ja passiert.
    Fleckenstein: ... , kann es so sein. - Bitte?
    Heckmann: ... , was ja passiert!
    Fleckenstein: Ja, ja, kann das auch so sein. Ich will gar nicht sagen, dass wir das Projekt um jeden Preis brauchen. Aber so zu tun, als ob jetzt die bösen Russen plötzlich eingeschnappt was Böses machen, das ist ein bisschen einfach, wie das manchmal dargestellt wird.
    Heckmann: Die Europäische Union will aber auch weiter verhandeln. Die Tür ist noch nicht ganz zu. Hat das Zweck aus Ihrer Sicht?
    Fleckenstein: Die Frage ist, Herr Heckmann: Man muss sich mal entscheiden, was man will! Hier werden große Sprüche geklopft, wir wollen diese Pipeline gar nicht, und gleichzeitig wird erzählt, wir werden aber weiterverhandeln darüber. Mir erscheint das nicht in irgendeiner Form stringent.
    Heckmann: Wie wird das Ganze ausgehen aus Ihrer Sicht?
    Fleckenstein: Wenn sie sie nicht wollen, brauchen sie auch nicht weiterverhandeln.
    Heckmann: Wie wird das Ganze ausgehen aus Ihrer Sicht?
    Fleckenstein: Ich glaube, dass das sehr abhängig ist von der Großwetterlage, und insofern wage ich nicht zu wetten. Aber ich sehe immer noch eine Chance, dass es South Stream geben wird.
    Heckmann: Das Gas-Pipeline-Projekt South Stream liegt auf Eis. Das hat der russische Präsident Putin vorgestern angekündigt. Wir haben darüber gesprochen mit Knut Fleckenstein von der SPD. Er ist stellvertretender Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Herr Fleckenstein, danke für das Gespräch.
    Fleckenstein: Danke Ihnen, Herr Heckmann. Tschüss.