Die Autoren der in Wilhelmshorst bei Berlin erscheinenden Literaturzeitschrift "moosbrand" sind sich in dieser Frage nicht einig. Denn das Material, dem sie sich im aktuellen Heft 6 ihrer Zeitschrift widmen, birgt viele Widersprüche und erlaubt noch keine abschließende Bewertung: Es geht um die allerjüngste Autorengeneration in West- und Ost-Deutschland, die erst nach 1989 zu veröffentlichen begonnen hat. Gegen die einschlägigen Topoi vom Ost-Autor als edlen Wilden zieht hier der konservative Essayist Tilman Krause zu Felde: Spätestens der Schriftsteller Ingo Schulze habe, so Krause, alle Klischees über die Beschaffenheit von Ost-Autoren ad absurdum geführt. Tatsächlich orientiert sich Schulze in seinem grandiosen Erfolgsbuch "Simple Storys" eben nicht an den melancholischen Untergangsphantasien eines Volker Braun oder Wolfgang Hilbig, sondern spielt souverän mit amerikanischen Erzählmustern - und ist mit seiner virtuosen Adaption der "short story" in keiner Ost-West-Typologie mehr unterzubringen.
Auch der Leipziger Literaturwissenschaftler Peter Geist macht in seinem "moosbrand"-Essay mobil gegen Ost-Klischees und westliche Intellektuellen-Ignoranz. In einer großen analytischen Kraftanstrengung sondiert er das Terrain der jungen deutschen Lyrik und führt uns in die aktuellen poetischen Spannungszonen. An erster Stelle in Geists nicht immer überzeugenden Beispielliste steht der Dresdner Dichter Christian Lehnert, die zur Zeit suggestivste Stimme der jungen Lyrik. Lehnerts phantasmagorische Kraft und mystisch inspirierte Wahrnehmungsekstasen sind bislang viel zu wenig gewürdigt worden.
Gegen den Geistschen Optimismus in Sachen junger deutscher Lyrik setzt Dieter M. Gräf einen sehr kühlen Erfahrungsbericht: Seine "Besichtigung einer Einbahnstraße" handelt von der "schier unglaublichen Selbstbezogenheit" in ostdeutschen Dichter-Diskursen, von der Stagnation einer Lyrik-Szene, von der man noch vor einem Jahrzehnt eine revolutionäre Umwälzung des poetischen Sprechens erwartet hat. Die vermeintlich subversiven Sprachakrobaten vom Prenzlauer Berg, so legt Gräf nahe, haben ihren Charme längst verloren, "das Exotische ist fast weg."
Von einer "Westbindung" in der Traditionsorientierung, wie sie Tilman Krause an junger Literatur beobachtet haben will, ist allerdings in den zentralen Texten des "moosbrand"-Heftes wenig zu sehen. Im Gegenteil: Die Reisen der jungen Autoren Katharina Gericke und André Kubiczek führen in den tiefsten Osten. Katharina Gericke erzählt in realistischer Prosa eine tragikomische Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau und einem Stasi-Informanten im vorrevolutionären Leipzig des Oktober 1989; der erst 29jährige Andre Kubiczek schickt uns dann in einem imaginären "Trans-Europa-Express" durch südosteuropäische Metropolen. Die vorbildfähigen Formen der Freiheit, nach der seine Helden hungern, zeigen sich sowohl in Bratislava als auch in Budapest erst als matter Vorschein westlicher Jugendkultur.
Entgegen aller Dementis gibt es ihn in der Literatur also doch noch, den Osten - es gibt, so dokumentiert das neue "moosbrand"-Heft, eine ost-spezifische existenzielle Grundierung des Schreibens, die sich von der Erfahrungsbasis westlicher Autoren erheblich unterscheidet.
Auch der Leipziger Literaturwissenschaftler Peter Geist macht in seinem "moosbrand"-Essay mobil gegen Ost-Klischees und westliche Intellektuellen-Ignoranz. In einer großen analytischen Kraftanstrengung sondiert er das Terrain der jungen deutschen Lyrik und führt uns in die aktuellen poetischen Spannungszonen. An erster Stelle in Geists nicht immer überzeugenden Beispielliste steht der Dresdner Dichter Christian Lehnert, die zur Zeit suggestivste Stimme der jungen Lyrik. Lehnerts phantasmagorische Kraft und mystisch inspirierte Wahrnehmungsekstasen sind bislang viel zu wenig gewürdigt worden.
Gegen den Geistschen Optimismus in Sachen junger deutscher Lyrik setzt Dieter M. Gräf einen sehr kühlen Erfahrungsbericht: Seine "Besichtigung einer Einbahnstraße" handelt von der "schier unglaublichen Selbstbezogenheit" in ostdeutschen Dichter-Diskursen, von der Stagnation einer Lyrik-Szene, von der man noch vor einem Jahrzehnt eine revolutionäre Umwälzung des poetischen Sprechens erwartet hat. Die vermeintlich subversiven Sprachakrobaten vom Prenzlauer Berg, so legt Gräf nahe, haben ihren Charme längst verloren, "das Exotische ist fast weg."
Von einer "Westbindung" in der Traditionsorientierung, wie sie Tilman Krause an junger Literatur beobachtet haben will, ist allerdings in den zentralen Texten des "moosbrand"-Heftes wenig zu sehen. Im Gegenteil: Die Reisen der jungen Autoren Katharina Gericke und André Kubiczek führen in den tiefsten Osten. Katharina Gericke erzählt in realistischer Prosa eine tragikomische Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau und einem Stasi-Informanten im vorrevolutionären Leipzig des Oktober 1989; der erst 29jährige Andre Kubiczek schickt uns dann in einem imaginären "Trans-Europa-Express" durch südosteuropäische Metropolen. Die vorbildfähigen Formen der Freiheit, nach der seine Helden hungern, zeigen sich sowohl in Bratislava als auch in Budapest erst als matter Vorschein westlicher Jugendkultur.
Entgegen aller Dementis gibt es ihn in der Literatur also doch noch, den Osten - es gibt, so dokumentiert das neue "moosbrand"-Heft, eine ost-spezifische existenzielle Grundierung des Schreibens, die sich von der Erfahrungsbasis westlicher Autoren erheblich unterscheidet.