Montag, 29. April 2024

Archiv

Außer Kontrolle
Der Kampf gegen Ebola in Westafrika

Schlimmer denn je wütet das Ebola-Virus in Afrika. Der Westen des Kontinents wurde völlig unvorbereitet getroffen. In Guinea, Sierra Leone und Liberia sind seit April bereits mehr als 500 Menschen gestorben - dennoch wurde die Dimension des Ausbruchs unterschätzt und verharmlost. Beim Kampf gegen die Seuche stoßen internationale Helfer längst an ihre Grenzen.

Von Alexander Göbel | 05.07.2014
    Frauen in Liberia sitzen auf Plastikstühlen und lesen Informationsblätter über den Schutz vor dem Ebola-Virus
    Ebola-Virus in Liberia: UNICEF informiert auf Informationsblättern über Möglichkeiten, sich vor der Epidemie zu schützen. (picture alliance / dpa/ Ahmed Jallanzo)
    Elizabeth ist eine Todgeweihte. Vor Schmerzen gekrümmt liegt sie in einer Isolierstation aus Plastikplanen in Foya, im Norden Liberias, an der Grenze zu Guinea. Elizabeth blutet stark an den Händen, an den Füßen, im Gesicht. Zum Sprechen ist sie zu schwach. Elizabeth ist Krankenschwester, hat sich bei Ebola-Patienten angesteckt - jetzt stehen ihre Kollegen in absurden, weiß-gelben Gummi-Schutzanzügen vor ihr, wie Marsmenschen sehen sie aus, und besprühen sie mit Desinfektionsmittel.
    Das Ebola-Virus wurde unterschätzt
    Die Krankenschwester weiß, dass sie sterben wird. Sie wird eines der Opfer der schlimmsten Ebola-Epidemie sein, die es je gegeben hat – Westafrika wurde kalt erwischt. Ground Zero, der Ursprung der aktuellen Ebola-Seuche ist Guinea. Geographisch gesehen umrahmt das Land Sierra Leone und Liberia, und mittlerweile sind auch dort Dutzende Tote zu beklagen, täglich werden es mehr. Guinea, von den Nachbarstaaten nur durch schmale Flüsse oder Wälder getrennt, hätte die Ausbreitung vielleicht noch verhindern können. Doch wie viele andere unterschätzte auch Präsident Alpha Condé die Ebola-Gefahr, sprach noch im April davon, die Krankheit sei eingedämmt, die Helfer von Ärzte ohne Grenzen sollten abziehen. Condé wollte die Investoren in seinem Land nicht verschrecken. Verheerend, sagt der Mikrobiologe Peter Piot, einer der Entdecker des Ebola-Virus.
    "Dies ist eine Epidemie, die durch marode Gesundheitssysteme verschuldet wurde. Krankenschwestern und Ärzte sterben als erstes, dann die Angehörigen der Opfer. Das fehlende Vertrauen in den Gesundheitssektor - das ist mindestens so gefährlich wie das Virus selbst."
    Das dürfte den Gesundheitsministern der betroffenen Länder nun auch klar geworden sein – in Ghanas Hauptstadt Accra haben sie gerade zwei Tage beraten, wie Westafrika diese Epidemie noch unter Kontrolle bekommen kann. Die Herausforderungen sind enorm. Remy Lamah, Gesundheitsminister von Guinea:
    "Erklären Sie mal einer Bevölkerung, die weder lesen noch schreiben kann, dass es für diese Ebola keine Medizin gibt, dass man aber trotzdem die Kranken mitnehmen muss, um sie zu isolieren. Dann sagen die Angehörigen, warum sollen wir unsere Kranken weggeben, sie einsperren lassen, wenn sie doch in der Isolierstation sterben? Deshalb kümmern sie sich lieber selbst oder gehen zu einem traditionellen Heiler."
    Mitglieder von Ärzte ohne Grenzen  in gelben Schutzanzügen und weißem Kopf- und Mundschutz
    Mitglieder von Ärzte ohne Grenzen versuchen in Guinea, die weitere Ausbreitung der Ebola-Epidemie zu verhindern (AFP/ Cellou Binani)
    Die Situation wird immer schlimmer, sagt Bernice Dahn von Liberias Gesundheitsministerium. „Viele Menschen geraten in Panik, sie begreifen Ebola nicht. Dazu kommen Traditionen bei der Pflege von Kranken, aber auch Totenkulte, die Leichen werden gewaschen, umarmt und geküsst, zur Bestattung oft sogar über Landesgrenzen gebracht – das macht uns die Arbeit sehr schwer. Viele Menschen stecken sich bei ihren Angehörigen an. Deshalb hat ja auch Präsidentin Johnson-Sirleaf gesagt, dass es nach dem Gesetz ab sofort strafbar ist, Kranke oder Tote zu Hause zu verstecken."
    Das Virus greift nicht nur die Gesundheit der Menschen an - sondern es bedroht auch das extrem wichtige Sozialgefüge afrikanischer Gesellschaften. Hier müsste der Kampf gegen Ebola ansetzen, ist Guineas Gesundheitsminister Lamah nach der Konferenz in Accra überzeugt:
    „Wir können diese Epidemie nur ausrotten, indem wir besser kommunizieren, indem wir die Menschen geduldig sensibilisieren, indem wir sie teilhaben lassen an der Lösung. Wir brauchen einen kulturellen Ansatz. Denn wenn in Afrika ein Familienmitglied krank ist, weicht man ihm nicht von der Seite. Man tut alles für diesen Menschen, es ist unsere Pflicht. Und jetzt werden Patienten komplett isoliert, oft wissen die Familien nicht, ob die kranke Person inzwischen tot ist, und wenn, dann sagt man ihnen nicht, wo sie begraben ist. Das macht den Menschen Angst!"
    Deswegen ist Lamah froh, dass er und seine Amtskollegen in Accra beschlossen haben, enger mit lokalen Dorfgemeinschaften und traditionellen Häuptlingen zusammenzuarbeiten. Denn die hätten großen Einfluss auf die Bevölkerung in den entlegenen Gebieten, und sie seien genauso wichtig wie alles andere, was bei der Konferenz gefordert wurde – mehr Personal in den Gesundheitszentren, mehr Geld für Aufklärung, mehr internationale Hilfe, mehr Isolierstationen – oder auch die umstrittene Zulassung von Ebola-Medikamenten, die sich noch in der Testphase befinden. Den Ausbruch noch in diesem Jahr unter Kontrolle bringen zu können, damit rechnen die Experten nicht mehr.