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Ausstellung "New Orleans - The Sound of a City"
Das Lebensgefühl der Stadt eingefangen

2005 brach der Hurrikan Katrina über New Orleans herein und verwüstete bis zu 80 Prozent der Stadt. Die überaus reiche und vielgestaltige Kultur der Stadt litt darunter - dabei ist sie für die Identität und den Zusammenhalt ein wichtiger Rettungsanker. In Berlin gibt nun eine Ausstellung Einblicke in die Musikkultur der Stadt.

Von Franziska Buhre | 31.03.2015
    Mardi Gras in New Orleans
    Mardi Gras in New Orleans (picture alliance / dpa / Dan Anderson)
    "Ich hatte sehr zu kämpfen. Nach Katrina musste ich zwei Jahre in Atlanta/Georgia leben, bevor ich zurückkehren konnte. Um mich wirklich hinzusetzen und zu nähen, musste ich die Radiostation WWOZ übers Internet einschalten. So habe ich Musik aus New Orleans gehört, um mich in Stimmung zu bringen. Denn ich konnte nicht nähen. Ich war an einem anderen Ort, in einer anderen Umgebung, es fühlte sich anders an. New Orleans ist für uns nun einmal heiliger Boden."
    Der Anzug, den Shaka Zulu für den ersten Mardi Gras, den Karneval in New Orleans, nach Hurrikan Katrina genäht hat, repräsentiert die Architektur der Stadt. Zulu ist ein Big Chief, einer der ranghöchsten Mardi Gras Indians. Ihre Kultur ist aus dem gemeinsamen Widerstand amerikanischer Ureinwohner und afrikanischer Sklaven gegen die Sklavengesellschaft im 19. Jahrhundert erwachsen. Zulus prachtvoller Anzug für den Mardi Gras 2011 ist in der Ausstellung "New Orleans – The Sound of a City" zu sehen: Das ausladende Gewand aus roten Federn mit kunstvollen Reliefs, die Blitz und Donner symbolisieren, ist über und über mit glänzenden Perlen bestickt. Mit einem Chant, dem traditionellen Wechselgesang der Mardi Gras Indians, stimmt Shaka Zulu die Besucher der Ausstellung am Eröffnungswochenende ganz unmittelbar auf seine Kultur ein.
    New Orleans ist ein Schmelztiegel
    New Orleans ist ein Schmelztiegel afrikanischer und indianischer, spanischer und französischer, karibischer, irischer und jüdischer Kulturen und als solcher einzigartig in den USA. Hurrikan Katrina hatte jedoch fundamentale Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bevölkerung, wie Daniel Hammer, Archivar der Historic New Orleans Collection, die viele Exponate für die Berliner Ausstellung beigesteuert hat, erklärt.
    "Vor dem Sturm zählte New Orleans 450.000 Einwohner. Dann brachen die Deiche und jeder war gezwungen, die Stadt zu verlassen. Heute leben 380.000 Menschen in der Stadt, aber von denen haben fast 200.000 vor Katrina nicht hier gewohnt. Die Anzahl der Menschen, die vertrieben wurden und nicht wiederkommen konnten, ist also riesig. Das ist die kulturelle Geschichte hinter Katrina. Der Fortbestand einheimischer Kulturen ist ein Kampf. Und die Menschen ringen um die Möglichkeit, ihre Kunst weiter zu praktizieren."
    "Hier von dem Plattenlabel, Basin Street, was ja Irvin Mayfield hat, Jason Marsalis, die Rebirth Brass Band – sein ganzes Lager, sein ganzes Büro stand unter Wasser. Das heißt, der Mann, der das quasi für plus/minus null macht – war alles zerstört. Und jetzt sind die Sachen hinten bei ihm in der Garage bei sich auf dem Grundstück, er arbeitet mehr oder minder von zu Hause aus und managt Weltstars."
    Musik steht im Zentrum der Ausstellung
    Liebevoll arrangiert, rückt Kurator Clemens Gubernath die Musik ins Zentrum der Ausstellung: Instrumente, Fotografien, Plattencover und historische Filmaufnahmen vermitteln die Bandbreite musikalischer Stile von Jazz und Rhythm and Blues, bis zu Funk, Brass Band und Bounce Music, dem Hip Hop aus New Orleans. Im Studio von Cosimo Matassa nahmen Little Richard, Fats Domino oder Jerry Lee Lewis unvergessene Rock'n'Roll-Hits auf. Auch diese und ihre Urheber werden mit Bildern, Texten und Musik gewürdigt. Eine Reihe von Musikern, Fans, Produzenten und Kulturverantwortlichen erzählt in eigens für die Ausstellung erstellten Videos von der Musikszene ihre Stadt, vor und nach Katrina. Archivar Daniel Hammer sorgt sich dennoch um das kulturelle Erbe.
    "Die Dokumentation liegt in Händen der Menschen, die hier leben. Und ihre Häuser wurden alle überflutet, alle ihre Materialien wurden zerstört. Es ist wirklich beängstigend, sich auszumalen, wie selten es heute möglich ist und in Zukunft sein wird, historische Aufzeichnungen über das damalige Leben einzusehen."
    Über vier Jahrzehnte hat Michael P. Smith das kulturelle Leben in New Orleans mit der Kamera eingefangen. Auch seine herausragenden Schwarz-Weiß-Fotografien aus den 1980er-Jahren von Jazz Funerals und Second Line Parades, Beerdigungen und von Musikern angeführten Straßenparaden, sind in der Ausstellung zu sehen. Sie bringen zum Ausdruck, was das Lebensgefühl der Stadt immer schon bestimmt hat, auch zehn Jahre nach Katrina: eine überbordende Energie aus Schmerz, Hingabe und gegenseitigem Beistand, den Drang, in Bewegung zu sein auf den Straßen von New Orleans. Und die Hoffnung darauf, die einzigartige Kultur der Stadt, allen Widrigkeiten zum Trotz, weiter forttragen zu können.
    Ausstellungsinfos:
    Ausstellung "New Orleans – The Sound of a City", bis zum 26. April in der Station Berlin am Gleisdreieck