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"Austrofaschismus" - halb so schlimm?

Über seine Vergangenheit hatte der österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim in den 80er Jahren wohl keine lückelose Auskunft gegeben, etwa dass er zur Reiter-SA gehört hatte, dass er zumindest gewusst hatte von den Judentransporten auf dem Balkan. Eine Historikerkommission hatte Waldheim von dem Vorwurf einer persönlichen Beteiligung an Kriegsverbrechen entlastet, auch wenn er keinen Einspruch gegen erkanntes Unrecht erhoben habe. So unklar Waldheims Biografie bis heute ist, so hat die Waldheim-Affäre vor allem eines zerstört, nämlich den österreichischen Staatsmythos, Hitlers erstes Opfer gewesen zu sein. Die Debatte um die österreichische NS-Verstrickung hatte allerdings eine andere Debatte in den Hintergrund gedrängt, nämlich die um die Geschichte vor 1938. Der konservative Engelbert Dollfuß hatte wie Kanzler Brüning in Berlin mit Notverordnungen regiert und 1834 das autokratische Regime eines bodenverhafteten, regressiven "Ständestaats" gewaltsam eingeführt. Sozialisten und auch Nationalsozialisten ließ Dollfuß ins Gefängnis werfen. Bei einem Putsch-Versuch der Nationalsozialisten war er jedoch bald ermordet worden. Entschuldet sein Ende und seine Anti-NS-Politik nicht sein ständestaatliches Regime? Österreichische Historiker neigen zu einem ja, was den Schriftsteller Robert Menasse auf die Palme brachte.

Von Beatrix Novy |