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Ausverkauf im Mittelstand

Sie verkaufen den deutschen Mittelstand: Die Mitarbeiter der Beratungsfirma "Klein & Coll." aus Griesheim. Das Unternehmen hat sich auf Firmenzusammenschlüsse und -übernahmen von kleinen und mittleren Betrieben spezialisiert. Dabei ist Fingerspitzengefühl notwendig, denn die Inhaber trennen sich nur schwer von ihrem Lebenswerk.

Von Theo Geers |
    "Es ist die größte Kartoffelgroßhandlung Deutschlands aus Freiburg, die wir nach Venlo an den größten Kartoffelanbieter Hollands verkauft haben, es ist eine Firma Systeam, ein IT-Haus in Langen, das wir an die Brainforce AG nach Wien veräußert haben, es sind viele Beispiele, eine Firma Allbrandt in Lauterbach mit 18 Mio. Euro Umsatz, die haben wir verkauft an United Technologies - ein 35-Milliarden-Konzern, das heißt große Konzerne kaufen heute den deutschen Mittelstand auf."

    Michael Keller, Teilhaber von Klein & Coll., verkauft nicht mehr und nicht weniger als den deutschen Mittelstand. Meistens, weil der Generationswechsel zwar ansteht, aber kein Familienmitglied bereit steht, um das Unternehmen weiter zu führen. Dann schlägt die Stunde für Klein & Coll., ein Beratungshaus, das sich auf Mergers and Aquisitions, also Firmenzusammenschlüsse und -übernahmen von kleinen und mittleren Unternehmen spezialisiert hat.

    Vor 14 Jahren gegründet, ist Klein & Coll. längst ein Großer in der Nische. 45 Mitarbeiter, davon 35 in Griesheim bei Darmstadt und 10 in Peking, sind die Basis des Erfolgs in einer Branche, die hierzulande aus gerade einmal 40 seriösen Wettbewerbern besteht. Und unter diesen 40 Unternehmen spielt Klein & Coll. ganz oben mit:

    "Wir sind das einzige Beratungshaus in Deutschland, dass seine Mandate praktisch zu 100 bis 97,5 Prozent aus den Banken und dem Bereich Private Equity bekommen. Alle unsere ehrbaren Wettbewerber müssen direkt beim Unternehmer akquirieren. Also das unterscheidet uns gravierend. Wir sind die einzige M & A-Gesellschaft mit einem eigenen Büro in Asien. Das sind Hard facts."

    Zu denen beispielsweise auch eine exzellente Vernetzung mit zahlreichen in- und ausländischen Banken oder Private Equity-Investoren gehört. Doch ebenso wichtig sind die soft facts, vor allem der einfühlsame Umgang mit den Mittelständlern, die sich nur schwer von ihrem Lebenswerk trennen können. Dabei ist das Ausstiegsalter deutscher Unternehmern gerade in den letzten Jahren deutlich von knapp 70 auf Mitte 50 gesunken. Trotzdem bleibt die Klientel schwierig:

    "Wir verlieren auf dem Weg zum Notar jedes Jahr viele Mandanten, die einfach mitten in der Transaktion eine so große Angst bekommen, dass sie sagen: "Herr Keller, tut mir leid, ich kann nicht." Jedes Jahr haben wir ein bis zwei Transaktionen beim Notar, wo der Notar die Urkunde vorliest, der Unternehmer fängt an zu weinen und sagt "Herr Keller, Entschuldigung" und steht auf und geht. Das ist bei den Mittelständlern wirklich ein Problem."

    Dessen Lösung Fingerspitzengefühl verlangt. Unternehmer, deren Gedanken jahrzehntelang sieben Tage die Woche nur um die Firma kreisten, fürchten nichts mehr als das schwarze Loch am Tag nach dem Notartermin. Also heißt es Brücken bauen in die Zeit danach. So vermittelt Keller Beiratstätigkeiten, damit ein Unternehmer hinterher wenigstens vier Mal im Jahr an einem Konferenztisch sitzen kann, oder hilft auch mit ganz alltäglichen Tipps wie dem, sich wieder an Freunde, Verwandte oder Hobbys zu erinnern, für die viele Jahre keine Zeit vorhanden war. Solche Tipps sind genau so wichtig wie der professionelle Umgang beim Unternehmensverkauf selbst:

    "Unsere Aufgabe ist ausschließlich, den höchsten Kaufpreis zu erzielen, eine andere Aufgabe hat ein M & A Berater nicht, die erreichen sie nur mit ausländischen Adressen, die bis zu einem Drittel mehr bezahlen als inländische."

    Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn natürlich sitzen auf der Käuferseite ebenfalls gewiefte Kaufleute, die gewohnt sind, den Preis zu drücken. Klein & Coll. berät aber fast immer den Verkäufer und da hilft manchmal hilft nur der tiefe Griff in die Trickkiste:

    "Wir sagen: Wir geben Die jetzt eine Gelegenheit, innerhalb 14 Tagen maximal drei Wochen dein Angebot zu überarbeiten. Uns liegt ein Angebot vor, das bei mindestens - und dann sagen wir natürlich deutlich mehr als es in Wahrheit ist - steht. Möchtest Du es aufstocken oder nicht. Ja - Natürlich: Der am besten blufft gewinnt. Ein guter MA-Berater tut durch Bluffen den Kaufpreis hochtreiben."

    59 Mittelständler hat Klein & Coll. im letzten Jahr verkauft, Tendenz steigend. Die Kaufsumme lag bei insgesamt 634 Mio. Euro und fünf Prozent davon flossen an Klein & Coll. als Courtage, woraus sich ein Jahresumsatz von gut 30 Millionen Euro ableiten lässt, eine Zahl, der Michael Keller nicht widerspricht. Doch obwohl das M & A-Geschäft seit Ende letzten Jahres wieder brummt, sind dem Unternehmenswachstum Grenzen gesetzt.

    "In den Bereichen Analysten, Associates - das sind die Handwerker in einem MA Haus, die tun sich immer lieber für ein großes Haus, eine anglosächsische Adresse entscheiden als für ein M & A Haus, das im Mittelstand tätig ist, und das begrenzt unser Wachstum. Das bedeutet: Wo sehe ich uns in fünf Jahren? Ich sehe uns in fünf Jahren bei 50 Mitarbeitern und ich sehe uns vielleicht noch mit einem zweiten Auslandsbüro in Nordamerika. Das würde ich in fünf Jahren so sehen."