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Automatisiertes Parkhaus
Wagen abstellen auf Knopfdruck

In vornehmeren Hotels übernimmt es ein Page, das Auto des Gastes im Parkhaus abzustellen. Ähnlichen Komfort verspricht ein Pilotprojekt der Firmen Daimler und Bosch: Hier rangiert ein Sensorsystem im Parkhaus die Fahrzeuge - ohne jede menschliche Überwachung.

Von Piotr Heller | 20.12.2019
Warnschild am Eingang zum Parkhaus des Daimler-Museums mit der Aufschrift "Hier fahren automatisierte Fahrzeuge"
Warnschild am Eingang zum Parkhaus des Daimler-Museums (Foto: Piotr Heller)
An der Einfahrt ins Parkhaus des Mercedes Benz Museum in Stuttgart steht ein Schild: "Hier fahren automatisierte Fahrzeuge", ist darauf gedruckt.
"Wir starten jetzt. Der Mario hat das Auto gefahren, hat es gerade abgestellt."
Es ist ein Pilotprojekt von Daimler und Bosch: "Automated Valet Parking" – also automatischer Parkservice. Das Auto steht auf einem speziellen Platz auf dem unteren Parkdeck, relativ nah am Eingang zum Museum. Die Idee ist, dass man es hier abstellt, aussteigt, und das Auto alleine wegfährt und selbstständig seine Parklücke findet. Später, wenn man wiederkommt, kann man das Auto per Knopfdruck wieder vorfahren lassen. Das soll Zeit und auf lange Sicht auch Platz sparen.
Türkises Warnlicht signalisiert fahrerlosen Betrieb
"Und ich werde das Fahrzeug jetzt wegparken lassen, indem ich hier auf dem Smartphone den entsprechenden Knopf betätige. Man sieht hier auch, wie das Fahrzeug das türkisene Licht wiedergibt, um zu signalisieren, dass das Fahrzeug fahrerlos fährt."
Matthew Nimmo, Bosch-Ingenieur, schickt den leeren Wagen los. Die Blinker an den Spiegeln leuchten Türkis.
"Und! Der Motor ist gerade angesprungen, das Fahrzeug setzt sich in Bewegung. Es wurde vorher von unserer Sensoren bestätigt, dass kein anderes Fahrzeug hier kommt. Das Fahrzeug fährt jetzt los, fährt hier um diese sehr enge Ecke rum."
Im Parkhaus montierte Laser-Sensoren überwachen die Fahrstrecke und schicken Steuerungssignale an die Autos
Im Parkhaus montierte Laser-Sensoren überwachen die Fahrstrecke und schicken Steuerungssignale an die Autos (Foto: Piotr Heller)
Sensoren stecken nicht im Fahrzeug, sondern im Parkhaus
Die Sensoren – das ist das Besondere – stecken nicht in dem Auto, sondern im Parkhaus. 54 von ihnen verschicken ständig Laserpulse und tasten die Fahrwege ab. Diese Daten schicken sie an einen Rechner. Der ermittelt, ob der Weg frei ist. Die Ergebnisse bekommt das Auto per W-Lan zurück. Das Auto steuert also nicht durch das Parkhaus – das Parkhaus steuert das Auto. Darum verhandelt Bosch bei der Vermarktung des Systems nicht nur mit Autoherstellern, sondern auch mit Parkhausbetreibern. Irgendwann könnten Oberklasse-Limousinen also in manchen Parkhäusern selbst einparken. Das Auto auf dem Pilotprojekt rollt jetzt vollkommen alleine eine Rampe hoch. Nimmo:
"Wir schauen dem noch hinterher und dann laufen wir gleich die Treppe hoch."
Auf dem oberen Parkdeck bleibt der Wagen vor einer Lücke stehen, rangiert dann hinein. Rückwärts wohlgemerkt, was schon elegant aussieht.
"Also die Sachen, die der Mensch schwierig findet, die zu zeigen, wie die Maschine das machen wird, ist immer die schöne Sache."
Menschliche Aufsicht nicht erforderlich
Auf den ersten Blick ist dieses Projekt keine große Sache. Manche Modelle des Elektroautobauers Tesla haben etwa eine Funktion, dank der sie alleine vom Parkplatz zum Fahrer heranrollen können. Aber es gibt einen nicht offensichtlichen, doch entscheidenden Unterschied: Tesla schreibt selbst, dass der Fahrer das Auto dabei immer im Auge behalten muss. Eine amerikanische Behörde für Straßensicherheit meldet, dass diese Funktion bereits zu einigen kleinen Unfällen geführt hat. Das System hier im Parkhaus ist anders: Es ist offiziell von Behörden dafür zugelassen, komplett alleine zu fahren – ohne menschliche Überwachung. Matthew Nimmo will das Auto jetzt wieder nach unten schicken.
"Es fährt aber nicht los, warum nicht? Weil wir halb unter dem Auto ein Hindernis haben, eine Kinderpuppe."
Sie liegt unter dem Wagen, die Sensoren haben sie registriert. Als das Auto dann endlich fährt, springt ein Tester davor.
"Es hält sofort an, in dem Moment, wenn jemand vor das Auto springt, wie der Mario das gerade getan hat."
Später bremst das Auto vor einem Glas, das auf der Fahrbahn steht, dann vor einer schwer zu erkennenden Puppe, die hinter einer Rampe liegt, dann kommt ein Tester auch noch auf dem Fahrrad angerauscht.
"Überholt es und schneidet es, auch da, das Fahrzeug hält sofort an, innerhalb von wenigen hundert Millisekunden."
System hat behördliche Zulassung
Mit solchen Tests mussten die Ingenieure gegenüber dem TÜV Rheinland belegen, wie sicher das System ist. So bekamen sie dann die offizielle Zulassung von den Behörden – eine Premiere. Weil es vor allem um Sicherheit geht, hat das System aber auch noch Macken. Manchmal bleibt das Auto unnötig stehen, weil die Sensoren im Parkhaus meinen, etwas wahrgenommen zu haben. Außerdem fährt das Auto mit vier bis fünf Kilometern pro Stunde echt langsam. Nimmo:
"Die eigentliche Arbeit, einen Nachweis der Sicherheit zu erbringen, ist nicht in solchen einzelnen Parametern wie Höchstgeschwindigkeit. Sondern es ist ein Mindset, eine Safety-Kultur. Das geht runter bis zum Code, wo man den kritischen Code auf eine ganz bestimmte Art und Weise entwickeln muss und prüfen muss."
Konservatives Konzept statt halbfertiger Selbstfahrfunktion
Aber diese Sicherheitskultur ist es eben, die den Unterschied macht. Und sie erzählt auch etwas über Ingenieurskunst. Klar, man kann halbfertige Selbstfahr-Funktionen in Autos einbauen, sie geschickt vermarkten, den Kunden aber irgendwo darauf hinweisen, dass er das Auto doch noch im Blick behalten muss und sich so rechtlich absichern. Dann lernt man aus Unfällen. Bosch und Daimler gehen hier einen anderen Weg. Sie haben ein konservatives System gebaut. Es ist langsam und hält manchmal zu oft an. Aber die Ingenieure wollen aus diesem – möglichst sicheren – Betrieb lernen, um das System weiter zu verbessern.