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Autonome Autos für die Polizei

Der Geist von Berlin weht nicht nur in der Freien Universität der Hauptstadt – er fährt dort auch herum. Und zwar ganz autonom, ohne dass ein Fahrer am Lenkrad säße. Informatiker der FU haben für die Berliner Polizei ein Fahrzeug entwickelt, das in wenigen, typischen Einsatzfällen selbstlenkend seine Runden drehen könnte.

Von Martin Schramm |
    Ein Wagen biegt um die Kurve, plötzlich taucht ein Hindernis auf, der Wagen bremst ab und weicht aus. Im Alltag auf deutschen Strassen ein banaler Vorgang. In diesem Fall aber wirkt das Ganze geisterhaft: hinter dem Lenkrad sitzt nämlich niemand. Das Auto wird von vier Computern gesteuert – ganz ohne Fahrer. Entwickelt haben diesen Prototypen der Informatiker Raúl Rojas und sein Team an der Freien Universität Berlin. Einer der Auftraggeber: die Berliner Polizei. Die würde derartige Fahrzeuge gerne für den Wach- und Objektschutz von großen Arealen, zum Beispiel einem Großflughafen, einsetzen. Ein GPS-Navigationssystem ermittelt dabei die Position des Wagens plus minus einen Meter. Videokameras auf dem Autodach überprüfen zusätzlich den Abstand zu Fahrbahnmarkierungen und Fußwegen. Weitere umliegende Objekte, wie Bordkanten oder Häuser erkennt das System außerdem durch spezielle Laserscanner. Raúl Rojas:

    "Das können sie sich vorstellen wie einen Blindenstock. Das heißt, das Auto tastet sich mit Hilfe von den Lasern, ermittelt den Abstand zu den Objekten, wobei das in großen Entfernung passieren kann, bis zu 150 Meter weit kann man mit dem Laserstrahl Objekte erkennen und die Abstände. Aber es ist immer noch ein ‚Blindenstock’ womit man die Umgebung abtastet."

    Auf einem abgeschotteten, menschenleeren Gelände kommt der Berliner Prototyp dabei schon ganz gut zu recht - an einen Einsatz im normalen Stadtverkehr ist aber nicht zu denken. Denn Computer können eben nicht "sehen" wie Menschen das tun. Komplett überfordert sind sie zum Beispiel, wenn es darum geht Fußgänger am Straßenrand zu erkennen:

    "Und vor allem – es ist heute nicht machbar, die Intention von diesen Menschen zu erkennen. Wenn jemand am Straßenrand steht, wissen wir als Autofahrer aus der Körperhaltung aus dem Blickwinkel der Person, ob die Person dabei ist, sich in den Verkehr zu stürzen, oder ob sie nur den Verkehr beobachtet oder in eine andere Richtung läuft. Das kann ein Computer heute nicht tun und deswegen würde ein autonomes Fahrzeug, wenn es in der Lage wäre, Fußgänger zu erkennen, ständig stoppen aus Sicherheitsgründen. Weil man weiß nicht, was die Fußgänger vorhaben."

    Sprich: ein derartiges System würde permanent "überreagieren" - und sämtliche Fahrzeuginsassen am Ende nur nerven. Derselbe Effekt könnte sich bei anderen "vermeintlichen" Hindernissen auf der Fahrbahn einstellen:

    "Wenn Sie auf einer Strasse fahren und da gibt es knallende Sonne. Und sie haben Bäume, die Schatten auf der Strasse, die können viele verschiedene Formen haben. So dass wenn ein Loch da ist, oder wenn ein Hindernis da ist, ist es schwer sogar für Menschen diese Hindernisse zu erkennen. Wir wissen aber, wenn wir rein fahren in die Strasse, dass es nur Schatten von den Bäumen sind. Das ist unser Weltwissen, das wir uns im Laufe von vielen Jahren angeeignet haben. Und wir wissen, dass diese Strasse mit diesen Schatten immer noch frei befahrbar ist – dann fahren wir ohne zu bremsen – ein Computer, der diese Bilder bekommt, der müsste sich erst mal damit beschäftigen: sind das Schatten oder sind das Löcher in der Strasse?"

    Und das kann dauern. In einer Verkehrssituation, in der Sekunden über Leben und Tod entscheiden, zu lange. Ein anderer Lösungsansatz ist daher folgender: wenn Computer überfordert sind, sich selbst ein Bild von der Welt zu machen, dann muss dieses Wissen eben von außen zugeliefert werden. Raúl Rojas:

    "Das heißt, die Ampel, die Verkehrschilder, die Autos kriegen kleine Sender. Und wenn das Auto auf die Strasse fährt, dann melden sich die Autos untereinander und wenn ich an die Kreuzung komme, dann weiß mein Auto schon, dass jemand von rechts kommt, dann ist die Vorfahrtregel zu beachten, oder das Auto fährt bis zu Ecke. Und bevor das Auto ankommt, da hat sich schon die Ampel gemeldet und gesagt ich bin rot – deswegen Geschwindigkeit reduzieren. Das ist eine Denkrichtung: wir ändern die Umwelt, ergänzen die Umwelt mit Sendern. Es gibt sogar schon ein Patent für Sender für Menschen. Das heißt, ich trage einen kleinen Sender mit - und der setzt sich in Kommunikation mit dem Fahrzeug, so dass die Fahrzeuge meine Position und Bewegung kennen, dann können sie sich darauf einstellen."

    Ein derartiges Szenario wäre allerdings nicht nur ein GAU in Sachen Datenschutz - es wäre wohl auch viel zu teuer, die ganze Welt mit Sendern auszustatten. Das Fazit: Im Verkehrsalltag sind autonome Fahrzeuge noch reine Zukunftsmusik. Dort werden zwar Assistenzsysteme wie Einparkhilfen und Abstandshalter immer selbstverständlicher - die Verantwortung wird aber immer beim Fahrer selbst bleiben. Nicht nur weil die Autoindustrie kaum bereit ist, die Haftung für derartige Systeme zu übernehmen – nein, auch weil es für die meisten Autofahrer ein Alptraum wäre, entmündigt im eigenen Wagen zu sitzen und einem Computer blind ihr Leben anzuvertrauen. Vom fehlenden "Spaßfaktor" ganz zu schweigen.