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Babysitten als geistiger Jungbrunnen

Entomologie. - Enkelkinder können ihre Großeltern ganz schön auf Trab halten - doch das ist auch gut für die geistige Fitness der Senioren, sagen Hirnforscher. Für Bienen gilt das offenbar auch: Alte Sammelbienen lernen wieder besser, wenn sie sich um den Nachwuchs im Stock kümmern.

Von Marieke Degen |
    Auch eine Biene wird älter. Ihre Fähigkeit zu lernen geht dabei aber nicht zwangsläufig verloren. Denn auf abgekämpfte Sammlerinnen wirkt Babysitten wie ein geistiger Jungbrunnen. Das haben Forscher von der Technischen Universität Berlin entdeckt.

    "Mit Änderung der sozialen Rolle einer Biene kann man ihr Lernverhalten wieder verbessern, und wir vermuten, das liegt daran, dass das Gehirn der Bienen irgendwie verjüngt wird, wenn die Sammlerinnen wieder zu Ammenbienen werden."

    Die Neurobiologin Ricarda Scheiner steht mit Imkerhut und Handschuhen im Garten der biologischen Fakultät der TU, nur ein paar Gehminuten vom Zoo entfernt. Vor ihr ein eine grüne Holzkiste, ihr Versuchsbienenstock.

    "Jetzt will ich mal vorsichtig einen Stock öffnen, und dann schauen wir mal rein. Es hat ja stark geregnet, es kann sein, sie sind ein bisschen aggressiv."

    Eine Biene wird etwa sechs Wochen alt. Im Laufe ihres Lebens übernimmt sie alle Aufgaben, die im Bienenstock anfallen. Ganz junge Bienen bleiben erst einmal zu Hause, putzen oder füttern den Nachwuchs. Die älteren bauen Waben oder sind für die Verteidigung des Stocks zuständig. Die erfahrensten Bienen gehen auf Futtersuche, sie sammeln Pollen und Nektar.

    "Jetzt versuchen wir mal, eine Wabe herauszunehmen."

    Auch in Ricarda Scheiners Versuchskolonie gibt es diese Rollenverteilung. Das Besondere ist aber: Die Bienen hier sind alle gleich alt. Direkt nach dem Schlüpfen haben sie die Forscher in die Kiste gesetzt, eine Königin dazu und so einen neuen Staat gegründet. Nach ein paar Tagen hatte dann jedes Tier eine Aufgabe übernommen; die Sammlerinnen wurden mit Farbtupfern markiert, genauso die Ammenbienen. Und weil die Tiere gleich alt sind, kann Ricarda Scheiner in ihrer Studie das Lernverhalten von Ammenbienen und Sammlerinnen gut miteinander vergleichen.

    "Also damit man mit den Bienen überhaupt arbeiten kann, fangen wir sie ab in kleinen Röhrchen, stellen sie in den Kühlschrank, und dann werden Sie nach einigen Minuten bewegungslos. Sie sind aber nicht tot, nur betäubt."

    Anschließend werden die Bienen vorsichtig mit Klebeband in einem Plastikröhrchen fixiert, sodass sie die Forscher nicht stechen können, und konditioniert. Das heißt: Sobald ein gemustertes Plastikplättchen die Antennen der Biene berührt, gibt es Zuckerwasser. Die Ammenbienen hatten das ziemlich schnell begriffen. Die meisten streckten nach nur einem Versuch ihre Zunge heraus, sobald sie das Plättchen an ihren Antennen spürten. Sammlerinnen brauchten im Schnitt drei Versuche. Doch Bienen sind von Natur aus flexibel, wenn es sein muss, schlüpfen schnell in andere Rollen. Die Forscher fragten sich also: Wenn man Sammlerinnen zwingen würde, wieder zu Babysitterinnen zu werden, würden sie dann auch wieder besser lernen?

    "Wir haben durch einen Trick alle Ammenbienen entfernt, und nach ungefähr drei Tagen begannen die ersten Sammlerinnen wieder mit dem Füttern von Larven und hatten auch entsprechend entwickelte Drüsen."

    Nicht nur das: Durch den Rollentausch hatte sich das Lernverhalten der ehemaligen Sammlerinnen tatsächlich verbessert. Während sich ihre Schwestern, die weiterhin Pollen und Nektar suchen mussten, nach wie vor schwer taten.

    "Prinzipiell ist es so, dass Sammler, die erst kurz gesammelt haben, nicht mal schlechter lernen als Ammenbienen. Manche lernen sogar besser. Sondern dass die Störung des Lernverhaltens erst dann zutage tritt, wenn die Bienen sehr lange gesammelt haben. Wir vermuten hier, dass es aufgrund des hohen Alters und des vielen Sammelns zur Beeinträchtigung des Gehirns kommt, dass es dort schon erste Zerfallserscheinungen gibt, und dass deshalb die alten Sammlerinnen nicht mehr so gut gelernt haben."

    Im geschützten Bienenstock hatten sich die Gehirne der Sammlerinnen offenbar innerhalb von wenigen Tagen erholt. Wie gut Bienen lernen, hängt also nicht so sehr von ihrem Alter ab, sondern davon, welche soziale Rolle sie einnehmen und wie kraftraubend diese Rolle ist. Mithilfe der Biene könne man vielleicht auch generellen Alterungsprozessen bei Tieren auf die Spur zu kommen, sagen die Forscher. Und möglicherweise könne man von den Insekten lernen, wie man diese Alterungsprozesse aufhalten kann. Als Nächstes wollen Ricarda Scheiner und ihr Team nach Veränderungen im Erbgut der Sammlerinnen suchen, die das Gehirn und das Lernverhalten beeinflussen könnten.