"Bach - Brandenburg Concerto No. 5 etc"
Die zweite CD, die ich Ihnen heute vorstellen möchte, kommt aus Berlin und wurde von der Kölner EMI produziert, und auch dort hat ein Großer der heutigen Alten Musik die Hand im Spiel: Rainer Kussmaul. Der langjährige Konzertmeister der Berliner Philharmoniker ist ja auch ein Virtuose der sogenannten Barockgeige und ein ebenso begehrter wie erfolgreicher Pädagoge derselben. Kussmaul ist Künstlerischer Leiter der Berliner Barock Solisten, und da handelt es sich nun in der Tat um ein hoch interessantes Ensemble. Es setzt sich vorwiegend aus Mitgliedern oder ehemaligen Mitgliedern des Berliner Philharmonischen Orchesters zusammen, die als Berliner Barock Solisten zwar weitgehend das romantische Instrumentarium nutzen, aber im Geist der historischen Aufführungspraxis. Wohin die Entwicklung dieses Ensembles gehen wird, ist noch nicht abzusehen. Jedenfalls ist zu hören, dass sie in absehbarer Zeit sich auch der Literatur des 17. Jahrhunderts annehmen werden, und da wird es eben auch nicht ohne die Gambe abgehen. In der gegenwärtigen Besetzung spielt Klaus Stoll immerhin die Viole anstelle des Kontrabasses, und Darmsaiten sind auch schon längst kein Thema mehr oder vielmehr: sie sind ein Thema. Die Berliner Barock Solisten sind sozusagen ein Ensemble in progress und vor allem gänzlich undogmatisch. Da steht das lebendige Musizieren auf jeden Fall obenan. Für ihre aktuelle EMI-CD haben sie sich mit Emanuel Pahud zusammengetan, der sich inzwischen ja auch zum Teil vom Philharmonischen Orchester gelöst hat und zu recht als einer der besten Flötisten der Gegenwart gilt. Vor allem ist Pahud zur Zeit sicher der Flötist mit den meisten Farben und Ausdrucksvarianten. Auf der neuen CD geht es um Johann Sebastian Bach, und es ist ein kleiner Supermarkt daraus geworden: Brandenburgisches Konzert Nr. 5 mit der groß aufspielenden Christine Schornsheim am Cembalo, Triosonate G-dur mit Rainer Kussmaul natürlich, Christine Schornsheim und Georg Faust, Partita a-moll für Flöte allein und die h-moll-Suite. Gespielt wird in einer geringfügig tieferen Stimmung als der in Berliner sinfonischen Kreisen gebräuchlichen. Das Ganze könnte man als Bunten Abend ansehen; es ist indes auf ungewöhnlich geistvolle Weise abwechslungsreich. Erweist sich Pahud in der Solopartita als ein Musiker, der mit wahrlich weitem Atem die Schichten der Sarabande zusammenfügt, so ist er in der Triosonate ein Kammermusikpartner, der ebenso wie Rainer Kussmaul noch im einzelnen Ton den Prozeß der Kommunikation weiter verfolgt: * Musikbeispiel : J. S. Bach - 3. Satz, Adagio aus: Triosonate G-dur BWV 1083 Doch das Schönste an dieser CD ist wohl, dass hier der Musik Bachs viel von ihrer Schwere genommen wird, ohne dass leichthin gespielt würde. Da weht ein lateinischer Geist durch die Musik, was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass alle Beteiligten mit befreiender Souveränität zu Werke gehen können. Da fragt man sich denn, ob die Brandenburgischen Konzerte nicht doch besser "Italienische Konzerte" heißen sollten. * Musikbeispiel: J. S. Bach - 1. Satz, Allegro aus: Brandenburgisches Konzert Nr. 5 D-dur BWV 1050 Das war die neue Platte im Deutschlandfunk, heute mit Pierre Hantai und Gambenstücken von Marin Marais, erschienen bei Virgin, sowie mit dem Flötisten Emanuel Pahud und den Berliner Barock Solisten, die für EMI eine Bach-CD einspielten.