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Bäume gegen die Trockenheit

Nach den letzten Studien zum Klimawandel werden in Nicaragua bald stärkere Wirbelstürme über die Ufer fegen, der bislang fruchtbare Westen wird dagegen trockener. Besonders betroffen ist die Landwirtschaft, der größte Wirtschaftszweig des Landes. Die Bauern Nicaraguas müssen sich schon jetzt um angemessene Anpassung und Alternativen bemühen - wie das Dorf von Gerzan Alvarez im Nordwesten des Landes.

Von Jan Fragel | 06.12.2008
    Bauer Gerzan Alvarez arbeitet gebückt in einem Getreidefeld. Hält kurz inne; stützt seine Hände, gezeichnet von der schweren Arbeit, auf die leicht angerostete Hacke, arbeitet weiter. Er beseitigt Unkraut auf einem Feld, auf dem unterschiedliche Pflanzen gleichzeitig wachsen.

    "Wir haben Mais, Bohnen, Sorgo und Trigo - das sind beides Weizensorten - und Ajonjolí, eine Art Sesam. Daraus wird Öl gemacht."

    Gerzan wischt sich Schweiß von der Stirn, er sieht zufrieden aus.

    "Die Ernte stimmt mich gut in diesem Jahr. Sie wird einen guten Ertrag bringen. Der Mais zum Beispiel, der ist unheimlich teuer."

    Von so viel Zuversicht konnte vor ein paar Jahren noch keine Rede sein. Hitze und Trockenheit ließen das Land in seinem Dorf, wie in vielen anderen Teilen Nicaraguas, verdorren. Nach einer ersten miserablen Ernte fiel auch noch die nächste Regenzeit aus. Die Ernte war vernichtet. Hunger und Hilflosigkeit breiteten sich aus in seinem Dorf, in El Rodeito. Einen Familienvater habe er vom Baum nehmen müssen, erzählt Alvarez. Der habe sich mit einem Strick aus lauter Verzweiflung das Leben nehmen wollen, weil er seiner Familie nichts mehr zu essen geben konnte. Die Lager waren leer und die Menschen zu arm, um vorzusorgen.

    Ob das bereits der viel beschworene Klimawandel war oder nur eine besonders harte Wetterlage, das spielte für Gerzan Alvarez keine Rolle. Im Dorf füllte er viele Rollen aus; als Bauer und Bürgermeister, Haus- und Tierarzt, Politiker und Pastor. Er organisierte und improvisierte. Und versuchte seine 300-Seelen-Gemeinde auf den Klimawandel vorzubereiten.

    Gerzan Alvarez steht auf einer Anhöhe und blickt über die üppig grünen Felder. Zwischen den Feldern sind immer wieder Baumgruppen zu sehen - mal kleine und mal große. Gerzan deutet auf die Berge.

    "Wir haben überlegt: Was können wir tun? Das Wichtigste: Wir müssen die Erde schützen. Zumindest hier diese Hügel, diese Berge. Wenn du sie schützt, dann bleibt die Erde. Die Erosion nimmt ab, Sedimente werden nicht ausgewaschen."

    Die Temperaturen steigen im Nordwesten Nicaraguas im Sommer auf mehr als 40 Grad. Die Bäume bremsen den heißen Wind und helfen, die Feuchtigkeit im Boden für Bohnen und Mais zu erhalten.

    "Im Moment verteilen wir Samen. Die Kirche hat den besorgt und hilft uns damit. Wir geben ihn den Leuten weiter. Dazu machen wir Workshops. Wir erklären den Leuten, wie sie aus den Samen kleine Bäume ziehen und wie sie sie auspflanzen."

    Ein grob gezimmertes Gestell trägt ein Dach aus Palmwedeln. Darunter wachsen die jungen Bäume in schwarzen mit Erde gefüllten Plastiksäckchen heran. In jedem Beutel steckt ein Samen.

    "Wir haben hier in der Baumschule den Guanacaste blanco, den Nationalbaum Costa Ricas, Cedro Real, eine Zedernart, und Madero Negro."

    Madero Negro ist eine Leguminosenart. Das heißt: Bakterien an ihren Wurzeln reichern den Boden mit Stickstoff an. Diese sogenannte Gründüngung bringt auf Dauer bessere Ernteergebnisse - ganz ohne Chemie.

    Das Wasser für die jungen Pflanzen holt der Bauer aus einem nahegelegenen Brunnen. Die Anpassung an den Klimawandel sei Kulturarbeit, sagt Gerzan. Die Menschen müssten oft erst einmal lernen, dass sie Bäume nicht einfach abschlagen dürfen, ohne neue zu pflanzen.

    In Workshops bildet er darum Kleinbauern der Region fort. Die Themen sind neben Wiederaufforstung auch Gründüngung und Bodenschutz, Kompost und Fruchtwechsel und: Diversifizierung des Landbaus.

    Hinter seinem Wohnhaus hat der Bauer selbst einen bunten Gemüsegarten angelegt: Hinter rostigem Stacheldraht sind die Pflanzen gut geschützt vor hungrigen Hühnerschnäbeln.

    "Wir haben Tomaten gesät, Paprika, Zwiebeln, Melone, Kohl, Gurke - das ist für unseren Eigenbedarf. So suchen wir Anbaualternativen. Wenn sie die Tomaten selbst anbauen, brauchen sie sie nicht zu kaufen. Das gleiche mit Paprika. So läuft das bei uns."

    Statt ausschließlich Mais, Bohnen und Getreide anzubauen, verbreitern die Bauern ihre Produktpalette. Das hat mehrere Vorteile: Wenn durch ein Unwetter oder Trockenheit bestimmte Teile einer Ernte ausfallen, können sie immer noch andere Früchte ernten - entweder, um sie selbst zu essen oder um sie zu verkaufen. Auch das sei eine Vorbereitung auf den Klimawandel, sagt Gerzan.

    Er kommt ins Schwärmen, schmiedet Pläne. Zukünftig sollen sich die Bauern zusammentun, gemeinsam Gemüse und Früchte anbauen und im 15 Kilometer entfernten Somotillo verkaufen.

    "Wir müssen eine Arbeitsteilung verabreden. Einer erntet zum Beispiel Kürbisse, der nächste Gurken, der dritte baut Tomaten an. Dann kann man sich zusammentun und auf einem Markt verkaufen. Die Idee ist, gemeinsam zu wirtschaften und Gewinne zu teilen. Keine Ahnung, ob uns das allein voran bringt, aber wir müssen es probieren."

    Unterstützt werden die Kleinbauern durch ein Projekt der lutherischen Kirche Nicaraguas. 200 Kleinbauern im Nordwesten des Landes werden angeleitet, alternative Produktionsweisen zu erproben und die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu schützen.

    Damit steht das Kirchenprojekt im Widerstreit zu Fördermaßnahmen des nicaraguanischen Staates. Auch er will die Bauern fortbilden, setze aber - so der Vorwurf von Nichtregierungsorganisationen - zu sehr auf die Vermarktung und Ankurbelung des großflächigen Agrarsektors im Nordwesten. Das Umweltministerium Marena macht daraus auch keinen Hehl. Freddi Picado von der "Abteilung zur Abschätzung der Folgen des Klimawandels auf Nicaragua" sagt, der Staat muss vor allen Dingen die künstliche Bewässerung sicherstellen.

    "Die Region produziert jährlich 200 Millionen Dollar. Darunter liegt ein riesiges Wasservorkommen. Es hat ein enormes Potenzial, von dem zurzeit gerade mal höchstens 30 Prozent genutzt werden. Die Hauptnutzer sind die Leute, die Zuckerrohr und Erdnüsse bewässern."

    Die Leiterin des ACT in Manaugua - einer Entwicklungsorganisation im Lutherischen Weltbund - sieht in den Bewässerungsplänen der Regierung ein Problem: Sie kämen nur Wenigen zu Gute, sagt Carla Hernandez:

    "Ich denke, in den Risikogebieten profitieren vor allem die großen Produzenten. Es müssen Brunnen gebaut werden, Leitungsnetze. Das ist teuer. Der kleine Bauer hat nicht mal Geld, Trinkwasser zu kaufen. Da wird es schwierig einen Brunnenbau zu bezahlen. Ich denke, dass der kleine arme Bauer im Nachteil ist."

    Bauer Gerzan Alvarez denkt derweil im Maßstab seines Dorfes über den Tag hinaus. Im Schein einer qualmenden Öllampe arbeitet er nach Sonnenuntergang Unterlagen durch.

    Für den nächsten Morgen hat er die Leute in seinem Dorf zu einem Workshop eingeladen. Das Thema: Risikomanagement, wie lassen sich die Häuser vor Überschwemmungskatastrophen schützen? Was geschieht, wenn nicht nur zunehmende Trockenheit sondern auch mehr tropische Wirbelstürme in Nicaragua zu erwarteten sind?

    "Das ist eine andere Art der Prävention. Wir bereiten jetzt die Informationen für die Leute vor. Wir wollen ihnen Orientierung geben. Wie baut man sein Haus am besten und wohin, so dass es sicher steht."

    Gerzan Alvarez nimmt einen Schluck Kaffee aus einer verbeulten Blechtasse. Armutsbekämpfung, Bildung, neue Anbau- und Vermarktungsmethoden: All dies sind für den Bauern im Nordwesten Nicaraguas probate Mittel, sich auf denkbare Folgen des Klimawandels einzurichten.

    "Ich fühle mich gut, es wird mir für mein Leben helfen und ich kann es vielen weitergeben."