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Ballaststoffe
Alles andere als überflüssiger Ballast

Der Name führt in die Irre: Ballaststoffe belasten den Körper nicht, sondern wirken sättigend und senken den Cholesterolspiegel. Außerdem regen sie die Verdauung an ohne selbst verdaut zu werden.

Von Renate Rutta | 08.12.2015
    Ein aufgeschnittenes Mehrkornbrot. Davor liegt eine angebissene Brotscheibe. Mehrkornbrot enthält viele Ballaststoffe.
    Mehrkornbrot enthält viele Ballaststoffe. (Imago/McPhoto)
    "Im Winter am meisten Porree, Möhren, Wirsing, Blumenkohl und an Obst: Apfelsinen, Clementinen und im Sommer: Blumenkohl und sehr viel Salat."

    So antwortet ein Marktstandbetreiber in Köln auf die Frage: Was kaufen die Leute bei Ihnen am meisten? Dass Gemüse geschätzt wird, schlägt sich auch in Zahlen nieder. Die Agrarstatistik für Gemüse und Obst bestätigt: Die Deutschen essen etwas mehr pflanzliche Lebensmittel.

    "Endivie ist ein starkes Produkt im Winter, die meisten Leute kaufen im Winter Endiviensalat, Kopfsalat, ja."
    Viele pflanzlichen Nahrungsmittel enthalten Stoffe, die offensichtlich eine schützende Wirkung auf die Gesundheit ausüben. Zu ihnen gehören die Ballststoffe.

    "Ich glaube, dass in schlechtem Essen wie Hamburger, Fritten und so, dass da Ballaststoffe drin sind."

    Nein, ganz im Gegenteil, da sind vermutlich nur wenig Ballaststoffe enthalten.
    "Bei Gemüse geh ich davon aus, dass ich dann doch Ballaststoffe zu mir nehme. Aber wenn Sie in die Richtung Körner, Müsli gehen, das ist nicht so mein Fall."

    "Wo die drin sind? In Hülsenfrüchten, in Obst und Gemüse hauptsächlich, in Vollkornprodukten."

    Ballaststoffe kommen tatsächlich nur in Pflanzen vor. Sie sind Bestandteile, die der menschliche Dünndarm nicht verwerten kann - also unnötiger Ballast?

    "Ballaststoffe heißt es zwar, sie sind natürlich kein überflüssiger Ballast, sie haben positive Wirkungen. Der Name kommt sicher daher, dass es sich um unverdauliche Nahrungsbestandteile handelt."
    Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): "Es ist zum Beispiel Zellulose, es sind eben Bestandteile aus den Keimen von Pflanzen, die der Körper einfach nicht aufspalten, verdauen kann, die natürlich die Magen-Darm-Passage überstehen und dann im Darm, über den Darm wieder ausgeschieden werden, dort aber für ein gutes Bakterienmilieu sorgen, ja die Verdauung anregen und einfach fördern. Deshalb ist das kein unnötiger Ballast sondern aufgrund dieser Unverdaulichkeit dieser Zellulosen oder Pflanzenstoffe, Pflanzenfasern daher dieser Name rührt."
    Ballaststoffe sind Stütz- und Gerüstsubstanzen in pflanzlichen Lebensmitteln. Viele werden unverdaut ausgeschieden, aber als Quell- und Füllstoffe haben sie einen weiteren Vorteil: sie wirken auch sättigend. Professor Günther Wolfram, Ernährungsexperte an der TU München:

    "Es ist so, dass natürlich Ballaststoffe ganz geringen Energiegehalt haben und wenn ich den Magen fülle mit viel Ballaststoffen, Sättigung kommt ja durch Fülle des Magens, dann ist da ein Unterschied, wenn ich eine Schweinshaxe esse oder ballaststoffreiches Obst und Gemüse. Dann hab ich bei der Situation satt weniger Kalorien im Magen und deshalb fällt es mir leichter, dem Übergewicht vorzubeugen oder Gewicht abzunehmen."
    Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl ergänzt: "Für die Gesundheit sind die Ballaststoffe wichtig. Natürlich regen sie einerseits zum Kauen an, die Kautätigkeit und damit schon insgesamt die Verdauung. Wir haben, wenn wir Ballaststoffe aufnehmen, einerseits ein größeres Volumen des Nahrungsbreis, was uns auch hilft, dass wir satter werden, so dass wir nicht so schnell wieder Hunger bekommen, der Magen gut gefüllt ist. Andrerseits haben sie noch positive Wirkung im Hinblick auf die Blutfettwerte, zum Beispiel auf den Cholesterolspiegel wirken sie senkend, das kann auch ein Faktor sein, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen, also insgesamt relativ viele positive Eigenschaften durch die Ballaststoffe."
    Es gibt auch lösliche Ballaststoffe, wie etwa das Pektin, das in Äpfeln und anderem Obst enthalten ist oder die Glucane aus dem Hafer. Im Dickdarm binden sie sich an Gallensäuren, die dadurch mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Will der Körper neue Gallensäuren bilden, verwertet er Cholesterin und senkt dadurch dessen Spiegel im Blut.

    "Eine andere Hypothese ist über Gallensäuren, dass bei ballaststoffreicher Kost eine andere Art Gallensäure produziert wird und das wirkt auch schützend gegenüber Dickdarmkrebs."

    Der Zusammenhang von Ballaststoffen und Dickdarmkrebs wurde im neuesten Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bestätigt.

    "Dabei hat sich wiederum bestätigt, dass eben Ballaststoffe, eine ausreichende Ballaststoffzufuhr vor Dickdarmkrebs schützen kann. Also Krebs ist seltener bei den Menschen, die Vollkornprodukte essen und eben Ballaststoffe aufnehmen, Obst, Gemüse, Salat und Vollkornprodukte, das ist also ein Schutzfaktor gegen Dickdarmkrebs."

    Im Dickdarm erzeugen die Ballaststoffe im Verbund mit den Bakterien, die dort vorhanden sind, ein günstigeres Milieu. Es wird "zum Beispiel der pH-Wert abgesenkt, die Darmperistaltik wird beschleunigt, so dass der Transport durch den Darm schneller ist und so der Stuhl nicht so lang verweilt und an der Wand Kontakt hat und damit, wenn Kanzerogene dabei sind, also Krebs erzeugen können." Außerdem bilden sich weniger Divertikel im Darm - Aussackungen der Darmwand, die sich entzünden können. Ballaststoffe können ebenfalls vor Hämorrhoiden schützen.

    "Man muss auch sehen, wenn ich Ballaststoffe esse, verdränge ich andere Lebensmittel, zum Beispiel das rote Fleisch und vom roten Fleisch, das steht auch im Ernährungsbericht drin, geht ein Risiko aus für Dickdarmkrebs. Wenn ich mich also mehr vegetarisch, ballaststoffreich ernähre, verdränge ich das rote Fleisch. Ich hab also von zwei Seiten eine positive Wirkung."
    Ballaststoffe wirken aber noch auf eine andere Art und Weise: sie verhindern, dass nach einer Mahlzeit der Blutzuckerspiegel rasch wieder ansteigt und starken Schwankungen ausgesetzt ist. So können Ballaststoffe aus Getreideprodukten wie Vollkornbrot und Müsli bei vielen Menschen das Risiko für Diabetes Typ 2 verringern. Das zeigen neue Studien. Doch die meisten essen zuwenig Ballaststoffe.

    "Bei der Ballaststoffzufuhr haben wir noch Verbesserungsmöglichkeiten. Da ist die deutsche Bevölkerung auch noch nicht so gut, das heißt die Empfehlungen der DGE von etwa 30 Gramm Ballaststoffe, die wir pro Tag aufnehmen sollten, werden im Mittel nicht erreicht. Wir liegen zwischen 22 und 25 Gramm, da fehlen immer noch fünf, sechs Gramm, da könnte man noch optimieren."
    Um diese 30 Gramm zu erreichen kann man beispielsweise zwei Scheiben Vollkornbrot essen, eine Portion Kartoffeln mit Rosenkohl, Salat oder einem anderen Gemüse und einen Apfel und frisches Beerenobst. Damit kann man nicht früh genug anfangen. "So früh wie möglich, das erzähle ich meinem Sohn jetzt schon und der ist drei. Der weiß, dass er lieber mal einen Apfel nimmt als einen Riegel Schokolade. Wenn ich dem manchmal anbiete süß oder den Apfel, nimmt er den Apfel, weil es ihm auch schmeckt."